TÜBINGEN. »Wir werden niemanden am Zugang zur Preisverleihung hindern«, hieß es bei der Kundgebung vor dem Pfleghofsaal in Tübingen. Doch die Meinung der Demonstranten war eindeutig: Sie unterstützen die Auszeichnung der Universität Tübingen an den Wissenschaftler Professor Dr. Klaus Gestwa nicht. Auf ihren Plakaten stand es schwarz auf weiß geschrieben:»Kein Preis für Kriegspropaganda«. Erst am Vormittag meldete die Informationsstelle Militarisierung (IMI e.V.) die Protestaktion gegen die Preisverleihung beim Ordnungsamt an. Rund 40 Personen folgten dem Aufruf und protestierten dreißig Minuten vor dem offiziellen Beginn gegen den Preis der Wissenschaftskommunikation an den Direktor des Instituts für Osteuropäische Geschichte und Landeskunde, Klaus Gestwa.
Zum vierten Mal zeichnete die Universität Tübingen Wissenschaftler aus, die ihre Forschungsergebnisse in einfacher und verständlicher Sprache an die breite Öffentlichkeit bringen. Der Preis der Wissenschaftskommunikation soll die Wissenschaftler motivieren, vermehrt über ihre Forschungsprojekte zu sprechen. Dieses Jahr erhielten neben Klaus Gestwa auch das Team der Tübinger Ausstellung »Cyber and the City« um Professor Dr. Ulrike von Luxburg, Tim Schaffarczik und Professor Dr. Thomas Thiemeyer den Hauptpreis für erfolgreiche Wissenschaftskommunikation. Der Nachwuchspreis ging an die Historikerin Claudia Lemmes.
Protest schreckt nicht ab
In Youtube-Videos und Zeitungsinterviews klärte Klaus Gestwa die Öffentlichkeit über die Hintergründe des Ukraine-Kriegs auf. Er soll sich laut Vorwürfen der Preisgegner auch immer wieder für Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen haben. Das stößt auf Kritik. Vor allem die Informationsstelle Militarisierung und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) der Kreisvereinigung Tübingen-Mössingen kritisieren die Preisverleihung stark. Die IMI wirft Professor Klaus Gestwa in einem Kommentar, der dem GEA vorliegt, folgendes vor: »Es ist das Gegenteil von seriöser Wissenschaftskommunikation, Sachverhalte polarisierend und extrem einseitig darzustellen und mit diesen Mitteln auch noch für die Lieferung von Waffen zu trommeln«. Auch der Frauenverband Courage zeigte sich beim Protest in einer Stellungnahme entsetzt: »Der Professor macht Kriegswerbung für die Universität. Wo bleibt da die Neutralität der Universität?«. Die Gegenuniversität bezeichnete die Preisverleihung als »Selbstbeweihräucherung« in dem die »Exzellenzuniversität sich selbst für Wissenschaftskommunikation feiert«.

Doch die geladenen Gäste der Ehrung schienen unbeeindruckt von den Protesten vor dem Pfleghofsaal zu sein. »Es erfordert sehr viel Mut und Ausdauer, sich trotzdem hinzustellen«, würdigte Prof. Dr. Monique Scheer, die Prorektorin für Internationales und Diversität, den Einsatz von Gestwa. Und auch Klaus Gestwa ließ sich nicht abschrecken. Eher im Gegenteil. »Die Preisverleihung motiviert mich«, betonte der Institutsleiter in seiner Rede. »Wenn ich sehe, wen ich schon alles auf die Palme gebracht habe, dann habe ich das Gefühl, dass es sinnvoll ist, was ich mache«, sagte er weiter. Zu seinen Kritikern zählte er unter anderem die AfD und Mitglieder des Bündnis Sahra Wagenknecht.
Dialog mit anderen ist notwendig
Dass Wissenschaftskommunikation nicht nur spaßig ist, weiß auch Professor Dr. Ulrike von Luxburg. Auch künstliche Intelligenz stößt immer wieder auf Kritik. Deshalb sei das Projekt »Cyber and the City« so wichtig für die öffentliche Aufklärung gewesen. »Wir müssen die Diskussionen genau da führen, wo es schwierig ist«, betonte sie weiter. Und das soll auch das Ziel von Wissenschaftskommunikation sein:»Wir wollen andere Wissenschaftler motivieren, mit anderen in den Dialog zu treten«, betonte Prof. Dr. Monique Scheer. (GEA)