OFTERDINGEN. Die eine Frage wird Dieter Baumann fast immer gestellt, wenn er irgendwo auftritt: »Sind sie zu Fuß hier?« Selbst bei Behördengängen wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass der Olympiasieger selbstverständlich die Treppe benutzt. Dabei sind Fahrstühle, Rolltreppen, E-Scooter und dergleichen gerade für diejenigen gemacht, die professionell rennen. Also für den in aller Bescheidenheit selbsternannten »Kleinstkünstler« Baumann und keineswegs für die rund 80 Zuschauer. Von denen war nach kurzer Umfrage nämlich kaum jemand zu Fuß nach Ofterdingen gekommen. Nachdem das geklärt war, folgte ein rasantes Feuerwerk aus mit feinem Witz und manchem Kalauer gespickten Anekdoten aus Baumanns Zeit als Leistungssportler. So bekannte Baumann, dass er, sollte er noch mal die Wahl haben, nicht mehr als Läufer, sondern als Luftpistolenschütze bei Olympia antreten würde. Deren Wettbewerb findet nämlich immer am ersten Tag statt, während die populären Laufdisziplinen traditionell am Ende der Wettkämpfe liegen.
Anhaltende Heiterkeit
»Konzentrieren, anlegen, zielen und PLOP! Dann hat man die Goldmedaille im Sack und kann sich voll und ganz den zahlreichen Partys im Olympischen Dorf widmen.« Apropos Goldmedaille: Diese trug der Sportveteran entspannt in der Hosentasche, um sie sogleich zur Versteigerung anzubieten. Eine Million Dollar waren als Startgebot aufgerufen. Genau so viel hatte seinerzeit das olympische Edelmetall der britischen Skisprunglegende »Eddy the Eagle« gebracht. In Ofterdingen bleibt es bei einem Spontangebot von 1.000 Euro und die Medaille in Baumanns Hosentasche. Für anhaltende Heiterkeit sorgten auch die Anekdoten aus dem Höhentrainingslager im kenianischen Niahuru, wo sich ein Tankwart regelmäßig Dieter Baumann bei dessen Aklimatisierungsläufen anschloss. Die Kilometer ins nächste Dorf waren schlicht dessen täglicher Heimweg von der Arbeit an der Tankstelle. »Das nennt man Sport im Alltag«, lobte Baumann. Beim abschließenden Wettbewerb über zwölf Kilometer wurde der Europäer schließlich 84ster und sogar vom Koch des Trainingslagers überholt. Kein Wunder: Kamen damals doch 80 der 120 besten Läufer der Welt aus Kenia und 60 von denen tatsächlich aus ein und demselben Dorf. Ein Exkurs in die Sportleranatomie brachte die Erkenntnis, dass Schwimmer lange Arme, Judokas ein extrem breites Kreuz und Ringer Knubbelohren haben. Letztere deshalb, weil sie die meiste Zeit ihrer Karriere im Schwitzkasten verbringen.
Zugabe vom Publikum
Nachdenklicher wurde der Abend, als Baumann seine Karriere mit einem perfekten Puzzle und die Zahnpasta-Affäre mit einem ungefragt hinzukommenden Teil verglich. Das muss man dann eben in das Puzzle integrieren und dessen Veränderung akzeptieren. »Das ich danach kein Sportfunktionär mehr werden würde, war klar. Also wurde ich eben Kleinstkünstler.« Im Nachhinein eine glückliche Wendung für Baumann. Da war man sich im Publikum einig. Die Zugabe überließ der Athlet übrigens dem Publikum. Ein Gedicht war gefordert und der Nachdruck wenig subtil: »Das wäre der erste von über 200 Auftritten, ohne Gedicht.« Peter wagte den Gang auf die Bühne und schloss sein Poem über einen überlegenen Läufer mit der Erkenntnis: »... und plötzlich wurde Dieter klar, der Kerl nutzt meine Zahnpasta.« (och)