TÜBINGEN. Ein kleines, aber markantes »Hexenhäuschen« am Neckarufer. Etwas heruntergekommen und überwuchert. Gleich neben dem Bürger- und Verkehrsverein, der zentralen Anlaufstelle für Touristen. Und nur wenige Schritte vom Neckarparkhaus entfernt, das Besucher aus dem Raum Reutlingen oder dem Steinlachtal bevorzugt ansteuern, wenn sie in Tübingen zu tun haben: Das kleine Cotta-Haus wird vermutlich abgerissen. Wenn sich nicht noch Entscheidendes tut.
Stadtarchivar Udo Rauch widmet dem Gebäude einen Nachruf. Er selber hofft, dass es nur ein Zwischenruf ist und sich Spender und weitere Engagierte finden, die einen Fortbestand sichern und eine neue Nutzung möglich machen - zum Beispiel als »Cotta-Kabinett«, ähnlich dem Hesse-Kabinett auf dem Holzmarkt. Immerhin handelt es sich um das älteste Gebäude südlich des Neckars, wenn auch nicht um ein Kulturdenkmal.
Herzog Ulrich mischte wieder mit
Rauchs Artikel ist ein typisches Beispiel für Geschichten aus den Tübinger Blättern, dem Magazin des Verkehrsvereins. 1898 erschien das erste Heft der Reihe. Aus dem altehrwürdigen Blatt ist ein modernes Magazin geworden, das stets vor Weihnachten erscheint. Eine Fundgrube von Geschichten, nicht nur aus der Unistadt selbst, sondern aus dem ganzen Landkreis. Wer meint, Tübingen schon gut zu kennen, stößt auf viel Neues, alle anderen sowieso.
Einer der vertrauten Autoren ist Wilfried Setzler. Der Historiker und Ex-Kulturamtsleiter richtet dieses Mal den Blick um 500 Jahre zurück: Tübingen mitten im Bauernkrieg. 1525 kam es zu Unruhen in Württemberg. »In der komplizierten Situation spielte die Stadt Tübingen eine wichtige Rolle«, hat Setzler beobachtet, der weiß, wie man geschichtsträchtige Themen so darstellt, dass sie nicht nur für Menschen vom Fach von höchstem Interesse sind. Unter den 50 Amtsstädten in Württemberg gab es zeitweise nur vier, die sich nicht auf die Seite der Bauern schlugen: Asperg, Markgröningen, Urach und Tübingen.
Brenzlige Lage
Die Lage war brenzlich in der Unistadt, wohin sich die Regierung zurückgezogen hatte. Und Herzog Ulrich, der wenige Jahre davor der Reichsstadt Reutlingen so übel mitgespielt hatte, mischt auch wieder mit. Er versuchte, die Bauern-Unruhen zur Rückeroberung zu nutzen. Zur offenen Feldschlacht kam es aber am 12. Mai in der Nähe von Böblingen. Der Bauernkrieg wurde blutig beendet.
Tübinger Blätter 2025
Das aktuelle Magazin des Bürger- und Verkehrsvereins ist dicker als die 2024er-Ausgabe. Es hat 152 Seiten und kostet 11,90 Euro.
Die Schilderung dessen, was sich im Bauernkrieg zutrug, ist nicht der einzige Beitrag zu historischen Themen. Ulrich Hägele stellt den Fotografen Paul Sinner vor, der vor hundert Jahren gestorben ist. Dieser war Kriegsreporter und Porträtist der Unistadt. Deren Archiv verdankt ihm viele Aufnahmen. Ulrike Pfeil porträtiert die 2023 gestorbene Pflanzen-Virologin Evamarie Sander, »weltgewandt, fachlich hoch angesehen und betont damenhaft«, Steffen-Peter Ballstaedt widmet sich den produktiven Jahren von Eduard Spranger in Tübingen.
Zu den Tübinger Köpfen, die vorgestellt werden, zählen die einstigen Inhaberinnen der Buchhandlung Gastl, Julie Gastl und Gudrun Schaal, Bestseller-Autor Peter Prange und die Schriftstellerin Utta Keppler, eine »Verfasserin knitzer Alltagsbeobachtungen gereimt oder in Prosa«, wie Dorothea Keuler sie beschreibt. Kepplers Roman »Falterfrau« über Maria Sibylla Merian ist ein Klassiker.
Karlheinz Geppert unternimmt einen Jubiläums-Streifzug durch Rottenburg. Und Wolfgang Sannwald beschäftigt sich mit den Kirchtürmen im Landkreis Tübingen - von Mössingen und Belsen bis Kusterdingen, Rolf Herrmann steuert dazu die Bilder bei. Martina Guizetti berichtet, was 2024 im Landkreis passiert ist. Und Helmut Eck und Hans-Joachim Rosner spüren dem Klimawandel im Tübinger Raum nach. Damit sind bei Weitem nicht alle Themen genannt. Und eine Chronik des Jahres gehört immer dazu. (GEA)