Logo
Aktuell Haushalt

Rückwirkende Steuererhöhung in Tübingen wird kommen

Es hatte sich bereits abgezeichnet, jetzt will die Tübinger Stadtverwaltung Nägel mit Köpfen machen: Rückwirkend zum 1. Januar 2025 sollen sowohl Grund- als auch Gewerbesteuer erhöht werden. Die Verwaltung sieht keine andere Möglichkeit mehr, das immer noch klaffende Haushaltsloch in Höhe von 7,6 Millionen Euro anderweitig zu stopfen.

Noch muss der Gemeinderat zustimmen, aber die Stadt Tübingen will die Grund- und Gewerbesteuer rückwirkend zum 1. Januar dieses
Noch muss der Gemeinderat zustimmen, aber die Stadt Tübingen will die Grund- und Gewerbesteuer rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres erhöhen. Foto: Jens Büttner
Noch muss der Gemeinderat zustimmen, aber die Stadt Tübingen will die Grund- und Gewerbesteuer rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres erhöhen.
Foto: Jens Büttner

TÜBINGEN. Es hat nicht gereicht. Über Monate haben sich die Tübinger Stadtverwaltung und der Gemeinderat gemeinsam den Kopf zerbrochen, wie das ursprünglich monströse 40-Millionen-Euro-Haushaltsloch gestopft werden könne. Konsolidierungslisten wurden erstellt, Bauprojekte aufgeschoben, Gebühren erhöht. Das hat viele Millionen gebracht, doch noch immer fehlen dem vom Regierungspräsidium abgelehnten Haushalt eine Summe von 7,6 Millionen Euro. Kommt die nicht zusammen, verliert die Unistadt ihre Handlungsfähigkeit.

Die Verwaltung sieht nun keine andere Möglichkeit mehr, als die zwei Posten zu erhöhen, die verlässlich Geld in die Kassen spülen: die Grund- und die Gewerbesteuer. Stimmt der Gemeinderat am kommenden Donnerstag den Plänen zu, steigt der Hebesatz der Grundsteuer B um 90 von 270 auf 360 Punkte und der Hebesatz der Gewerbesteuer von 390 auf 400 Punkte. Die Grundsteuer C, die Tübingen nach der Reform zu Beginn dieses Jahres eingeführt hat, steigt auf 720 Punkte - immer doppelt so viel wie die Variante B.

Anpassung war nicht aufkommensneutral

Eine gewisse Erhöhung der Grundsteuer hält die Verwaltung ohnehin für vertretbar: War der Hebesatz von 270 dem Umstand geschuldet, die Steueranpassung aufkommensneutral - also ohne Mehreinnahmen für die Stadt - zu gestalten und so weiterhin rund 21 Millionen Euro einzunehmen, lag die tatsächliche Summe knapp 2 Millionen Euro niedriger. »Wegen unzureichender Daten der Finanzbehörde«, wie es in der Vorlage heißt. Zudem würden Messbeträge vom Finanzamt nach unten korrigiert und kaum neue Hauptfeststellungen übermittelt. Die Aufkommensneutralität könnte mit einem Hebesatz von 300 erreicht werden - was nur leider immer noch nicht ausreicht, um den Forderungen des Regierungspräsidiums nachzukommen und die Deckungslücke von 7,6 Millionen Euro zu schließen.

Also muss noch mehr Geld her. Nach den jüngsten Berechungen der Stadtverwaltung bringen die weiteren 60 Punkte der Grundsteuer B Mehreinnahmen in Höhe von 4,3 Millionen Euro - womit insgesamt 6,3 Millionen Euro allein durch die anpassung der kürzlich reformierten Abgabe in die Kassen fließen. Die restlichen 1,3 Millionen Euro sollen durch eine Erhöhung der Gewerbesteuer eingenommen werden, ebenfalls deutlich geringer als prognostiziert ausfiel. Dabei will die Stadtverwaltung die magische Grenze von 400 Punkten nicht überschreiten, weil so die Gewerbesteuer für Personengesellschaften und Einzelunternehmern in voller Höhe auf die Einkommenssteuer anzurechnen ist. Heißt: Die Höhe der Einkommenssteuer sinkt um die Höhe der Gewerbesteuer. Und was die Grundsteuer C auf bebauungsreife Grundstücke angeht: 200.000 Euro mehr und damit insgesamt 900.000 Euro erwartet die Kämmerei.

Finale Entscheidung liegt beim Gemeinderat

Noch im Jahr 2022 hatten viele Städten und Gemeinden einen Überschuss im Haushalt erzielen können. Insgesamt fehlen den Kommunen in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamts fast 25 Milliarden Euro - seit der Wiedervereinigung habe es noch nie so an Geld gemangelt. Davon entfallen allein 18,2 Milliarden Euro auf die vergangenen zwei Jahre. Auch für Tübingen war es ein finanziell harter Schlag: Hatte die Unistadt 2023 noch einen Überschuss von 20 Millionen Euro erwirtschaftet, folgte nur ein Jahr später der Absturz auf Minus 20 Millionen Euro - ein Defizit von 40 Millionen Euro.

Im Lichte kostspieliger Gesetze, die Bund und Länder ihren Gemeinden in den vergangenen Jahren auferlegt haben - wie beispielsweise das Bundesteilhabegesetz, das Gesetz über einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung oder die Umlage der Kosten für die Flüchtlingsunterbringung - warnen viele Verwaltungen schon länger vor der finanziellen Notlage der Kommunen. Und die nächste Belastungsprobe könnte kommen: Ursprünglich sahen die geplanten Steuersenkungen der Bundesregierung für Unternehmen eine Beteiligung der Städte und Gemeinden vor, die das Paket durch Ausfälle bei der Gewerbesteuer so indirekt mitfinanzieren würden. Nun planen Bund und Länder aber, die kommunalen Steuerausfälle von 13,5 Milliarden Euro vollständig auszugleichen - ob das Paket so kommt, muss noch beschlossen werden. Nichtsdestotrotz kommt Tübingens Verwaltung zu einem klaren Entschluss: »Die rückwirkende Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer ist zur Genehmigung des Haushalts unverzichtbar.« Doch die finale Entscheidung liegt beim Gemeinderat. (GEA)