KIRCHENTELLINSFURT. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat am 11. April den Bebauungsplan am Kirchentellinsfurter Baggersee für unwirksam erklärt. Jetzt folgt die ausführliche Begründung des achten Senats. Wenn das Urteil rechtskräftig wird, wird sich zeigen, wie es am See weitergeht. Für eine Lösung müssen alle Beteiligten an einen Tisch.
Ordnung am See: Der Bebauungsplan sollte vor allem Ordnung an den See bringen. Dazu hatte die Gemeinde in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt Sondergebiete ausgewiesen und ein Zonierungskonzept erstellt. Ziel sei es gewesen, die unterschiedlichen Nutzungen des Sees in Einklang zu bringen. Die Gemeinde habe sich, so der achte Senat am Verwaltungsgerichtshof Mannheim, eine Sozialkontrolle über Gruppen erhofft, die Schutzzonen nicht respektieren und Schutzzonen als Trampelpfade, Feuerstellen, Liegeplätze und Naturtoiletten missbrauchten. Das war allerdings nicht rechtmäßig. Ein Bebauungsplan sei dafür das völlig falsche Mittel, urteilte der Senat. Geregelt werden könne das allenfalls über eine »sachbezogene Allgemeinverfügung oder eine Polizeiverordnung«.
Ordnung auf dem See: Hinfällig sind auch die Regelungen auf dem See. Saisonalen oder ganzjährigen Befahrungs- und Betretungsverboten aus Naturschutzgründen erteilten die Richter ebenso eine Absage. Das schränke den wasserrechtlichen Gemeingebrauch ein. Entsprechende Vorgaben könnten nur nach Maßgabe des Wassergesetzes und von den zuständigen Behörden getroffen werden.
Ordnung im Wald: Ebenso deutlich wurden die Richter bei den Regelungen im Bebauungsplan für den Waldbereich. Dort sind Naturschutzzonen mit Anglerplätzen vorgesehen. Derlei Bestimmungen »finden keine Rechtsgrundlage im Baugesetzbuch«. Das waldrechtliche Betretungsrecht werde ebenso damit eingeschränkt wie die »aus dem Fischereirecht folgenden Rechte und Pflichten«.
Landschaftsschutzgebiet: Der Bebauungsplan ist nach Ansicht der Verwaltungsrichter nicht nur das falsche Mittel, er überplant auch noch ein Landschaftsschutzgebiet. Dort sei es aber verboten, »Veränderungen vorzunehmen, die die Landschaft verunstalten oder die Natur schädigen oder den Naturgenuss beeinträchtigen«. Darunter fallen, so die Richter weiter, »Bauten aller Art, Parkplätze, Badeplätze, Verkaufsstände und Kioske«. Auch eine Wakeboard-Anlage hätte dort niemals genehmigt werden dürfen. »Diese Anlagen sind ohne weiteres geeignet, die Landschaft zu verunstalten.«
»Es gab von uns nie einen Zweifel, dass das unrechtmäßig sein könnte«
Der Bürgermeister: Nach wie vor ist Bürgermeister Bernd Haug vom Urteil des Gerichts überrascht. Der Bebauungsplan sei in enger Abstimmung mit Landratsamt und Regierungspräsidium aufgestellt worden. Umso erstaunter war man dann, als das Gericht den gesamten Plan für unrechtmäßig erklärt hatte. »Es gab von uns nie einen Zweifel, dass das unrechtmäßig sein könnte.«
Nicht verstehen kann Haug die Einwände des Gerichts in Sachen Landschaftsschutz. Beim Lesen der Urteilsbegründung bekäme man den Eindruck, dass es sich hier um unberührte Natur handle. "Das kann man nicht verstehen. Die B27 grenzt unmittelbar an. Es hupt und brummt, aber das Kiosk ist nicht erlaubt." Für Besucher sei das nicht mehr nachvollziehbar. Jetzt müsse man zuerst analysieren, was das Urteil für alle Beteiligten bedeute. Dann müsse man zusammen erarbeiten, was das Ziel des weiteren Vorgehens sein könne. "Da braucht es auch den Anglerverein." Die Gemeinde halte jedenfalls am Vorhaben fest, am See Ordnung zu schaffen. "An unserer Perspektive hat sich nichts geändert.
»Es hupt und brummt, aber das Kiosk ist nicht erlaubt«
Der Fischereiverein:"Es geht uns nicht ums Gewinnen oder Verlieren, es geht uns um die Zukunft des Sees", das betonen die beiden Mitglieder des Vereinsvorstandes Christian Becker und Gerd Schwarz. Allerdings schaffe das Urteil »Klarheit in den noch zu führenden Gesprächen«. Wichtig ist dem Verein, dass auch künftig kein Partyrummel und keine Großveranstaltungen am See stattfinden. Hier sei das Ordnungsamt der Gemeinde gefragt. Angesprochen darauf, ob die Mitglieder nicht die Sorge haben, dass sich der See wieder zu einem Sextreff entwickeln könnte, schreiben Becker und Schwarz: »Die öffentliche Ordnung herzustellen oder aufrechtzuerhalten ist Aufgabe der Gemeinde und Ordnungsorgane. Die Gemeinde hat bereits vor Inkraftsetzung des Bebauungsplans den Treff, hauptsächlich mit einem Security Dienst, unterbunden.«
»Es geht uns nicht ums Gewinnen oder Verlieren, es geht uns um die Zukunft des Sees«
Gegen den Badebetrieb habe man nichts, im Gegenteil: »Es liegt uns viel daran, dass die Frühschwimmer und andere Badegäste nach wie vor den Gemeingebrauch am See ausüben können. Dafür hatte der Verein auch zu Beginn der Verpachtung an die Gemeinde den Einstieg am Handlauf saniert und zwei Badeleitern gespendet.« Auch mit der Seglerkameradschaft Kirchentellinsfurt wolle man weiter kooperieren. »Hier erneuern wir unser Versprechen, dass sich für diese von unserer Seite aus am Status quo nichts ändern soll.« Zurückhaltender reagieren die Fischer auf die Frage, wie es mit dem Kiosk weitergeht: »Ob und inwieweit sich eine Kiosklösung nach dem Urteil umsetzen lässt, können wir abschließend nicht bewerten, da die Rechtsfolgen des Urteils nach Inkrafttreten noch geprüft werden müssen und dann auch die Behörden gefragt sind.«
Das Landratsamt: Die Behörde will zuerst mit allen Beteiligten sprechen, bevor sie sich zum weiteren Vorgehen äußert.