TÜBINGEN. Die Sonne strahlt und von einem kühlen Wind fehlt jede Spur. »Normalerweise freuen wir uns im Wald ja immer über Regen«, scherzt Anja Peck, Vorsitzende des Naturparks Schönbuch, während sie die Gäste zur Vorstellung der Naturparkprojekte bei Bebenhausen begrüßt. Zusammen mit Mathias Allgäuer, dem Geschäftsführer des Naturparks, und dem Historiker und Archäologen Christoph Morissey spricht das Trio über die Bedeutung von Kleindenkmalen und der Arbeit der Arbeitsgemeinschaft (AG) Naturparke.
Der Treffpunkt am Pfeifferstein wurde dabei symbolisch für die über 400 bekannten Kleindenkmäler im Gebiet des Naturparks Schönbuch ausgewählt. Eine Zahl, die bald weiter steigen dürfte. Gestartet hat das Projekt zur Erfassung der Kleindenkmäler bereits 2007, mit dem Ziel, beispielsweise Gedenksteine, Steinkreuze und Brunnen aufzuspüren, und sie für die Nachwelt aufzulisten. »Die kleinen Denkmäler sind eng mit unserem Bild des Waldes verbunden. Sie fallen uns auf, da sie oft an idyllischen Orten stehen. Allerdings wissen nur wenige Leute wirklich, an welche lange zurückliegenden Ereignisse sie erinnern sollen«, hieß es 2008 dazu in den Schönbuch Nachrichten.
Die Geschichte hinter dem Pfeifferstein
Der Pfeifferstein, der sich vom gleichnamigen Parkplatz bei Bebenhausen mittels kurzen Fußmarsch erreichen lässt, gehört zu den bekannteren Denkmälern unter den Spaziergängern. Doch längst nicht jeder kennt die Geschichte hinter dem bemoosten Steinkreuz. Vor exakt 203 Jahren, am 26. Februar 1822, soll der Platz des Steines Schauplatz eines Mordes geworden sein. Der damals 17 Jahre alte Forstlehrling aus Bebenhausen, Wilhelm Pfeiffer, ist dort auf brutale Art und Weise ums Leben gekommen. Er wurde von einem oder mehreren Unbekannten mit einem Beil erschlagen. »Es waren damals wilde Zeiten mit vielen Umstürzen, darunter Napoleon und die Gründung des Königreichs Württemberg. Gewohnheiten wurden aufs Spiel gesetzt. Das hatte auch tiefgreifende Auswirkungen auf den Schönbuch«, erzählt der Experte Morissey.
Bis dato sei der Wald wirtschaftlich nutzbar gewesen, doch König Wilhelm machte dieser Nutzung den Garaus. Der Wald sollte fortan konserviert werden. Das Forstpersonal war zur damaligen Zeit dazu angehalten, den Willen ihres Königs durchzusetzen, denn der Wald gehörte nun dem Königreich und nicht mehr den Dorfbewohnern. Damit wurden die Waldarbeiter automatisch zur Zielscheibe der wütenden Bürgschaft. So war vermutlich auch der junge Wilhelm Pfeiffer den damaligen Umständen in einem aufgeheizten Umfeld zum Opfer gefallen. Der Mordfall gilt bis heute als ungeklärt.

Im Naturpark Schönbuch waren die Kleindenkmale bisher in acht Datenbanken erfasst. Durch die seit letztem Jahr von der Naturpark Geschäftsstelle gegründete Arbeitsgemeinschaft (AG) Kleindenkmale - zu der alle sieben Naturparke Baden-Württembergs gehören - sollen nun diese Datenbanken zusammengefasst, durch zusätzliche Funde erweitert und in einem internen Datenbanksystem kategorisierbar und abfragbar werden.
Durch digitale Karten wird es den Forstbehörden in Zukunft ermöglicht, verbesserte Schutzmaßnahmen für die Kleindenkmale bei Forstarbeiten zu treffen, denn die Standorte der Denkmäler können mithilfe von GPS metergenau verortet werden. Im letzten Jahr haben Peck und Allgäuer den Archäologen Morissey damit beauftragt, den Wald systematisch zu erkunden. Dabei konnten allein am Betzenberg bei Waldenbuch über weitere 200 Kleindenkmäler aufgespürt werden. »Es wird bestimmt ein bis zwei Jahre dauern, bis das Projekt abgeschlossen wird«, so Mathias Allgäuer, Geschäftsführer des Naturparks Schönbuch.
Weitere Projekte im Sinne der Natur
»Die vielen Kleindenkmäler im Naturpark Schönbuch leisten einen wichtigen Beitrag zur Identität der Region. Mich freut es besonders, dass nun diese für den Naturpark Schönbuch typischen Kleindenkmale auf der gesamten Fläche erfasst werden, damit sie die Geschichte der Region auch für kommende Generationen lebendig halten«, sagt Allgäuer.
Neben Printprodukten wie dem Magazin »#Naturpark« engagiert sich die AG Naturparke für nachhaltige Projekte und setzt diese mit den Menschen den Regionen um. Darunter beispielsweise die landesweit eingerichteten Naturpark-Schulen, von denen es derzeit vier, künftig fünf (eine neue entsteht in Hildrizhausen) im Gebiet des Naturparks Schönbuch geben wird. Momentan arbeitet die AG zudem an einem Angebot für Senioren, dass sich »nicht an rüstige Rentner« richten soll, wie Anja Peck betont, sondern an die, die nicht mehr selbst dazu in der Lage sind, in den Wald zu gehen. Das sei schade. »Vielen alten Menschen geht dort das Herz auf, außerdem hilft der Wald gegen Depression und reguliert den Blutdruck«, so Peck. Das Projekt stecke derzeit noch in den Babyschuhen. (GEA)
Der Naturpark Schönbuch
Sieben Naturparks gibt es in Baden-Württemberg. Diese nehmen insgesamt über 36 Prozent der Landesfläche ein, und gelten als Großschutzgebiete. Der Naturpark Schönbuch erstreckt sich über vier Landkreise: Esslingen, Böblingen, Reutlingen und Tübingen. Mit einer Fläche von 156 Quadratkilometern ist er nicht nur der älteste Naturpark Baden-Württembergs, sondern auch der waldreichste. Das Gebiet ist von artenreichen Bachtälern, steilen Klingen; Streuobstwiesen und Weinbergen geprägt.