TÜBINGEN. »Ich war arbeitslos und drogenabhängig.« So begründete der 39-jährige Angeklagte aus Ofterdingen am Montag vor dem Tübinger Landgericht, warum er im vergangenen Jahr mehrere schwere Diebstähle begangen hat. In einem Fall soll er einen Mann, der ihn nach einem Raub verfolgt hat, mit einem Messer bedroht haben. Dieses Vorgehen könnte ihn nun für viele Jahre hinter Gitter bringen, weil es sich wegen des Messers um einen »besonders schweren räuberischen Diebstahl« handelt.
Der 39-Jährige stammt aus dem Irak. Im Jahr 2000 kam er nach Deutschland. Obwohl er keine Ausbildung vorweisen konnte, fand er schnell Arbeit. Allerdings handelte es sich dabei nie um längerfristige Anstellungen. Er schlug sich deshalb mehr schlecht als recht durchs Leben. Schließlich bekam er Probleme mit Alkohol und Drogen. 2011 hatte er zuletzt für sechs Monate eine Anstellung als Gebäudereiniger. Danach war er arbeitslos. Seine Drogenabhängigkeit finanzierte er mit Diebstählen. Zweimal musste er eine Haftstrafe antreten.
Jetzt steht er wieder vor Gericht. Ein Fall ist besonders heftig. Laut Staatsanwalt Lukas Bleier soll der Mann am 20. Februar 2022 auf der Suche nach Geld in ein Baustellenfahrzeug eingedrungen sein. Als die Mutter des Bauunternehmers in das Fahrzeug einstieg und fortfuhr, flippte der Angeklagte aus. Er hämmerte wild gegen die Wand, die Fahrerkabine und Laderaum trennt. »Ich bekam einen Schock. So etwas hatte ich noch nie erlebt«, meinte die Zeugin am Montag.
Sie fuhr weiter, bis sie ihren Sohn sah, und hielt an. Diese Gelegenheit nutzte der Angeklagte, um aus dem Fahrzeug zu springen und abzuhauen. Ein Mitarbeiter des Bauunternehmers verfolgte den 39-Jährigen und bekam ihn auch zu fassen. Was dann geschah, davon gibt es zwei Versionen. Sehr eindrücklich schilderte der Mitarbeiter des Bauunternehmers den Vorfall. Er habe den Angeklagten an der Jacke gepackt. Der habe dann plötzlich in seine Bekleidung gegriffen und ein Messer hervorgezogen. »Es sah nach einem Küchenmesser aus«, so der Zeuge.
Nach der Aussage des Mitarbeiters wischte der 39-Jährige mit dem Messer an seinem Hals vorbei. Gleichzeitig trat der Angeklagte den Mann, der sich zum Schutz abwendete, kräftig gegen das Schienbein, wodurch dieser das Gleichgewicht verlor. Als der Mitarbeiter sich wieder gefangen hatte, war der 39-Jährige verschwunden.
Etwas anders stellte der Angeklagte die Geschichte da. Über seine Verteidigerin Stefanie Jetter-Strecker ließ er der Strafkammer mitteilen, dass er kein Messer, sondern nur einen Schlüsselbund mit einer Nagelfeile in der Hand gehabt habe. Vielleicht habe der Mann diese Feile mit einem Messer verwechselt. Er habe sich nur gegen das Festhalten wehren und den Mann nicht verletzen wollen.
Für Unstimmigkeiten sorgten zudem die Aussagen der Mutter des Bauunternehmers. Nach dem Geschehen im Februar 2022 hatte sie der Polizei gesagt, der Angeklagte habe aus dem Auto 4 000 Euro gestohlen. Vor Gericht zog sie diese Aussage zurück. Nachdem die Richterin Diana Scherzinger ihr erklärt hatte, dass sie nichts aussagen müsse, wenn sie sich selbst belaste, verweigerte sie jede weitere Antwort zu dem Geldbetrag.
Über die Aussage der Frau regte sich der Angeklagte so auf, dass er sie verbal attackierte. Erst die lautstarke Aufforderung seiner Verteidigerin, »Sie sind jetzt ruhig«, wie auch der genauso laute wie deutliche Hinweise der Richterin, »seien Sie ruhig, sonst lass’ ich Sie abführen«, brachten den Mann zum Schweigen.
Der Angeklagte soll noch weitere Diebstähle begangen haben. Aus einem Supermarkt soll er versucht haben, Kopfhörer und Alkohol im Wert von 300 Euro zu entwenden. Auch ein Fahrrad soll er gestohlen und in einem anderen Supermarkt Zigaretten geklaut haben. Einige der Vorwürfe gab der Angeklagte zu, andere schwächte er ab. (vit)