TÜBINGEN. Der Umsatz-Rückgang in der Gastronomie lag 2024 im Land bei 5,7 Prozent. Trotz Fußball-Europameisterschaft. Gleichzeitig droht ein weiterer Anstieg der Arbeitskosten durch eine mögliche Erhöhung des Mindestlohns. Fritz Engelhardt, Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands, zeichnete am Dienstag in Tübingen beim Neujahrsempfang des Dehoga-Kreisverband ein düsteres Bild. Hoffnungsschimmer sind nach seiner Einschätzung ein sehr positives Image beim Tourismus und ein großes Interesse der jüngeren Generation an Ausbildungsplätzen. Der Zulauf sei sehr zufriedenstellend.
Für Engelhardt steht fest: »An Qualität dürfen wir nicht nachlassen.« Die Zufriedenheit der Kunden ist in seinen Augen ein wichtiger Gradmesser für Wirte und Hoteliers. Hauptthema bei den Forderungen an die Politik: Die Mehrwertsteuer müsse von 19 auf sieben Prozent gesenkt werden. Herbert Rösch vom Kreisverband Tübingen hält das für ein Gebot der Fairness. Anders gesagt: »Wer das Essen liebevoll anrichtet und freundlich auf Porzellantellern serviert, wird mit 19 Prozent Mehrwertsteuer bestraft.« Wer sich das Essen in der Wegwerf-Verpackung holt, zahlt dafür nur sieben Prozent. Im Übrigen gelte der höhere Satz unverständlicherweise auch für Schulmensen und Kitas.
"Das traut sich nicht mal die Gewerkschaft zu fordern". - Der Dehoga-Kreisvorsitzende Herbert Rösch"
Sorgen bereitet den Gastronomen auch die Ankündigung einiger Parteien, den Mindestlohn auf 15 Euro erhöhen zu wollen. Das entspreche einer Steigerung von 17,2 Prozent. »Das traut sich nicht mal die Gewerkschaft zu fordern«, wundert sich Rösch. Außerdem werde mit der Ankündigung der Erhöhung die Tarifautonomie außer Kraft gesetzt und die eigentliche zuständige Kommission ignoriert.
Dritter Punkt im Sorgen-Register der Wirte: Die zu wenig flexiblen Arbeitszeiten. Die Gastronomen verlangen Konten für Wochenarbeitszeit statt täglicher Begrenzung. Wenn bei einer Hochzeit länger gefeiert werde oder der Reisebus mit den Gästen wegen Stau zwei Stunden später als geplant eintreffe, könne man nicht einfach dicht machen und bedauernd auf die gesetzlichen Bestimmungen verweisen. Das sei auch nicht im Interesse von Küche und Service-Kräften und regelrecht wirklichkeitsfremd, finden manche.
»Die Kollegen aus Reutlingen haben immer neidisch auf die Tübinger geschaut. - Fritz Engelhardt, Vorsitzender im Dehoga Baden-Württemberg«
Weil man nach der Wahl auf Änderung einiger Bestimmungen hofft, hatten Rösch und seine zahlreich anwesenden Kollegen am Dienstag in der Westspitze die Kandidaten der Parteien aus dem Wahlkreis Tübingen-Hechingen zuvor aufs Podium gebeten. Die Forderung nach Steuersenkung findet sich bei CDU, FDP und AfD im Wahlprogramm. Die Kandidaten von Grünen, SPD und der Linken mochten sich den Forderungen der Wirte und Hoteliers nicht rundweg anschließen, zeigten aber Verständnis für die teils schwierige Lage. Zu weiteren Forderungen der Gastgeber wie Integration von ausländischen Mitarbeitern und Bürokratie-Abbau kam man angesichts der fortgeschrittenen Zeit dann nicht mehr.
Rösch weiß, dass in Tübingen noch mancher Betrieb besser läuft als in anderen Gegenden. Die Stadt profitiere von Uni und Uniklinik. Engelhardt kennt das und hat früher schon beobachtet: »Die Kollegen aus Reutlingen haben immer neidisch auf die Tübinger geschaut.« (GEA)