NEHREN. Die Stimmung auf der Partynacht im Rahmen der »Naihremer Kirbe« Ende September war gut. DJ Lappi und DJ Hollex legten auf. Die Musikantenscheune war richtig voll, berichtete Vorstandsmitglied Martin Saur dem GEA-Berichterstatter. Gespielt wurde auch der Partyhit »L'amour toujours«. Und wie schon andernorts stimmten auch in Nehren einige Besucher fremdenfeindliche Gesänge an. Außerdem legte die Jugendorganisation »Zollern-Jugend aktiv« heimlich ihre Flyer aus.
Nichts davon wurde mit dem Musikverein abgestimmt. Das stellte der Verein umgehend in einer öffentlichen Stellungnahme klar. Allerdings sei es bei Veranstaltungen dieser Größe schwierig, den Überblick über einzelne Geschehnisse zu behalten.
»Hätte man gewusst, dass der Partyhit gespielt wird, dann hätte man das untersagt - Musikverein Nehren«
Klar ist jedenfalls eines: Der Verein distanziert sich ausdrücklich von jeglichem fremdenfeindlichem Verhalten. »Das steht im Gegensatz zu den Grundwerten unseres Vereins, der sich für Toleranz, Offenheit und respektvolles Miteinander einsetzt«, so die Stellungnahme. »Wären uns als Veranstalter oder dem vor Ort eingesetzten Sicherheitspersonal während des Abspielens dieses Liedes diese Gesänge aufgefallen, hätten wir unverzüglich die Polizei gerufen und von unserem Hausrecht Gebrauch gemacht.« Der Verein geht sogar noch weiter: »Hätte man gewusst, dass der Partyhit gespielt wird, dann hätte man das untersagt.«
Am Song selbst liegt das nicht. Der ist denkbar harmlos. Allerdings wird er seit Oktober 2023 immer wieder missbraucht, um zu seiner Melodie fremdenfeindliche Parolen zu singen. Bundesweite Schlagzeilen löste es aus, als an Pfingsten in zwei Clubs in Sylt zu dem Song Nazi-Parolen gesungen wurden, ein Video davon landete im Netz.
Wie viele Menschen in der Nehrener Musikantenscheune an den Parolen beteiligt waren, ist unklar. Die Vorstände des Musikvereins wollen sich zu dem Geschehen nicht mehr äußern und verweisen auf ihre öffentliche Stellungnahme. Ein Besucher des Abends schreibt auf Facebook, dass »maximal eine kleine Gruppe von fünf Personen am äußeren Rand eine selbstgetextete Strophe gesungen hat. Das muss unsere Gesellschaft aushalten und kann, wenn überhaupt, als minimale Randerscheinung beobachtet werden, ohne dass es übermäßig dramatisiert wird«. Viel erschreckender sei der Drogenkonsum vor der Musikantenscheune gewesen. Auch Flyer will der Besucher nicht gesehen haben.
»Der Musikverein distanziert sich klar von solchen Aktionen und Parolen - Musikverein Nehren«
Die muss es allerdings gegeben haben. Schließlich schreibt der Verein selbst dazu, dass die Flugblätter »schnellstmöglich entfernt und vernichtet« wurden. Den politischen Hintergrund von »Zollern-Jugend aktiv« haben die Vereinsmitglieder zuerst nicht gekannt, wurden dann aber darüber aufgeklärt und haben entsprechend gehandelt. Wessen Geist diese Gruppe ist, wird schnell klar, wenn man deren Auftritt in den sozialen Medien sieht. Auf den wenigen Videos, die sie auf Instagram gepostet haben, geben sie sich martialisch und ultrarechts. Ihr eigenen Gesichter haben sie dabei zum größten Teil verpixelt. Sie haben knapp 600 Follower, sind vernetzt mit Gruppierungen, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft werden. Ansprechen wollen sie mit diesem Auftritt in erster Linie Schüler und Studenten.
Der Musikverein ist jedenfalls von sich aus in die Offensive gegangen, um gar nicht erst den Eindruck zu erwecken, etwas verharmlosen zu wollen. »Es ist uns ein wichtiges Anliegen, den Sachverhalt transparent darzustellen und zu betonen, dass der Musikverein sich klar von solchen Aktionen und Parolen distanziert.« Künftig werde man noch größere Sorgfalt walten lassen, um solche Vorfälle zu vermeiden.
Bis zur Polizei ist das Geschehen in Nehren nicht vorgedrungen, bestätigte Pressesprecher Martin Raff. Ob es sich beim Absingen von fremdenfeindlichen Parolen um einen Straftatbestand handelt, könne nicht so einfach beantwortet werden. Die Polizei entscheide immer im Einzelfall. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2010 allerdings geurteilt, dass die Parole »Ausländer raus« alleine nicht für eine Verurteilung genügt. Es müssen noch weitere Begleitumstände dazu kommen. Anders ist es beim Zeigen von verfassungsfeindlichen Symbolen. Die sind in jedem Fall verboten. (GEA)