TÜBINGEN. Das Werfen von Münzen in einen Brunnen oder ein Gewässer hat eine lange Tradition. Es soll Glück bringen und Wünsche erfüllen. Der wohl bekannteste Wunschbrunnen ist die »Fontana di Trevi« in Rom. Eine Münze in die rechte Hand nehmen, mit dem Rücken zum Brunnen stellen und das Geldstück über die linke Schulter ins Wasser werfen, die korrekte Wurftechnik bringt der Legende nach Glück und garantiert eine sichere Rückkehr nach Rom. Als der Archäologe Stefan Krmnicek im Frühjahr mehrere Münzen am Boden des Brunnens im Innenhof von Schloss Hohentübingen entdeckte, stellte er sich die Frage, ob im Schlosshof etwa auch ein klassischer Wunschbrunnen steht.
»Für mich als Archäologen, der den rituellen Sinngehalt von Münzdeponierungen zum Beispiel in Gräbern oder Gewässern in der Antike untersucht, ist dieser moderne Befund natürlich besonders spannend«, so Krmnicek. »Nutzen auch hier Touristen oder Studierende der Universität einen Brunnen, um den Münzwurf ins Wasser mit einem Wunsch zu verbinden?«
84 Münzen gefunden
Als kürzlich, wie jedes Jahr vor der Wintersaison, das Wasser des Brunnens abgelassen wurde, nutzte der Spezialist für antike Münzen am Tübinger Institut für klassische Archäologie die Chance, die hineingeworfenen Münzen zu bergen. Insgesamt 84 Münzen waren im Brunnen gelandet, neben Euromünzen fand Krmnicek auch Geld aus Ungarn, der Ukraine, den USA, der Schweiz, Thailand und Indonesien.

Aberglaube oder nicht, das Ritual des Münzwurfs in einen Brunnen oder ein Gewässer gibt es schon seit ewiger Zeit. »In der Antike wollte man mit einem Geldopfer als Medium die Verbindung zu höheren und übernatürlichen Mächten herstellen«, so Krmnicek. So habe man etwa im englischen Sacred Spring Bath 12.000 römische Münzen gefunden. »Sie wurden der Gottheit Sulis Minerva geopfert.« In Coventina’s Well wurden 22.000 römische Münzen entdeckt, geopfert der Göttin Coventina. »Diese Funde sind inzwischen alle sehr gut erforscht.« Auch in der Mosel habe man viele solcher Münzen gefunden.
Kulturübergreifende Rituale
»Ich gebe, damit du mir gibst«, sei der klassische und bis heute wirkende Grund für ein Münzopfer. »Ich finde dieses Ritual sehr interessant. Wir haben einen Wunsch und hoffen, dass er in Erfüllung geht, wenn wir eine Münze aus unserem Besitz hergeben und ins Wasser werfen. Und dabei ist es ja völlig ungewiss, ob überhaupt etwas passiert.« Die ausländischen Münzen könnten für Krmnicek zudem darauf hindeuten, dass es dieses Ritual kulturübergreifend gibt. Der Archäologe plant auch dazu weitere Auswertungen.
Interessant findet er, dass hauptsächlich Kleingeld in den Schlossbrunnen geworfen wurde, darunter viele 1-Cent-, 2-Cent- und 5-Cent-Stücke. »Man wird sich sagen, was nicht so viel wert ist, kann ich gut hergeben. Man erhofft sich zwar etwas, es tut dann auch nicht so weh, falls der Wunsch nicht in Erfüllung geht.« Dass Münzen ins Wasser geworfen werden, komme relativ häufig vor und werde sicher nicht immer mit der Hoffnung auf Glück verbunden. »Brunnen laden ja geradezu zum Münzwurf ein, wenn schon andere Münzen drin sind. Das sieht man immer wieder in großen Einkaufszentren, die in der Mitte ein Wasserbecken haben.«
Bis zu 4.000 Euro im Brunnen
Weil viel Kleingeld im Schlossbrunnen gefunden wurde, kommt auch keine hohe Summe zusammen. Der Gegenwert der geborgenen Münzen beträgt ganze 6,74 Euro. Zum Vergleich: Im Trevi-Brunnen landen an manchen Tagen bis zu 4.000 Euro. In einer seiner Lehrveranstaltungen hat Krmnicek Studierende gefragt, ob sie auch schon Münzen in den Schlossbrunnen geworfen haben. Daraufhin haben ihm das zwei Studenten bestätigt. Hat er selber schon mal ein Geldstück in einen Brunnen geworfen? Er muss nicht lange nachdenken. »Nein«, sagt er und lacht. »Dafür bin ich zu sehr Wissenschaftler, ich beobachte es nur.« (GEA)