GOMARINGEN. Der Innenausbau ist das eigentliche Geschäft der Gomaringer Schreinerei Pflug. Aber manchmal greifen die Handwerker im Gewerbepark Unipro buchstäblich nach den Sternen. Oder besser gesagt nach den Planeten. Zuerst wanderte der Mond aus der Gomaringer Schreinerei gen Mekka. Jetzt schlägt die Erde die entgegengesetzte Richtung ein: Zehn Erdgloben aus Gomaringen werden künftig im naturkundlichen Museum in Oslo zu sehen sein. Auch ein Asteroidenfeld wurde in der Werkstatt geschaffen. Dazu noch stark vergrößerter Sternenstaub. Heute wird die neue Dauerausstellung im Beisein des norwegischen Königspaars eröffnet.
»Wir brauchen Daten. Malen nach Zahlen ist unsere Devise«
Vor über einem Jahr hat die Schreinerei den Auftrag für das Osloer Museum erhalten. Seitdem bauen die Gomaringer an zehn Erdgloben. Dazu sind eine ganze Reihe Arbeitsschritte nötig, berichtet Pasch. Größte Herausforderung: »Wie kriegen wir die einzelnen Bauteile zusammen, ohne dass die Naht zu sehen ist.«
In Sachen Erde haben sich die Techniker für Halbkugeln entschieden. Der Mond wurde noch aus 32 Teilen wie ein Fußball zusammengesetzt. Aber das lag wohl an seiner schieren Größe: Dreieinhalb Meter Durchmesser hat er. Ein Exemplar davon hängt immer noch in der Schreinerei, in einem abgetrennten Raum direkt neben der Werkstatt. Ein anderer ist in Einzelteilen im Lager untergebracht. Sie gehören eigentlich der NASA und der deutschen Luft- und Raumfahrtbehörde. Aber dort haben die Monde in keinen Raum gepasst.
»Alle die den Raum betreten, sagen erst mal Wow«, sagt Paasch. Für ihn ist der riesige graue Erdtrabant in der Ecke nichts Außergewöhnliches. Langsam dreht er sich um seine eigene Achse und strahlt dabei eine ganz eigene beruhigende Würde aus. Der Besucher betrachtet fasziniert die detailreiche Oberfläche. In der Schreib-erei stört dagegen das riesige Exponat manchmal. Schließlich nimmt es doch eine gehörige Portion Platz in Anspruch. Die Globen für Oslo wirken schon fast zierlich dagegen. Eine Weltkugel in Weiß ist noch in Gomaringen zu sehen. Ein Versuchsstück, an dem es sich wunderbar sehen lässt, wie sorgfältig in der Schreinerei gearbeitet wird. Ganz genau ist die Erdoberfläche zu ertasten. Selbst die Schwäbische Alb lässt sich erfühlen, wenn auch nur als kleine zarte Erhebung. »Ein Globus, den wir machen, auf dem man die Schwäbische Alb nicht sieht, geht gar nicht«, sagt Paasch. So viel Lokalpatriotismus muss sein.
Die Erde mit ihren Kontinenten und Ozeanen: Was so einfach und vertraut aussieht, ist ganz schön ausgeklügelt. Würde das Relief der Erdoberfläche maßstabsgetreu auf eine Kugel mit eineinhalb Metern Durchmesser aufgebracht, wäre nichts zu sehen. Eine glatte Kugel käme dabei heraus. Deshalb muss anders herangegangen werden. »Mit Daten gefühlvoll umgehen«, nennt das Paasch. Die Erde mit ihren Gebirgen, Tälern, Ebenen und Küstenlinien soll erkennbar sein. Dafür werden die Alpen und der Himalaja stark überhöht. Einen künstlerischen Anspruch haben die Schreiner dabei nicht: »Wir brauchen Daten. Malen nach Zahlen ist unsere Devise.«
Drei Mal wird dieses Relief aus Modellkunststoff an der CNC-Maschine herausgefräst. Jedes Mal ein bisschen feiner. Anschließend formen die Techniker die Oberfläche mit einer Silikonhülle ab. Die wird dann in eine Halbschale gelegt. Erst jetzt beginnt die eigentliche Arbeit am Modell. Am Ende benötigt die Erdkugel keinen Titanen, um getragen zu werden. Sie ist zwar groß, aber leicht. Bemalt wird sie anschließend von Hand mit der Airbrush-Pistole. Dazu wird das Bild der Erdoberfläche auf den weißen Globus projiziert. Paasch hat Coskun Ali aus Balingen dafür gewinnen können. Der erste Versuch mit einer Künstlerin hat nicht funktioniert. Sie benötigte zu lange.
Überhaupt haben die Gomaringer ein ganzes Netzwerk an regionalen Handwerkern an dem großen Projekt für Oslo beteiligt. Die Gomaringer Schlosserei Veit lieferte Edelstahlrohre, die die Magnetfelder der Erde darstellen sollen. Ein Globus wurde in Meßstetten grün beflockt, um die Vegetationsstufen der Erde zu zeigen. Weitere Betriebe aus Dußlingen und Metzingen waren beteiligt.
Mithilfe der Wagner-Spedition aus Nehren wurden die Globen schließlich nach Norwegen geschafft. Zuvor hatte die Gomaringer Schreinerei für jeden Erdball ein Transportgehäuse aus Holz geschaffen. »Ein fast perfektes Kinderhaus«, beschreibt es Paasch. Dass die Erdkugeln auch durch den Aufzug ins Museum passen, hatte er in weiser Voraussicht zuvor ausgemessen. Gute Planung ist eben alles.
Mit Asteroidenfeld und Sternenstaub kamen alles in allem 87 Objekte für Oslo zusammen. Ein großer Auftrag für die Schreinerei, den sie dem Atelier Brückner zu verdanken hat. Die Stuttgarter Museumsgestalter kannten die Gomaringer aus dem Aalener Limesmuseum. Die Schreinerei hatte dafür ein Reliefmodell mit dem Limesverlauf geschaffen. Auch in Oslo ist das Atelier tätig. So kamen die beiden zusammen.
»Ach, Sie machen auch Tischplatten?«
Welten und Monde zu produzieren, das ist für Paasch immer noch etwas ganz Besonderes. Aber dennoch sei es nur ein kleiner Teil seiner Arbeit. "Am Ende leben wir vom Innenausbau." Alle paar Jahre spektakuläre Objekte zu schaffen sei zwar aufsehenerregend, aber davon könne die Schreinerei nicht leben. Im Falle des Mondes geht Paasch sogar davon aus, dass das Aufsehen um den Gomaringer Erdtrabanten dem normalen Geschäft geschadet hat. Viele hätten gar nicht mehr gewusst, dass die Schreinerei auch Küchen herstellt, sagt Paasch. Selbst Gomaringern war das nicht mehr klar, fügt Seniorchef Joachim Pflug hinzu. »Ach, Sie machen auch Tischplatten?« sei er damals von Nachbarn gefragt worden. (GEA)