Logo
Aktuell Gesellschaft

Rottenburger Professor gibt Tipps für ein gesundes Leben

Tipps zum gesunden Altwerden: Wolfgang Schlicht hat auch die Landesregierung beraten.

War von 2001 bis 2018 Inhaber des Lehrstuhls für Sport- und Gesundheitswissenschaften an der Universität Stuttgart: Wolfgang Sch
War von 2001 bis 2018 Inhaber des Lehrstuhls für Sport- und Gesundheitswissenschaften an der Universität Stuttgart: Wolfgang Schlicht. FOTO: STRAUB
War von 2001 bis 2018 Inhaber des Lehrstuhls für Sport- und Gesundheitswissenschaften an der Universität Stuttgart: Wolfgang Schlicht. FOTO: STRAUB

ROTTENBURG-WURMLINGEN. Schön im Grünen zu wohnen begünstigt die Lebenserwartung. In der Platte: minus zwei Jahre. Das sind schon einmal gute Neuigkeiten für die meisten Bewohner des ländlichen Raums. Als Professor war Wolfgang Schlicht von 2001 bis 2018 Inhaber des Lehrstuhls für Sport- und Gesundheitswissenschaften an der Universität Stuttgart, hat bis Februar dieses Jahres noch die Landesregierung im wissenschaftlichen Beirat in der Gesundheitsprävention beraten.

»Alle Zahlen sind statistische Werte und nicht auf den Einzelnen zu beziehen«, sagte Schlicht. Er könne deshalb keine einzelnen Menschen beraten, sei kein Arzt. Der 72-Jährige lebt seit über 30 Jahren in Wurmlingen, gab dort kürzlich wissenschaftlich fundierte Tipps zum gesunden Altwerden.

In der Mehrzahl Frauen

Das »junge Alter« beginnt für den Gesundheitswissenschaftler ab 65 Jahren und dauert bis 85. Danach lässt bei vielen die Funktionstüchtigkeit nach. Von 85 bis 100 gelten Menschen als »hochaltrig«. »Etwa 50 Prozent des jeweiligen Jahrgangs sind da bereits verstorben«, sagte Schlicht. Über 100 Jahre alt wird kaum jemand – in der Mehrzahl sind das Frauen. Wer in der eigenen Familie einen Höchstaltrigen hat, hat statistisch gute Chancen, selbst alt zu werden. Dieser genetische Faktor ist also Glück. Als Geburtsjahrgang 1952 habe er selbst eine statistische Lebenserwartung von 82 Jahren, so Wolfgang Schlicht. Von 1870 bis 1950 gab es einen Zugewinn von 30 Jahren an Lebenserwartung. Ein enormer Wert, vermutlich zurückzuführen auf bessere medizinische Versorgung, Ernährung und Hygiene.

»Wer das Säuglingsalter und die Pubertät übersteht, dessen Erwartung steigt deutlich darüber.« Denn die Lebenserwartung sei ein »gleitender Wert« und nicht auf den Einzelnen bezogen. Weil sich nicht zuletzt die Säuglingssterblichkeit verringerte, hat sich die Sterberate nach hinten verschoben. Ein Mythos: das lebensverlängernde Gläschen Rotwein am Abend. »Ein Glas schadet nicht groß, aber mehr als ein Glas verkürzt das Leben«, sagte Schlicht. Das gelte generell für Alkohol: je weniger, desto besser. »Alkohol ist ein Gift und das Risiko steigt mit der Dosis«, sagte Schlicht.

Interessant für das Publikum waren vor allem die gesunden Jahre im Alter. »Davon haben wir in Deutschland weniger als in anderen EU-Ländern«, erklärte Schlicht. Und das, obwohl Deutschland das meiste Geld für die Versorgung ausgebe. So liege die Lebenserwartung unter Ländern wie Malta, Belgien, Spanien und Zypern.

Ein 65-jähriger Mann hat im Schnitt noch 17,8 Jahre zu leben, etwa die Hälfte gesund. Frauen leben im Durchschnitt noch 21,8 Jahre nach ihrem 65. Geburtstag und davon 12 Jahre gesund. »Wir haben hohe Erkrankungsraten bei den 50- bis 65-Jährigen in Deutschland«, sagt Schlicht. So seien beispielsweise die Diabetes-Typ 2-Zahlen viel zu hoch. Dabei ist ebenso wie für die Herz-Kreislauf-Erkrankungen gute Prävention möglich.

Erhöhtes Krebsrisiko

»Wer zum Beispiel regelmäßig schneller als fünf Stundenkilometer geht, erhöht schon seine Lebenserwartung«, sagte Schlicht. »Bei drei Stundenkilometern ist der Sensenmann schneller«, fügte er schmunzelnd hinzu. »Man sollte ihm auch nicht entgegengehen.« Wer zum Beispiel mehr als 100 Gramm rotes Fleisch und 80 Gramm Wurst am Tag isst, hat ein erhöhtes Krebsrisiko. Gleiches gilt fürs Rauchen. Gesundheitsgefahren sind außerdem Hitze und Feinstaub. »Körperlich aktiv sein, gesund ernähren und keinen bis wenig Alkohol trinken«, empfahl Schlicht indes zur Lebensverlängerung.

Gut sei außerdem, sich zu bilden, den Stress zu reduzieren und Hörverluste rechtzeitig auszugleichen. »Ich habe selbst zwei Hörgeräte«, sagte Wolfgang Schlicht. Viele Menschen seien zu eitel und warteten zu lange. Das führe nicht nur zu Einschränkungen im Alltag, sondern könne auch bestimmten Gehirn-regionen schaden und damit das Demenzrisiko erhöhen.

Mehr Gemüse und Obst

Schlicht stellte verschiedene Diäten vor. Fast alle basieren auf mehr Gemüse und Obst und weniger Fleisch, Wurst und Alkohol. Sie sorgen für weniger Entzündungen, ein geringeres Diabetesrisiko, einen gesünderen Darm, besseren Stoffwechsel und stärken die körperlichen Funktionen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt, sich mindestens 150 Minuten pro Woche mit »moderater Intensität« zu bewegen oder 75 Minuten mit hoher Intensität und höchstens 30 Minuten am Stück zu sitzen.

Die empfohlenen 10.000 Schritte am Tag seien ein »Marketingerfolg der Japaner«, so Schlicht. Wissenschaftlich werden älteren Menschen 6.000 bis 8.000 Schritte am Tag empfohlen, was immerhin 3,5 bis 4 Kilometern entspricht. »Das Sterberisiko sinkt schon bei 4.000 Schritten am Tag«, sagte Schlicht. Einige Faktoren seien also leicht zu beeinflussen, so der Gesundheitsexperte. Auf alles verzichten müsse man deshalb nicht. Launig zitierte er Woody Allen: »Man hat gute Chancen, 100 Jahre alt zu werden, wenn man alles aufgibt, wofür es sich lohnt, 100 Jahre alt zu werden.« (GEA)