TÜBINGEN. »Das vierte Kleeblatt ist ja bekanntlich das Glückbringende«, sagte Muhterem Atas. Baden-Württembergs Landtagspräsidentin spielte damit auf die vierte Außenstelle der Landeszentrale für politische Bildung (LPB) an, die am Freitag in der Tübinger Wilhelmstraße 8 feierlich eröffnet wurde. »Besser als hier geht's eigentlich gar nicht.« Universität und Stadt hätten eine internationale Strahlkraft, die ihresgleichen suche. Nun gebe es wieder in jedem Regierungsbezirk von Baden-Württemberg einen festen Anlaufpunkt für Fragen und Angebote rund um die politische Bildung.
Und diese werde zurzeit besonders gebraucht. »Die sozialen Medien ändern alles«, erklärte Atas. »Chatbots revolutionieren das Leben, wie wir es kennen, und was durch die Digitalisierung passiert, hat ganz konkrete Folgen.« In der Anonymität des Internets könne Antisemitismus gedeihen, Politikern offen gedroht und Schüler leicht das Opfer von Cybermobbing werden. Durch die Arbeit der LPB kämpfe man aktiv gegen die grassierenden Desinformationen, die im Großteil durch die sozialen Medien verbreitet würden. Im Gegensatz zur AfD, die 2017 versuchte, der Landeszentrale - mit wenigen Ausnahmen - nahezu alle Mittel zu streichen, stünden die Altpartien in Baden-Württemberg »im Schulterschluss« gegen Verfassungsfeinde, die die demokratische Grundordnung aushebeln wollen. Die Eröffnung einer Außenstelle in Tübingen sei daher der nächste logische Schritt.
Bürokratie schädigt Demokratie
Auch Oberbürgermeister Boris Palmer zeigte sich erfreut, dass die Standortwahl auf Tübingen gefallen ist. »Wir sind der Mittelpunkt Baden-Württembergs«, sagte Palmer selbstsicher. Die Stadt sei zwar eng, aber doch ein intellektueller Anlaufpunkt im Süden Baden-Württembergs. Zudem sei die Möglichkeit für Kooperationen und Vernetzung erstklassig und ohnehin sei früher in der Unistadt eine Außenstelle gewesen: »Ehe sie wegen Geldmangels geschlossen wurde.« Als eine Keimzelle der fortschreitenden »Staatsverdrossenheit« identifizierte der Kommunalpolitiker - neben Desinformationen durch die sozialen Medien - auch die überbordende Bürokratie, die Handlungsmöglichkeiten lähme. »Die ist so nicht mehr funktional«, wandte sich Palmer auch die anwesenden Landespolitiker im Publikum. Demokratie könne auch durch eine Verbesserung der Verwaltungsstrukturen gestärkt werden - wenn durch schnelle Lösungen wieder Vertrauen in die Institutionen herstellt werde.
Die Leiterin der Außenstelle Tübingen, Anja Meitner, hob eine im ersten Moment ungewöhnliche These hervor: Streit sei wünschenswert. »Das hält die Demokratie am Leben.« Daher sei eine dringende Aufgabe, eine gute Basis dafür zu schaffen, dass die Gesellschaft an der Kontroverse wachsen könne. Man gehe insbesondere an Schulen, damit die jungen Menschen früh lernten, konstruktiv zu streiten und ihre eigene Meinung zu entwickeln. LPB-Mitarbeiterin und Politikstudentin Ninoska Wassner, die Angebote der Landeszentrale vor allem an die Schulen trägt, pflichtete Meitner bei: »Was in den sozialen Medien passiert, ist eben keine Kontroverse.« Die Nutzer seien nur in ihren eigenen, kleinen Meinungs-Welten unterwegs. »Da geht es auch nicht um Inhalte.« Man müsse die jungen Menschen dafür sensibilisieren. (GEA)