ROTTENBURG. Die Jahresausstellung 2022 des Diözesanmuseums in Rottenburg beschäftigt sich mit dem Thema Mode und entstand aufgrund einer Kooperation mit der Fakultät für Gestaltung an der Hochschule Pforzheim. Die Schau trägt den Titel »Shaping Faith – Fashioning Splendour. Glauben formen – Pracht gestalten« und ist von Sonntag, 13. Februar, bis Sonntag, 5. Juni, geöffnet. Parallel dazu gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm.
»Inspiriert wurde die Ausstellung durch die in den vergangenen Jahren erfolgte Neueinordnung des Gewandes in der Forschung und der musealen Präsentation«, sagt Museumsleiterin Dr. Melanie Prange. »In unserer Jahresausstellung wollen wir die prächtigen Gewänder in den spätmittelalterlichen Bildwerken des Museums nach ihrem symbolischen Gehalt befragen.« Und da die mittelalterliche Kunst Heilige und biblische Gestalten in Gewändern ihrer Zeit darstellt, werde zudem die Frage gestellt, wie zeitgenössische Mode Inhalte transportiert.
»Um den Effekt der Aktualisierung anschaulich zu machen, gelang uns während des vergangenen Sommersemesters eine Kooperation mit der Hochschule Pforzheim. Die dabei entstandenen Outfits der Studierenden werden in der Ausstellung unseren altehrwürdigen Kunstwerken gegenübergestellt, sodass traditionelle und zeitgenössische Interpretationen des Gewandes in den Dialog treten können«, erläutert die Museumsleiterin das Ausstellungskonzept.
BEGLEITPROGRAMM
Vom »Moodboard« bis zum Upcycling-Workshop für Kinder
Am Samstag, 5. März, gestaltet einer der Pforzheimer Studierenden mit Interessierten zu einem selbst gewählten Kunstwerk aus dem Diözesanmuseum ein »Moodboard«, also eine Art Collage, sowie Stoffproben. Dadurch kann man selbst zum Modeschöpfer werden. Dr. Iris Dolstal-Melchinger spricht am Sonntag, 15. März, ab 15 Uhr über Reliquiengärtchen als wertvolle und kunstfertige Stickereien. Dr. Ulrike Langbein erschließt am Freitag, 18. März, ab 19 Uhr die Gewänder in der sakralen Kunst als Spiegel ihrer Zeit und nimmt explizit Bezug auf die Sammlung des Diözesanmuseums. Zwei Schwestern aus Sießen stellen am Sonntag, 27. März, ab 15 Uhr die Arbeit der dortigen Paramentenkammer vor. Judith Welsch-Körntgen und die Restauratorin Elisabeth Krebs zeigen am Samstag, 23. April, ab 15 Uhr anhand praktischer Beispiele die Herstellung wertvoller Textilien auf historischen Gemälden. Für Kinder bietet Christine Bozler-Kießling am Samstag, 19. März, ab 14 Uhr einen zweistündigen Upcycling-Workshop an, in dem alte Kleider neue Verwendung finden, sowie eine Kinderführ-ung zum Mitmachen und zum Anfassen mit dem Thema »Strumpfhosen für alle?« am Samstag, 7. Mai, ab 11 Uhr. (k)
Professorin Sibylle Klose von der Hochschule Pforzheim ergänzt: »Mode und Religion – beide Bereiche haben ihre besondere Art, auf und in die Welt zu schauen. Dabei fallen Gemeinsamkeiten auf, sowohl die Mode wie die Religion pflegen den Kult, zelebrieren Rituale, feiern die Ikonisierung, leben von der Inszenierung, wirken durch die Performance, stimulieren das Ideal und spielen mit Symbolen und Symboliken. Dass Mode und Religion miteinander vereinbar sind, zeigt diese hervorragende Zusammenarbeit. In einer Pandemie eine Ausstellung zu planen, ist ein großes Abenteuer, das dank so inspirierender Partner im Museum und dank sehr engagierter und kreativer Studierenden wirklich gelungen ist.«
Acht Studierende des Studiengangs »Mode« an der Hochschule Pforzheim hätten sich von den Kunstwerken des Diözesanmuseums inspirieren lassen und aus dieser Auseinandersetzung moderne Kollektionen geschaffen. Jeweils zwei Entwürfe seien im Museum ausgestellt. Ihr Entstehungsprozess werde im Sonderausstellungsraum dokumentiert. Die Kollektionen und ihr Entstehungsprozess zeigten: Auch heute ist Mode alles andere als oberflächlich. Schließlich habe sich ein weiterer Kurs des Modestudiengangs Pforzheim mithilfe einer Software überlegt, wie liturgische Gewänder im Jahr 2121 aussehen könnten. Die visionären Entwürfe würden in der Schatzkammer des Museums gezeigt.
Amra El Gendi, eine der beteiligten Studierenden, stellt fest: »Es war eine schöne Herausforderung, sich persönlich in Kunstwerke hineinzuversetzen und Themenbereiche zu entschlüsseln, mit denen ich mich bislang, wenn überhaupt, nur teilweise auseinandergesetzt hatte. Ich wählte die Kunstwerke so aus, dass ich mehr Interesse hatte, weitere Punkte zu hinterfragen, die in der gegenwärtigen Zeit nach wie vor aktuell sind. Die Kollektion thematisiert den psychologischen Aspekt von Perfektionismus zum Thema ›Ausgrenzung und Hoffnung in der heutigen Gesellschaft‹.«
Laut Museumsmitarbeiterin Dr. Daniela Blum rückt die neue Präsentation auch die Stofflichkeit der Kunstwerke der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Die textilen Botschaften der mittelalterlichen Bilder sollten nämlich nicht nur das Auge erfreuen, sondern sie erzählten von der gnadentheologischen Auszeichnung ihrer Trägerinnen und Träger, stellten über Textilien Bezüge zu Jesus Christus und Maria her oder erinnerten an die biografischen Details. »Kleider sind in diesem Sinne sprechend – und darauf liegt der Fokus«, so Blum. (k)