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Aktuell #allesdichtmachen

Palmer: »Man wird unter Druck gesetzt, bis man nicht mehr dazu steht, was man gesagt hat«

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer kritisiert den Shitstorm gegen Schauspieler nach der Aktion #allesdichtmachen. Seine Lösung gegen mangelnde Diskussionskultur: Auflehnen und streiten.

Boris Palmer verteidigt bei Maybrit Illner die Aktion #allesdichtmachen.
Boris Palmer verteidigt bei Maybrit Illner die Aktion #allesdichtmachen. Screenshot: ZDF
Boris Palmer verteidigt bei Maybrit Illner die Aktion #allesdichtmachen. Screenshot: ZDF

TÜBINGEN. Rund 50 Schauspieler haben unter dem Hashtag #allesdichtmachen eine Corona-Protestaktion im Internet gestartet. Auf Instagram und Youtube kritisieren sie mit ironischen Videos die Corona-Politik der Bundesregierung. Es folgte ein Shitstorm in Sozialen Medien, auf journalistischen Plattformen und in Talkshows und gipfelte in Forderungen von Berufsverboten für die Protagonisten. Das Ergebnis: Zahlreiche Schauspieler ruderten zurück, entschuldigten sich, nahmen ihre Statements vom Netz. Auf der Website allesdichtmachen.de, die zwischenzeitlich gehackt wurde, sind nur noch 30 Clips übrig.

»Großartig, was diese Künstler sich hier getraut haben«

»Das ist eine klassische Reaktion. Man wird so unter Druck gesetzt, bis man nicht mehr zu dem steht, was man gesagt hat«, sagte Boris Palmer (Grüne) bei Maybrit Illner zu der Debatte. Der Tübinger Oberbürgermeister muss es wissen, schließlich musste er immer wieder harsche Kritik für seine Aussagen einstecken. Nach seinem Vergleich zu Corona-Toten im vergangenen Jahr kündigte seine Partei sogar an, ihn künftig politisch nicht mehr zu unterstützen. Trotzdem werde er künftig »nicht anfangen, deswegen leiser, stiller oder mit der Schere im Kopf zu argumentieren«.

Die heftigen Reaktionen gegen die Schauspieler bezeichnete Palmer als eingeübte Rituale. Die Empörung, die »Cancel Culture«, dass einige Schauspieler ihre Videos dementiert haben, sei die klassische Reaktion darauf. Für Palmer sei #allesdichtmachen nicht spaltend gewesen. Man müsse miteinander streiten, um im Gespräch zu bleiben. Deshalb findet er es »großartig, was diese Künstler sich hier getraut haben und dass wir deswegen anders diskutieren, als noch vor einer Woche«.

Als Gründe für die mangelnde Diskussionskultur führte Palmer zwei Punkte an. Erstens: »Menschen, die nicht mehr argumentieren, sondern lediglich ausgrenzen wollen.« Und zweitens: »Asoziale Medien, wo immer die lauteste Stimme, die meiste Aufmerksamkeit und Klicks bekommt.« Das mache die demokratische Kultur immer schlechter. Dagegen sollte man sich mit gesunder Urteilskraft auflehnen und wieder miteinander streiten, appellierte Palmer. (GEA)