ROTTENBURG. Verlässlichkeit - das Wort fiel öfters beim Fachgespräch mit Handwerkern, zu dem der CDU-Bundestagskandidat Christoph Naser in die Stadtwerke nach Rottenburg eingeladen hatte. Verlässlichkeit wurde von den Handwerkern im Publikum gefordert, weil die Kunden sonst nur noch Bahnhof verstehen. Naser versprach zu liefern, denn: »Es geht um eine sichere, bezahlbare und nachhaltige Energieversorgung für unser Land.« Das sei nur möglich, wenn Unternehmen und die Bevölkerung von der Politik wieder Planungssicherheit erhielten.
Wobei der Kandidat an diesem Tag mehr Zuhörer als Akteur war. Schließlich hat er Theologie und Politik studiert und nicht Heizungsbau. Der Vikar wollte bei dem Fachgespräch »die Ohren spitzen, was läuft und was nicht«. Er ist 33 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. In seiner Freizeit spielt er Schlagzeug und wandert gerne. Die Praxis des Handwerkers ist ihm dennoch nicht fremd: Als Student arbeitete er mehrere Jahre in einem kleinen Landschafts- und Gartenbaubetrieb (»Unkraut jäten und Hofeinfahrten pflastern«).
Vor Kurzem habe er seinen früheren Chef angerufen und ihn gefragt, was ihm gerade politisch unter den Nägeln brennt. Seine Antwort: »Ich wünsche mir, dass ich überhaupt wieder zu meiner eigentlichen Arbeit komme. Vor lauter Bürokratie komme ich nämlich gar nicht mehr dazu.« Deshalb Nasers Versprechen: »Wir nehmen den Rucksack der Überregulierungen weg.«
Dieser sitzt schwer im Nacken: Ofenbauer, Photovoltaikleute, Schornsteinfeger - sie alle beschrieben die holprige Karussellfahrt vergangener Jahre. Die Mittel für einzelne Förderprogramme seien reduziert oder so kompliziert gestaltet worden, dass sie für Normalsterbliche kaum noch abrufbar seien. Das geht aufs Gemüt, aber auch auf den Geldbeutel, denn die Kunden machen lieber nichts als Falsches. Nasers Rezept: »Um die Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandortes zu stärken, müssen wir die Stromsteuer und die Netzentgelte senken.« Dafür könne man zum Beispiel die Einnahmen aus dem CO2-Emissionshandel verwenden.
Sein Freiwilliges Soziales Jahr absolvierte er in Laos in Südostasien, wo er mit drogenabhängigen Jugendlichen arbeitete. »Diese Zeit war für mich eine prägende Erfahrung.« Bis heute engagiere er sich in der Entwicklungszusammenarbeit und leite ein Bildungsprojekt in Laos und Vietnam. Im April 2023 wurde er Vikar in der Evangelischen Stephanuskirchengemeinde in Tübingen. Neben der Seelsorge hat er einen Lehrauftrag an einer Tübinger Schule. Seit 2021 ist er Kreisvorsitzender der CDU im Landkreis Tübingen.
Die großen Ziele seiner künftigen Energiepolitik sind ihm bewusst: »Wir bekennen uns zu den Pariser Klimazielen und den Weg dorthin.« Offenheit war hier das Zauberwort: »Schluss mit dem Reinregieren in den Heizungskeller. Wir setzen auf Technologieoffenheit und Innovation.« Weil die Menschen vor Ort am besten wüssten, was für sie richtig sei.
Weil er einen Teil seines Studiums in Jerusalem verbracht hat, bewegen ihn die Debatten über das deutsch-israelische Verhältnis besonders. Israel, so groß wie Hessen, sei umgeben von Ländern, die die Existenz des israelischen Staates auslöschen wollten. Es gebe im kollektiven Gedächtnis der jüdischen Bevölkerung das Wissen darüber, dass niemand half, als Deutsche das Judentum auslöschen wollten. Mit Demut und einem klaren »Ja« zum Selbstverteidigungsrecht Israels könne man auch Kritik üben, wo sie angebracht und zielführend sei. Leider sei aber der (israelbezogene) Antisemitismus hierzulande und in ganz Europa in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen.
Naser will Nachfolger von Annette Widmann-Mauz werden. Sie verzichtet auf eine weitere Bundestagskandidatur, nachdem sie 27 Jahre lang für die CDU im Bundestag saß. Als Stolperstein für Naser könnte sich die neue Wahlrechtsreform erweisen. Das Motiv, den Bundestag zu verkleinern, bringt mit sich, dass nicht mehr alle Wahlkreissieger einen Platz im Bundestag erhalten. Das könnte vor allem die CDU im Wahlkreis Tübingen-Hechingen treffen. Es besteht die Möglichkeit, dass allein in Baden-Württemberg sechs Wahlkreissieger, alle von der CDU, keinen Sitz im Bundestag bekommen.
Christoph Naser war langjähriger Mitarbeiter von Widmann-Mauz. Er bewirbt sich nur um das Direktmandat, hat auf einen Platz auf der Landesliste verzichtet. Würde er nicht in den Bundestag einziehen, stünde der Wahlkreis womöglich ohne Abgeordneten da. Denn über die Landesliste wird voraussichtlich niemand aus Tübingen in den Bundestag einziehen. Alles wird übers Direktmandat entschieden. Den Sieg werden wohl Favorit Christoph Naser (CDU) und Asli Kücük (Grüne) unter sich ausmachen. (GEA)