TÜBINGEN. »Jeder Mensch hat das Recht auf eine gute Gesundheitsversorgung. Wir in Deutschland halten den Zugang für zu selbstverständlich«, sagt Edda Weimann. Als neue Direktorin des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission (Difäm) setzt sie sich für weltweite Gesundheitsarbeit ein. Der Schwerpunkt liegt auf Afrika. Weimann tritt damit die Nachfolgerin von Gisela Schneider an, die das Difäm fast 18 Jahre lang geleitet hat. Gemeinsam mit Wolfgang Stäbler, dem Leiter der Tübinger Tropenklinik Paul-Lechler-Krankenhaus, bildet sie das Vorstandsteam. Das Difäm ist Mitglied im Diakonischen Werk Württemberg. Es ist Träger der Klinik und des Hospizes Tübingen.
Weimann stammt ursprünglich aus Buer in Nordrhein-Westfalen. Sie ist Kinderärztin, Fachärztin für Endokrinologie und Diabetologie, hat einen Master in International Health Systems und eine langjährige internationale Führungserfahrung als Leiterin von Krankenhäusern. Mehrere Jahre lang war Weimann als Professorin an der Uniklinik in Kapstadt tätig. Die 61-Jährige war in Ruanda am Aufbau eines Herzzentrums in der Hauptstadt Kigali beteiligt. »Häufig bekommen Menschen von einer Angina, die einfach mit Antibiotika behandelt werden könnte, Herzklappen-Erkrankungen«, sagt sie. Den direkten Kontakt nach Afrika hält Weimann weiterhin. Sie unterrichtet und forscht in den Gebieten »Child Health« und »Planetary Health« an der TU München und im Bereich »Digital Health« an der Universität von Kapstadt. Darüber hinaus berät Weimann internationale Organisationen im Bereich Klima und Gesundheit von Gesundheitssystemen. Die Arbeit vor Ort liegt ihr am Herzen.
Ein großes Bedürfnis, Strukturen zu verbessern
Beim Difäm hat sie sich beworben, da sie ihre Erfahrungen im Management und ihren »Wissensvorsprung« über afrikanischen Gesundheitssysteme einbringen möchte. Nachdem Weimann in mehreren europäischen Ländern gearbeitet hatte, zog es sie nach Afrika. »Der Kontinent ist absolut faszinierend. Die Menschen sind sehr dankbar für unsere Unterstützung. Sie haben ein großes Bedürfnis, die Strukturen zu verbessern. Auch wenn die Situation oft sehr desolat ist, sind sie sehr positiv und voller Lebensfreude«, berichtet sie.
Das Difäm setzt sich seit mehr als 100 Jahren für die Verbesserung der Gesundheit in wirtschaftlich armen Regionen, vor allem für gefährdete und bedürftige Menschen. Es arbeitet weltweit mit christlichen Partnerorganisationen vor Ort zusammen, vor allem in Afrika in etwa 60 Projekten. Kürzlich hat sich der Verein zusammen mit Oberbürgermeister Boris Palmer und der Schlagerikone Dieter Thomas Kuhn für einen Bau einer Klinik für Frauen nach sexualisierter Gewalt im Ostkongo engagiert (der GEA berichtete). Das Difäm finanziert sich durch Spendengelder.
Projekte auf Augenhöhe
Die To-do-Liste, was in der Gesundheitsversorgung in den afrikanischen Ländern fehlt, ist lang: »Es mangelt an der Grundversorgung, an Fachkräften, an Weiterbildung, an der Vernetzung, am Material, an der Ausstattung, an Ärzten. In manchen Ländern gibt es nur einen Kinderarzt«, weiß Weimann aus eigener Erfahrung. Das habe schwerwiegende Folgen. »Es gibt zum Beispiel nur eine bestimmte Anzahl von Dialyse-Plätzen. Nach gewissen Kriterien wird ausgewählt. Manche Menschen können nicht mehr behandelt werden und sterben.« Auch Medikamente sind teils Mangelware. Gefälschte Präparate aus dem asiatischen Raum, unter anderem auch Krebsmedikamente, sind häufig im Umlauf.
»Wir arbeiten bei Difäm auf Augenhöhe. Die Projektverantwortlichen sind Menschen aus der dortigen Community. Sie wenden sich für Projekte an uns. Wir diktieren nicht von oben«, erläutert die 61-Jährige. Wichtig sei es auch, religiöse Führer und »Dorfälteste« mit ins Boot zu nehmen.
Dass man voneinander lernen kann, zeigt sich zum Beispiel beim Projekt Studifäm, einer Kooperation mit dem Uniklinikum Tübingen. Studierende besuchen zunächst ein Seminar, in dem sie zu verschiedensten Themen von Krisen, Verhalten im Unfall oder bei Infektionen geschult werden. Anschließend können sie in afrikanischen Ländern ein Praktikum machen.
Sauberes Wasser ist essenziell
Der Klimawandel beeinträchtigt das Leben in Afrika. 2023 wütete der Zyklon Freddy und verursachte Überschwemmungen und Erdrutsche und zerstörte damit fruchtbare Erde. »Die Familien hatten erhebliche Probleme, sich zu ernähren. Die häusliche Gewalt stieg auch an, da die Männer mehr Alkohol tranken«, sagt Weimann. Darüber hinaus mache die Trockenheit zu schaffen. »Dürren sorgen für Hungersnöte. Der Februar 2024 war der längste Dürremonat, den es je gab. In der Klinik in Kapstadt musste bei der Arbeit jeder Tropfen Wasser eingespart werden«, sagt Weimann. Aktuell hat das Difäm ein Brunnenprojekt in Malawi. »Wenn das Trinkwasser nicht sauber ist, bekommen viele Typhus, gerade auch Kinder«, warnt Weimann. Wichtig seien Brunnen im Dorf, da an abgelegeneren Brunnen häufig Gewalttaten passieren.
Mehr digitale Wege
Insbesondere im Digitalen gehen viele afrikanische Länder mit der Zeit. So können beispielsweise Röntgenaufnahmen schnell digital verschickt werden. Community Krankenhäuser sind per Chat mit Ärzten aus spezialisierten Kliniken verbunden. Ruanda sei ein Positivbeispiel in der Gesundheitsversorgung. »Das Gesundheitsministerium hat sich dafür eingesetzt, dass mit geringen Beträgen in eine Krankenversicherung eingezahlt werden kann«, sagt die Direktorin. Mit einem Drohnensystem können Medikamente und Blutproben innerhalb von weniger als einer halben Stunde bis in abgelegenste Regionen geschickt werden. »Ruanda ist das Land der 1.000 Hügel. Mit einem Transporter dauert das Ganze stundenlang«, gibt sie zu bedenken. »Wir können also auch viel von Afrika lernen.« (GEA)