TÜBINGEN/REUTLINGEN. Erstmals seit drei Jahren findet am Freitag und Samstag in der kommenden Woche in der Stadthalle Reutlingen wieder die Bildungsmesse Neckar-Alb, kurz Binea, in Präsenz statt. Organisiert wird sie von der Reutlinger Firma Solutioncube. Bei einem Empfang am gestrigen Donnerstag in der Akademie der Handwerkskammer in Derendingen eröffnete Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer die Messe.
Petra Kriegeskorte vom Netzwerk Fortbildung erklärte, weshalb die in Reutlingen stattfindende Messe in Tübingen eröffnet wird: Als Mitglied des Netzwerks sei die Handwerkskammer, vielmehr deren Akademie im Tübinger Stadtteil Derendingen, als »Schmiede des Handwerks« anzusehen. Hier seien Aus-, Fort- und Weiterbildung besonders eng miteinander verknüpft.
Weiterbildung wichtiger denn je
Alle Redner stellten die Wichtigkeit der Messe für Auszubildende heraus. Als Plattform für detaillierte Informationen sei die Binea »sehr, sehr gut«, betonte IHK-Präsident Harald Herrmann in seiner Begrüßung. Und: »Die Weiterbildung, auch hier im Haus, ist wichtiger denn je.« Herrmann betonte, im Handwerk gebe es nach wie vor mehr Stellen als Bewerber.
Diesen Faden nahm Palmer sofort auf. Er nannte die Stadt Esslingen als Beispiel: Dort hätten im Jahr 1960 von 1.500 Azubis 100 eine duale Ausbildung absolviert, heute macht das im Vergleich nur jeder Zehnte – »und das in einer Arbeiterstadt«. Eine duale Ausbildung sei ein guter Weg zur eigenen Existenzsicherung.
Palmer warnte vor dem »Ausbluten des technischen Kerns« hierzulande, die Gesellschaft stehe davor, Schiffbruch zu erleiden. Daher forderte er, stärker in die Ausbildung des Handwerks zu investieren, um freie Stellen zu besetzen. Migranten (»der hoch qualifizierte Mechaniker klopft nicht an der Grenze an«) und Demonstranten, etwa die im rheinischen Lützerath, trügen nicht zu einer Verbesserung der Lage bei: »Wenn alle demonstrieren statt montieren, wird es nichts mit dem Klimaschutz.«
»Qualität kostet Geld«
Der diesbezüglich größte Hemmschuh sei, dass sich derzeit wenige Betriebe fänden, die Aufträge annehmen, um Solarstromanlagen auf die Dächer, Windkraft auf die Felder oder Wärmepumpen in die Keller zu bringen. Die Wartezeit auf Transformatoren betrage aktuell im Durchschnitt rund ein Jahr.
Ulrich Bausch, Sprecher der landesweit 31 Netzwerke Fortbildung, betonte, die Messe Binea dokumentiere die starke Unterstützung durch ein breit gefächertes Spektrum an Unternehmen. Das Bildungssystem biete Transparenz, Qualität und Standards. Außerdem offeriere es viele finanzielle Möglichkeiten und große Aufstiegschancen.
Bausch verwies darauf, dass neben Handwerkern auch Pflegekräfte oder Lehrer händeringend gesucht werden. Auch er betonte, die dort klaffenden Lücken seien nicht über Zuwanderung, sondern über Aus- und Weiterbildung zu schließen. Das von der Bundesregierung eingeführte Bürgergeld begrüßte er als »Investition in die Bildung«: Qualität koste Geld.
Nach den Reden nahmen Akademie-Leiter Clemens Riegler und Bernd Zürker (Leiter Fort- und Weiterbildung) das Publikum in zwei getrennten Führungen durch einen Teil der Bildungsakademie mit. In der Abteilung Metallverarbeitung bekamen die Gäste Grillzangen. Woanders erlebten sie, wie Auszubildende mithilfe eines hochmodernen Simulators das Schweißen lernen. (GEA)