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Aktuell Wohnungsmarkt

Nachfrage in Wohnheimen viermal so hoch wie Angebot

TÜBINGEN. Am Ende ist es für Louisa doch noch gut gegangen. Die angehende Studentin der Erziehungswissenschaft hat ein Dach über dem Kopf gefunden. Zwar nicht an ihrem Wunschort Tübingen, wo die 22-Jährige ab dem Wintersemester, das am Montag in einer Woche beginnt, studieren wird, sondern im etwa 13 Kilometer entfernten Rottenburg. Doch diesen Kompromiss geht sie mittlerweile gerne ein: »Ich bin sehr erleichtert«, sagt sie am Abend vor ihrem Umzug.

FOTO: WAGNER
FOTO: WAGNER
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Gerade noch rechtzeitig vor dem Beginn der Einführungsveranstaltung kann sie also vom pfälzischen Landau an den Neckar umziehen. An den Rottenburger zwar – aber immerhin.

Hinter ihr liegen Wochen der Ungewissheit. Seit Anfang September, seit dem sie die Studienplatzzusage in der Tasche hat, war sie auf Zimmersuche. Unzählige Anschreiben hat sie auf einschlägigen Internetportalen verfasst, die wenigsten wurden beantwortet. Ganz ohne Resonanz blieben die Flugblätter, die sie an Tübinger Straßenlaternen klebte. Und als es dann doch mal mit einem Besichtigungstermin klappte, wurde sie als Teil der x-ten Besichtigungsgruppe durch die Wohnung geschleust. »Ich hatte mir nicht vorgestellt, dass es so schwer ist, ein Zimmer zu finden«, sagt sie. Beinahe naiv findet sie heute die Vorstellung, mit der sie damals die Suche anging.

Vielleicht ohne es zu wissen, dafür am eigenen Leib erfahren hat Louisa, dass sie sich in einer Stadt auf die Suche gemacht hat, die nach einer jüngst veröffentlichten Erhebung des Immobilienentwicklers GBI zu denjenigen Städten zählt, die bundesweit nach wie vor eines der knappsten Wohnangebote für Studenten vorzuweisen haben. In der Negativ-Rangliste belegt Tübingen heuer Platz neun. Studentengerechter, also günstiger Wohnraum, ist dort seit Jahren Mangelware. Gemessen an der Zahl der Studenten ist das Verhältnis im Land nur in Stuttgart (Platz fünf) und Freiburg (Platz sechs) ungünstiger.
»Ich hatte mir nicht vorgestellt, dass es so schwer ist«
Abzulesen ist das auch an Zahlen, die Sandra Haggenmüller vom Studierendenwerk Tübingen-Hohenheim nennt. Bereits seit dem 21. September herrscht in den Tübinger Wohnheimen Bewerbungsstopp. Von den insgesamt 3 669 Plätzen wurden zum Ende des letzten Semesters 1 227 frei. Vier Mal so hoch war allerdings die Zahl der Bewerbungen: rund 4 600.

Die Privatzimmervermittlung des Studierendenwerks verzeichnet derweil einen Rückgang des Angebots. Zählte man im September 37 neu angebotene Zimmer und Wohnungen, waren es im gleichen Monat des Vorjahrs noch 66. Auch in diesem Jahr bereitet das Werk wieder zwölf Schlafplätze in einer provisorischen Notunterkunft vor. Ob sie genutzt werden, wird der 17. Oktober zeigen. Der offizielle Semesterbeginn.

Bleibt also der freie Wohnungsmarkt. Der allerdings ist angespannt. In Tübingens Kernstadt sind die Durchschnittsmieten in den vergangenen fünf Jahren um rund neun Prozent gestiegen. Ist die Nadel im Heuhaufen dennoch gefunden, heißt es erst einmal Schlange stehen. Eine Vermieterin, die nicht genannt werden möchte, hatte jüngst ein zentrumsnahes Zimmer zu vergeben: 18 Quadratmeter für 380 Euro. Die Resonanz auf ihr Angebot verblüffte sie: »Ich hätte niemals gedacht, das so viele Bewerber kommen«, sagt sie über dutzende Anschreiben und Anrufe. Andernorts kann die Liste der Bewerber schon mal dreistellig werden.

Lousia jedenfalls hat die erste Lektion ihres Tübinger Studiums bereits gelernt: »Am besten kümmert sich man so früh wie möglich darum«, rät sie ihren potenziellen Leidensgenossen. An ihr WG-Zimmer ist sie übrigens gekommen, nachdem sie einen Tipp ihres Vaters beherzigte. Als Online-Recherchen ins Leere liefen, schlug er ihr den analogen Weg vor. Die Annonce in der Zeitung zeigte Wirkung. Immerhin in Rottenburg. (GEA)