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Aktuell Interview

Rottenburgs Bischof setzt sich für Menschenwürde ein

Klaus Krämer, ernannter Bischof von Rottenburg, äußert sich im GEA-Interview auch zur Rolle der Frauen und queeren Mitarbeitern in der katholischen Kirche.

Bischof Klaus Krämer im GEA-Interview.
Bischof Klaus Krämer im GEA-Interview. Foto: Frank Pieth
Bischof Klaus Krämer im GEA-Interview.
Foto: Frank Pieth

ROTTENBURG. Vor rund einem Monat wurde der 60-jährige gebürtige Stuttgarter Klaus Krämer von Papst Franziskus zum neuen Bischof von Rottenburg-Stuttgart ernannt. Vor seiner Bischofsweihe und Amtseinführung am ersten Advent empfing er den GEA im seinem Bischofshaus in Rottenburg zu einem Gespräch über Demokratie, Menschenwürde und die Herausforderung, die seine neue Position mit sich bringt.

Herr Krämer, war es ein Kindheitstraum von Ihnen, Bischof zu werden?

Klaus Krämer: An solche Träume kann ich mich nicht erinnern. Aber ich habe natürlich bereits in meiner Zeit als Sekretär von Bischof Walter Kasper einen realistischen Eindruck davon bekommen, welche Herausforderungen und harte Seiten aber auch welche Gestaltungsmöglichkeiten das Amt mit sich bringt. Ich trete das Amt an, in einer Zeit in der sich die Gesellschaft immer weiter vom Glauben entfernt. Trotzdem und gerade deshalb möchte ich auch die Menschen erreichen, die Abstand von der Kirche genommen haben.

Sie sprechen von harten Seiten . Was meinen Sie damit?

Krämer: Da sind zum einen viele, zum Teil auch schwerwiegende Personalentscheidungen, die einen nicht kalt lassen und zum anderen bin ich mir schon bewusst, dass ich als Gesicht der Kirche auch für das stehe, was einige Menschen an der katholischen Kirche kategorisch ablehnen.

Dieses schlechte Image, das die katholische Kirche bei manchen Menschen hat, ist das selbst verschuldet oder kommt das eher von außen?

Krämer: Es ist beides. Zum einen haben wir Fehler gemacht, wenn ich etwa an die Aufarbeitung des Missbrauchs denke. Zum anderen ist die katholische Kirche aber auch eine Projektionsfläche für Vorstellungen, die sich in der Gesellschaft verändert haben.

Sie sprechen die Aufarbeitung von Missbrauch an. Wie kann Kirche da Glaubwürdigkeit zurückgewinnen?

Krämer: Ich denke, dass es zum einen um eine ehrliche und umfassende Aufarbeitung der Vergangenheit geht. Deshalb dürfen wir uns nicht wegducken, sondern müssen diese Fälle konsequent und restlos aufklären. Auf der anderen Seite geht es darum, den Umgang mit Missbrauchsfällen auf eine neue Grundlage zu stellen und vor allem alles dafür zu tun, damit künftig Missbrauch so gut es geht verhindert werden kann. Dafür haben wir mit der im Jahr 2002 gegründeten Kommission sexueller Missbrauch und mit der 2012 etablierten Stabstelle für Präventionsarbeit seit vielen Jahren gute funktionierende Strukturen.

Sie haben sich in Ihrer ersten Rede bei der Ernennung zum Bischof zum Synodalen Weg bekannt. Wie sehen Sie den Eklat, zu dem es während der Synode kam, als die Erklärung zur sexuellen Vielfalt keine Mehrheit bekam?

Krämer: Synodalität bedeutet Mitbestimmung auf allen Ebenen, von der Leitungsebene der Diözesen bis auf die Ebene der Gemeinden. Wichtig ist es, miteinander im Gespräch zu bleiben, auch bei gegensätzlichen Positionen. Es gehört dazu, dass in einem Prozess wie dem Synodalen Weg auch mal eine Erklärung keine Mehrheit findet. In diesem Prozess sind ohnehin keine schnellen, kurzfristigen Erfolge zu erwarten. Es geht eher um die kontinuierliche Auseinandersetzung.

Die Bischöfe haben sich klar positioniert, dass die AfD für Christen nicht wählbar ist. Ist eine solche Positionierung hilfreich oder sollte Kirche nicht eher einem Raum bieten, um die Spaltung der Gesellschaft wieder zusammenzuführen?

Krämer: Das eine schließt das andere nicht aus. Gemeinschaft ist wichtig. Aber sie braucht Regeln und Werte. Da, wo grundlegende Werte für die unsere Kirche steht - wie zum Beispiel die Menschenwürde - in Frage gestellte werden, müssen wir uns positionieren. Das werden wir auch weiterhin tun. Wir müssen die Grenzen deutlich machen.

Wo sehen Sie diese Grenzen bei biologischen und technischen Möglichkeiten wie Leihmutterschaft und künstlicher Intelligenz?

Krämer: Auch da müssen wir versuchen, Orientierung zu geben. Künstliche Intelligenz ist ein Hilfsmittel, aber sie darf uns nicht beherrschen. Ohne beim Thema Leihmutterschaft auf die biologischen Fragen im Einzelnen einzugehen – auch hier geht es um die Menschenwürde. Da, wo wir die Menschenwürde gefährdet sehen, müssen wir die Stimme erheben.

Wie haben Sie die Outinchurch-Initiative wahrgenommen, in der kirchliche Mitarbeiter ihre nicht-heterosexuelle Orientierung bekannt haben?

Krämer: Ich habe das sehr intensiv wahrgenommen. Es hat einen Ruck gegeben, der zu Veränderung geführt hat. Und das ist gut so. Mich haben viele persönliche Zeugnisse beeindruckt, die von einer hohen positiven Indentifikation mit der Kirche getragen waren. Die vielen individuellen Schicksale mit ihren berechtigten Anliegen haben mich sehr berührt.

Papst Franziskus hat kürzlich deutlich gemacht, dass es mit ihm keine Weihe von Frauen zur Diakonin geben wird. Wie sehen Sie die Rolle der Frauen?

Krämer: Frauen prägen in unserer Diözese das kirchliche Leben zu einem ganz großen Teil. Ohne sie wären unsere Gemeinden nicht so lebendig. In unserer Diözese haben wir eine gute Tradition, Frauen in Leitungsämter zu berufen. Das werden wir weiterentwickeln. Was die Weiheämter betrifft, sind wir in einem Prozess. Nach der Weltsynode wird diese Frage wieder als offen angesehen. Das ist ein wichtiger Schritt.

Werden Frauen in der Diözese auch weiterhin taufen dürfen?

Krämer: Diese Möglichkeit sieht das Kirchenrecht vor. Daran werden wir auch nicht rütteln.

Sie waren lange in der Weltkirche tätig. In Indien beispielsweise wird die katholische Kirche häufig als progressiv wahrgenommen, was Bildung oder die Rolle der Frau angeht…

Krämer: In Indien schicken viele Nicht-Christen ihre Kinder auf christliche Schulen, weil wir als Kirche besonderen Wert auf Bildung legen. Bildung gehört zu unserem Markenkern als katholische Kirche. Das sehe ich auch bei uns in der Diözese so. Unsere katholischen Schulen sind wichtige und gefragte Bildungseinrichtungen. Dies wird auch in der Zukunft so bleiben.

Was können wir von Diaspora-Christen in anderen Ländern lernen?

Krämer: Wir können die Situation in anderen Ländern nicht eins zu eins auf uns übertragen. Aber Initiativen aus anderen Ländern, die erfolgreich sind, können uns wichtige Impulse für die Weiterentwicklung unserer Strukturen und Prozesse geben. In vielen Ländern gibt es territoriale Strukturen, die weit über das hinausgehen, was bei uns kommen wird – auch nach dem uns bevorstehenden Transformationsprozess.

Wenn wir von der Transformation aufgrund von weniger Mitgliedern sprechen, dann könnte mehr ökumenische Zusammenarbeit eine Lösung sein…

Krämer: Wir müssen zusammenarbeiten, nicht nur aus der Not heraus. Die evangelischen Landeskirchen und die katholischen Diözesen in Baden-Württemberg sind bereits in einem guten Austausch. Das ist aktuell schon wichtig, aber es wird noch wichtiger werden. Kooperationen gibt es beim Religionsunterricht oder bei der Nutzung von Gebäuden.

Wo sehen Sie sich und die Dözese Rottenburg-Stuttgart in zehn Jahren. Was wollen Sie als Bischof bis dahin geschafft haben?

Krämer: Ich hoffe, dass uns der Transformationsprozess bis dahin gelungen ist und wir sehen, dass wieder neues Leben in die Kirche gekommen ist. Dass zwar manches anders ist, aber die Kirche glaubwürdig für die Botschaft steht, die sie verkündet. Wichtig wäre mir, dass wir auch in zehn Jahren Relevanz in der Gesellschaft und für die Menschen haben.

Wollen Sie zum Schluss noch selbst sagen, was Ihnen in ihrem neuen Amt besonders wichtig ist?

Krämer: Es heißt, ich bin ein Kind der Diözese. Es stimmt schon, dass ich die Diözese gut kenne. Aber ich freue mich darauf, die Diözese noch besser kennenzulernen. Ganz besonders freue ich mich aber auf die Begegnungen und Gespräche mit den Menschen, denn daraus schöpfe ich Kraft und Inspiration. (GEA)