KUSTERDINGEN. Das Alte Rathaus mit seinen grau gestrichenen Fachwerkbalken und den rostfarbenen Fensterläden ist eines der prägenden Gebäude in der Kusterdinger Ortsmitte. Das Bild wird künftig jedoch ein völlig anderes sein. Bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung hat der Gemeinderat am Mittwoch beschlossen, die Außenfassade komplett mit einem sieben Zentimeter starken Wärmedämmputz zu versehen.
Es sei »höchst unzufriedenstellend«, dass das Gebäude nach nur 22 Jahren erneut saniert werden muss, sagte Bürgermeister Jürgen Soltau. Die Balken sind durch eingedrungene Feuchtigkeit und den Befall von Käfern, Ameisen und Pilzen derart morsch, dass die Statik akut gefährdet ist (der GEA berichtete). Bauphysikalische Untersuchungen haben ergeben, dass das Haus künftig nur vor Schäden bewahrt werden kann, wenn es komplett verputzt wird, erläuterte Susanne Hug vom Tübinger Architektenbüro Haefele. Alternativ wäre in Absprache mit dem Denkmalamt eine Holzverschalung möglich, um das Fachwerk zu schützen.
Tatsächlich erhält das rund 250 Jahre alte Gebäude mit dem Verputz seine ursprüngliche Ansicht zurück: Das Fachwerk war beim Bau des Hauses nämlich nicht als Sichtfachwerk gedacht. Daher hatte man damals für die Konstruktion auch nur Balken aus Nadelholz und keine sehr viel robusteren Eichenbalken verwendet, erläuterte Hug.
Fachwerk 1999 freigelegt
Als das Fachwerk 1999 freigelegt wurde, hatte man innen einen Dämmputz als energetische Maßnahme angebracht. Das hatte jedoch dazu geführt, dass bei Schlagregen, das heißt vom Wind waagerecht abgetriebene Regentropfen, die Feuchtigkeit des Mauerwerks durch weniger austretende Wärme langsamer austrocknete. Das sei aber nicht die Ursache für die Holzschäden, betonte Hug.
Die Balken offenzulassen, sei mit einem sehr großen jährlichen Sanierungsaufwand verbunden, erklärte die Architektin. »Sinnvoll ist es, diese regelmäßig zu kontrollieren. Andere Kommunen handhaben dies so, dass alle zwei Jahre eine Kontrolle mit Hubsteiger durchgeführt wird und entstandene Risse geschlossen werden.«
Gebäude unter Denkmalschutz
Wenn das Haus historisch verputzt war, dann sei es auch im Interesse des Denkmalamts, diesen Zustand wieder herzustellen, sagte Vera Ambros (Härtenliste). Elvira Hornung (FWV) schlug vor, das Fachwerk auf den Verputz aufzumalen, was nicht nur der Architektin widerstrebte. Timo Dolch (SPD) fragte, ob es möglich wäre, die Balken mit einer Lackierung zu konservieren. Das würde keinen ausreichenden Schutz bieten, da auch der Lack reißt, wenn das Holz arbeitet, erläuterte Hug. Adam Dürr (FWV) riet, das Haus abzureißen und neu zu bauen. Das ist jedoch keine Alternative, da das Gebäude unter Denkmalschutz steht, rief Soltau in Erinnerung.
Im diesjährigen Haushalt sollen insgesamt 700.000 Euro für die Sanierung des Alten Rathauses eingeplant werden. Allein der Außenputz schlägt mit 120.000 zusätzlich zu einem ersten Kostenvoranschlag zu Buche. Ein gesicherter Kostenrahmen sei jedoch nicht bezifferbar, da ohne die Öffnung des Bauwerks der Umfang des Schadens nicht erkennbar ist, betonte Dieter Sauter vom Ortsbauamt. Michael Gassler (FWV) erinnerte an die Überraschungen bei der Sanierung des Wankheimer Rathauses vor einigen Jahren. Es gibt keine Alternative zum Verputzen, fasste Joachim Kaiser (Neue Liste) die Diskussion schließlich zusammen.
Verschalung am Klosterhof
Auch das Fachwerk im Südgiebel des Bürger- und Kulturhauses beim Klosterhof lässt sich nur erhalten, wenn es geschützt wird. In diesem Fall soll es mit einer Holzfassade bestehend aus naturbelassenen Douglasien- oder Lärchenlatten versehen werden. Die Kosten dafür sind mit rund 25.000 Euro veranschlagt.
»Seit der Gebäudesanierung 2003 hat das restaurierte Fachwerk durch Witterungseinflüsse gelitten, und selbst damals erneuerte Holzbalken haben sich komplett zersetzt«, lässt Sauter den Gemeinderat wissen. Die bisher vorgesehene rund 400 000 Euro teure Giebelsanierung werde dadurch etwas vereinfacht, da eine aufwendige Überarbeitung aller Gefache entfällt. Die drei Fenster des Marmorsaals sollen durch eine Aussparung in der Verschalung aber sichtbar bleiben. (GEA)


