OFTERDINGEN. Es ist ein zähes Ringen um jeden einzelnen Punkt: Stundenlang nahmen sich Behördenvertreter und Kritiker am Dienstag in der Ofterdinger Burghofhalle Zeit, um die Vor- und Nachteile der Planungen zum Ausbau der B27 zwischen Bodelshausen und Nehren zu erörtern. Mehr als 50 Einwände waren eingegangen. Ebenso viele Menschen waren gekommen, um ihre Bedenken vorzutragen. Dabei ging es um Klimaschutz, Luftschadstoffe und unterschiedliche Trassenvarianten. Aber es ging auch ganz grundsätzlich um das Planungsziel. Am Mittwoch geht es weiter. Zur Debatte stehen dann unter anderem die Themen Lärmschutz, Naturschutz, Landschaftsbild und wasserrechtliche Belange.
Warum soll die Straße gebaut werden? Mit dem Aus- und Neubau soll eine der Lücken des vierspurigen Ausbaus auf der Strecke zwischen Stuttgart und Balingen geschlossen werden. Die zweite Lücke bei Tübingen soll mit dem Schindhaubasistunnel geschlossen werden. Bei der B27 handle es sich um eine wichtige Entwicklungsachse für die Region, sagte Michael Kittelberger, Leiter des Planungsreferats beim Regierungspräsidium Tübingen. Die ersten Planungen begannen vor 50 Jahren. Viele verschiedenen Varianten wurden seitdem geprüft. Der Ausbau ist vom Bund in den vordringlichen Bedarf aufgenommen. »Wir haben einen gesetzlichen Auftrag zu planen«, betonte Kittelberger. Schließlich habe der Bund die Notwendigkeit des Projekts beschlossen. Mit dem Bau soll nicht nur die stark befahrene Verbindung ausgebaut werden, auch die Ofterdinger Ortsdurchfahrt soll entlastet werden. Weiteres Ziel sei es, die Verkehrssicherheit zu erhöhen.
Um welche Verkehrsströme geht es? Täglich rund 30.000 Fahrzeuge quälen sich durch die Ortsdurchfahrt in Ofterdingen. Bis zum Jahr 2035 werde sich dieser Verkehr weiter erhöhen, erklärte Verkehrsplanerin Heike Merkle von BS Ingenieure. Errechnet wurden für das Jahr 2035 29.200 bis 37.750 Kraftfahrzeuge in 24 Stunden, dazu kommen 2.950 bis 3.320 Lastwagen. Dabei seien Verkehrsverlagerungen in Richtung öffentlicher Nahverkehr und Radverkehr schon berücksichtigt, beantwortete Merkle entsprechende Fragen aus dem Publikum. Wird die Endelbergtrasse gebaut, dann geht die Ingenieurin von einer Entlastung der Ofterdinger Ortsdurchfahrt von bis zu 86 Prozent aus. Die Entlastung beim Schwerlastverkehr liegt mit bis zu 91 Prozent noch höher. Ein Ausbau auf der Bestandstrasse mit drei Fahrbahnstreifen, wie von Gegnern der Endelbergtrasse vorgeschlagen, sei für das Verkehrsaufkommen nicht ausreichend, sagte Merkle. Außerdem fehle dazu der Platz in Ofterdingen. Die Zahlen des Büros wurden vor allem von Friedhelm Göltenboth aus Nehren kritisch hinterfragt. Sie stammen aus dem Jahr 2017. Man könne nicht jedes Jahr jedes Gutachten aktualisieren, sagte Kittelberger. »Das ist verständlich, aber nicht nachvollziehbar«, antwortete ihm Göltenboth. Er stellte den Antrag auf eine neue Verkehrszählung. Barbara Lupp vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hinterfragte das ganze Verfahren. »Das ist eine Planung, die wir uns so nicht mehr leisten können.«

Wie argumentiert das Regierungspräsidium? Die Planer des Regierungspräsidiums Tübingen haben einen klaren Favoriten: die Endelbergtrasse. Um zu diesem Schluss zu kommen, seien verschiedene Belange gegeneinander abgewogen worden, erklärte Christian Mangold. Von ursprünglich 27 Varianten blieben sechs übrig, die näher untersucht wurden. Dabei geht es unter anderem um verkehrstechnische Anforderungen, Entlastung der Ortsdurchfahrt, Lärm- und Schadstoffemissionen, Auswirkungen auf Umwelt und Klima, aber auch um Wirtschaftlichkeit. Das schlechte Abschneiden der Endelbergtrasse in Sachen Umwelt- und Naturschutz könne an anderer Stelle ausgeglichen werden, so Mangold. Gegen eine Tunnellösung, wie von den Gegnern gewünscht, sprechen nach Ansicht der Planer unter anderem die Kosten. 2016 wurden die Kosten der Endelbergtrasse auf 104 Millionen Euro geschätzt, ein Doppelstocktunnel unterhalb der Ortsdurchfahrt Ofterdingen auf 180 Millionen Euro. Zudem könne dieser Tunnel nicht unter Aufrechterhaltung des Verkehrs gebaut werden. Eine jahrelange Umfahrung wäre nötig. Die Variante eines einspurigen Tunnels, wie von der Bürgerinitiative Steinlach mobil vorgeschlagen, genüge dagegen den verkehrstechnischen Anforderungen nicht, sagte Mangold. Bei allen Tunnelvariationen gebe es außerdem ein Hochwasserrisiko.
Was antworten die Gegner? Dass der bisherige Zustand so nicht bleiben kann, ist auch den Gegnern der Endelbergtrasse klar. Allerdings wünschen sie sich eine andere Variante des Straßenausbaus. Sie kämpfen für einen Tunnel und wurden beim Erörtungstermin nicht müde, immer wieder nachzufragen, weshalb das nicht möglich sein soll. »Tunnel ist Landgewinn. Wir können doch nicht alles zu bauen«, sagte Thomas Keck vom Naturschutzbund Nehren (Nabu). Nur so könne die Straße ohne Flächenfraß gebaut werden, die Artenvielfalt bleibe erhalten. Seine Argumentation untermauerte er mit einem Zitat des ehemaligen Regierungspräsidenten Max Gögler: »Bei anderen Alternativen dürfen wir laut höchstrichterlichem Urteil die Trasse mit dem größten Landverbrauch nicht bauen«, zitierte Müller Gögler aus dem Jahr 1992. Die Kosten sollten gerecht abgewogen werden, forderte Göltenboth. »Ein Baum ist nicht nur ein stehendes Brett.« Der Wert eines Baumes im Ökosystem sei in der Kostenrechnung nicht berücksichtigt worden, gab Landschaftsplaner Wolfgang Schettler zu . »Dazu gibt es bisher keine brauchbare Methodik«, fügte Rainer Prußeit, Leiter des Referats Recht und Planfeststellung beim Regierungspräsidium und gleichzeitig Versammlungsleiter des Erörterungstermins, hinzu.
Wie geht es weiter? Am Mittwoch wird der Erörterungstermin in der Ofterdinger Burghofhalle ab 9.30 Uhr fortgesetzt. Öffentlich ist er nur, wenn die Teilnehmer keine Einwände haben. Entschieden wird dabei noch nichts, betonte Prußeit gleich zu Beginn. (GEA)