TÜBINGEN. Ohne die Wissenschaft gäbe es kein Internet, keine Mondlandung und auch die Lebenserwartung der Menschen wäre wesentlich kürzer. Und doch: sobald ein Forschungsprojekt vorgestellt wird, wird heute der Zweck dahinter hinterfragt. Und Studienergebnisse? Die interpretiert heute oft Jeder, wie er möchte. Egal ob Corona, Klimawandel oder Zollpolitik. In den Vereinigten Staaten greift Präsident Donald Trump die universitäre Wissenschaftsgemeinschaft in einer nie dagewesenen Art und Weise an. Wie steht es also um die Akzeptanz und die Vermittlung der Wissenschaft? Wird die Wissenschaft akzeptiert, oder setzt die Mehrheit auf den vermeintlich »gesunden Menschenverstand«? Antworten auf diese Fragen könnte es in den kommenden Monaten im »Eckstein« geben - oder zumindest den Versuch, diesen und weiteren Fragen nachzugehen. In der Langen Gasse 16 hat die Eberhard-Karls-Universität einen »Pop-up-Store« gegründet, der Wissenschaft(ler) und die Stadtgesellschaft zusammenbringen soll.
»Der Pop-up-Store verbindet zwei Welten«, sagt dann auch Mareike Kardinal, die das »Civis Open Lab« leitet und auch das »Eckstein« federführend organisiert hat. Civis steht dabei für eine europäische Universitätsallianz, die elf traditionsreiche Hochschulen mit mehr als 500.000 Studierenden und 70.000 Mitarbeitern - darunter rund 35.000 Forscherinnen und Forscher - organisiert. Ein Ziel dieser Allianz ist es, für die Wissenschaft zu werben und über die Forschung zu informieren. »Die Akzeptanz und Bedeutung von Forschung wird gestärkt, wenn man Wissen über Forschung vermittelt. Wie wird geforscht? Wer finanziert Forschung? Transparenz stärkt die Wissenschaft«, ist Kardinal überzeugt. Das »Eckstein« soll daher ein Ort der Begegnung werden, der mit offenen Türen und verschiedensten Veranstaltungen Interesse wecken soll. So gibt es die »DialogBar« um ins Gespräch zu kommen, bei »Science Snacks« sollen Wissenschaftler der Uni ihre Themen und Fragestellungen kurz und knapp vorstellen.
Bürgerschaft soll Programm mitgestalten
Auf der Internetseite des »Eckstein« ist das bisher feststehende Veranstaltungsprogramm eingestellt, weitere Veranstaltungen sollen auch von den Besuchern (mit-)gestaltet werden. Sicher sind drei Themenblöcke, die als Motto über den drei Monaten stehen, die der Pop-up-Store in der Langen Gasse existieren soll: Im Mai »Demokratie und Europa«, im Juni »Diversität« und im Juli »Zukunft«. Mareike Kardinal verspricht: »Wir holen Themen aus der Stadtgesellschaft und matchen sie mit der Forschung - und umgekehrt.«
Davon soll die Forschungswelt auch unmittelbar profitieren. Das Ziel sei schließlich »gesellschaftlich relevante Forschung zu Zukunftsfragen des 21. Jahrhunderts«, sage Dr. Georg Hauzenberger bei der offiziellen Einweihung des »Eckstein«. Hauzenberger leitet das Civis-Programm der Uni Tübingen. »Global denken, lokal handeln: Das tun wir gerade hier«, sagte der Wissenschaftler und ergänzt: »Wir wollen offene Universitäten schaffen.« Auch für internationale Studierende: Die werden am 9. Mai mit einem Event im »Eckstein« offiziell in Tübingen willkommen geheißen.
Fehlen darf bei dem bunten Programm am Ende auch nicht die Unterhaltung. So verpricht Kardinal unter anderem »kulturelle Bonbons vom Zimmertheater«, einem der Kooperationspartner. Und zum Auftakt kam Bernd Kohlhepp auf die Bühne und spielte Szenen aus Goethes Faust - schließlich zeigt die 1808 veröffentlichte Tragödie auf, dass Wissenschaft und Gesellschaft schon damals miteinander rungen. So lässt Gothe seine Hauptfigur gleich zu Beginn feststellen: »Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, und leider auch Theologie durchaus studiert, mit heißem Bemühn. Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor!« (GEA)