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Straßenbeleuchtung in Tübingen: Palmer widerspricht Tappeser

Streit um Beleuchtung von Zebrastreifen: Tübingens OB sieht Regierungspräsidium als nicht weisungsbefugt

ARCHIV - 11.03.2021, Baden-Württemberg, Tübingen: Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen, nimmt an einem Pressetermin der
Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen. Foto: Marijan Murat/dpa
Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen.
Foto: Marijan Murat/dpa

TÜBINGEN. Der Streit um die Tübinger Straßenbeleuchtung geht in die nächste Runde. Oberbürgermeister Boris Palmer hat mit einem offenen Brief auf Regierungspräsident Klaus Tappeser reagiert. Der hatte Palmer darauf hingewiesen, dass Fußgängerüberwege nachts beleuchtet werden müssen. Auch sieht sich Tappeser weisungsbefugt gegenüber der Stadtverwaltung. »Die Entscheidung, die Straßenbeleuchtung nachts ganz oder teilweise abzuschalten, liegt als Selbstverwaltungsangelegenheit im Ermessensbereich der Gemeinde«, schreibt nun der Oberbürgermeister.

Um Energie zu sparen, wird in Tübingen außerhalb des Stadtzentrums für einige Stunden in der Nacht die Straßenbeleuchtung komplett abgeschalten (wir berichteten). Das reduziere den Stromverbrauch der Stadt »mehr als jede andere Maßnahme«, schreibt Palmer. Tappeser hatte ihn darauf hingewiesen, dass die Kommunen dafür verantwortlich sind, das Straßenverkehrsrecht einzuhalten. Dort sei eine durchgängige Beleuchtung von Zebrastreifen vorgeschrieben.

Tappeser stütze sich auf Vorschriften, die »20 Jahre oder älter sind«, hält Palmer dem Regierungspräsidenten entgegen. »Diese Regelungen stammen also aus einer Zeit, in der eine akute Energiekrise aufgrund eines russischen Angriffskriegs gegen ein europäisches Nachbarland von niemanden bedacht wurde.« Mit der Reduzierung der Straßenbeleuchtung spart die Stadt Tübingen rund 710 000 Kilowattstunden im Jahr ein und damit rund ein Viertel des Stromverbrauchs.

Auch seien die Fußgängerüberwege eingerichtet worden, als noch eine Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometer innerorts die Regel gewesen sei. »In Tübingen ist dies schon lange nicht mehr der Fall.« Seit Jahrzehnten sei Tempo 30 die Regelgeschwindigkeit in Tübingen. »Fußgängerüberwege sind in Tempo 30-Bereichen in der Regel entbehrlich«, zitiert Palmer die Straßenverkehrsordnung. »Eine Pflicht, zur Beleuchtung eines Fußgängerüberwegs, der an sich entbehrlich ist, hält keiner logischen Betrachtung stand«, argumentiert der Oberbürgermeister weiter.

»Ich sehe die Übernahme von Verantwortung als Kernaufgabe meines Amtes«

Völlig unstrittig sei auch, dass Gemeinden in verkehrsarmen Zeiten die Straßenbeleuchtung abschalten können und damit auch die Beleuchtung an den Fußgängerüberwegen. Technisch ist es unmöglich, die Beleuchtung der Zebrastreifen gesondert zu schalten.

Tappeser hatte sich in seiner Argumentation auf die amtliche Richtlinie zur Anlage von Fußgängerüberwegen gestützt. Dort ist zu lesen, dass Zebrastreifen beleuchtet sein müssen, damit Fußgänger auch bei Dunkelheit und regennasser Fahrbahn gut zu erkennen sind. Diese Richtlinie beziehe sich nur auf die Ausstattung von Fußgängerüberwegen, nicht aber auf den Betrieb derselben, schreibt nun Palmer.

Auch auf den Hinweis von Tappeser, dass der Oberbürgermeister möglicherweise im Unglücksfall persönlich haften müsste und es außerdem keinen ausreichenden Versicherungsschutz gebe, geht der OB ein: Die Androhung von persönlicher Haftung sei eine weitverbreitete Vorgehensweise: »Ich halte das für eine Methode der Selbstfesselung einer Gesellschaft, die keinerlei vernünftige Risikoanalyse mehr zugrunde legt, sondern nur noch die Angst der Beamten vor Verantwortung«, schreibt Palmer dazu und fügt hinzu: »Seien Sie unbesorgt, ich sehe die Übernahme von Verantwortung als Kernaufgabe meines Amtes.« Das Regierungspräsidium bittet er nun, vor weiteren Schritten eine »ermessensfehlerfreie Abwägung der Gesamtumstände vorzunehmen«. (GEA)