TÜBINGEN. »Der Islam gehört selbstredend zu Deutschland«, betonte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei der Einweihungsfeier des Neubaus des Zentrums für Islamische Theologie der Universität Tübingen. »Viele unserer Bürger sind Muslime und die Religion ist ein Teil von ihnen. Die Religionsfreiheit ist durch unser Grundgesetz geschützt.«
22,8 Millionen hat das Land in den Neubau investiert. Davor war das Zentrum auf zwei Standorte verteilt. Seit Semesterbeginn ist es in ein neues Gebäude auf dem Campus der Theologien in der Liebermeisterstraße Nahe dem Theologicum eingezogen.
Die islamische Theologie ist für die Gesellschaft bedeutsam
»Das Zentrum für Islamische Theologie als erste Bildungseinrichtung ihrer Art ist auch für unsere säkulare Gesellschaft bedeutsam«, sagte Kretschmann. »Es ist wichtiger denn je, dass unsere muslimischen Religionslehrkräfte und der wissenschaftliche Nachwuchs der universitären Theologie eine anspruchsvolle und zeitgemäße pädagogische Ausbildung erhalten.« Das »Selbstverständnis der islamischen Gemeinschaft« würde dadurch gestärkt. Dies dient auch der Prävention in Bezug auf Radikalisierung. Es gelte, einem »Insta-Islam mit einem patriarchalen Islambild ohne tiefere Substanz« zu entgegnen. Kretschmann schloss seine Ansprache mit einem Zitat von Mohammed: »Das Streben nach Wissen ist Pflicht für jeden Muslim«.
Finanzstaatssekretärin Gisela Splett stellte die Daten und Fakten vor: »Auf rund 2.500 Quadratmetern sind Nutzflächen für Forschung und Lehre entstanden. Über fakultative Grenzen hinweg soll hier geforscht, gelernt und diskutiert werden.« Das Landesbauamt Vermögen und Bau Tübingen hat das Projekt umgesetzt. Das Gebäude und die Freianlagen hat das Architekturbüro Staab Architekten gemeinsam mit Henne Korn Landschaftsarchitekten geplant. Neben Seminar-, Büro- und Besprechungsräumen ist im Gebäude eine Bibliothek untergebracht. Sie ist um einen begrünten Innenhof angeordnet. Der Neubau ist an das Fernwärmenetz der Stadtwerke Tübingen angeschlossen. Die Lüftungsanlage ist mit einer Wärmerückgewinnung ausgestattet und reduziert damit den Heizwärmebedarf. Die Photovoltaikanlage auf dem Flachdach ist rund 400 Quadratmeter groß. Sie hat eine Gesamtleistung von etwa 65 Kilowattpeak.
Samuel Wagner, Prorektor der Universität Tübingen, freute sich darüber, dass auf dem Campus der Theologien eine »wertvolle Vielfalt von Perspektiven« aufeinandertreffe und man unter anderem auch »global herausfordernde Themen« angehe.
»Wir freuen uns jeden Tag, wenn wir dieses schöne Gebäude betreten. Es ist perfekt«, sagte Studiendekan Mouez Khalfaoui. »Unser Zentrum ist weltweit einmalig. Wir bekommen auch viele Anfragen.« Für die Forschung setzt er sich das Ziel, nach »Lösungen für Probleme der Welt« zu suchen. Neben Lehrkräften werden am Zentrum für Islamische Theologie auch Seelsorger ausgebildet. Von den etwa 200 Studierenden sind etwa 60 Prozent weiblich.
Nach der Schlüsselübergabe führten die Architekten Dirk Wischnewski (Projektleiter) und Michael Zeeh durch das Gebäude und zeigten Besonderheiten auf. »Das Niveau der im Vergleich zur Liebermeisterstraße niedriger gelegenen Gmelinstraße musste ausgeglichen werden«, so Zeeh. Das Plateau mit direktem Blick auf das denkmalgeschützte Oktagon des Theologicums ist von außen zugänglich. Dies solle auch die Öffnung zum Dialog widerspiegeln. An vielen Stellen am Gebäude befinden sich Strukturen, die an islamische Architektur erinnern, etwa geflochtenes Gitterwerk. Diese werfen je nach Sonneneinstrahlung floral wirkende Schattenmuster. »Uns war wichtig, dass das nicht in Kitsch abgleitet«, sagte Zeeh. Es sei zudem darauf geachtet worden, dass das Gebäude einen »universitären Charakter« erhalte. Das Gebäude passt sich darüber hinaus durch seine steinerne Fassade an die anderen Gebäude in der Liebermeisterstraße an, ergänzte Wischnewski. (GEA)