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Aktuell Jubiläum

Mathilde-Weber-Schule in Tübingen feiert 150 Jahre Bildung

Von der Frauenarbeitsschule für die »höheren Töchter« der Stadt, zur Bildungseinrichtung für alle: In der Aula der Mathilde-Weber-Schule kamen am Donnerstagmittag rund 200 geladene Gäste zusammen, um die Highlights der Vergangenheit Revue passieren zu lassen und einen Blick in die Zukunft zu werfen.

Die Mathilde-Weber-Schule in Tübingen: Ihren Namen verdankt sie einer beeindruckenden Persönlichkeit der Frauenbewegung.
Die Mathilde-Weber-Schule in Tübingen: Ihren Namen verdankt sie einer beeindruckenden Persönlichkeit der Frauenbewegung. Foto: Arnfried Lenschow
Die Mathilde-Weber-Schule in Tübingen: Ihren Namen verdankt sie einer beeindruckenden Persönlichkeit der Frauenbewegung.
Foto: Arnfried Lenschow

TÜBINGEN. Die Mathilde-Weber-Schule feiert ein beeindruckendes Jubiläum: 150 Jahre Bildungsgeschichte! Gegründet im Jahr 1875 als Frauenarbeitsschule, hat sich die Institution im Laufe der Jahrzehnte zu einem Bildungszentrum entwickelt, das Generationen von Schülern geprägt hat. Heute bietet die berufliche Schule eine Vielzahl von Perspektiven für Ausbildung, Studium und Beruf, mit mehr als zehn verschiedenen Schularten in den Bereichen Biotechnologie, Ernährung, Hauswirtschaft, Pflege und Sozialpädagogik. Das war nicht immer so, und forderte ganz schön viel Ausdauer, wie sich der ehemalige Schulleiter Dieter Meng am Festakt zum Jubiläumsjahr zurückerinnert.

Als er 1979 vom Oberschulamt zum Schulleiter der Mathilde-Weber-Schule ernannt wurde, sorgte das Kopiergerät mit Handkurbel noch für Unmut unter den Lehrkräften. 40 an der Zahl, die sich um weniger als 350 Schüler kümmerten. »An eine Erweiterung war damals gar nicht zu denken«, so Meng. Dennoch hegte er stets die Hoffnung, dass die Schule eines Tages wachsen würde. Mit dem Umzug vom Schulberg in die Räumlichkeiten der ehemaligen »Gewerbeschule im Feuerhägle« in der Primus-Truber-Straße im Jahr 1982 wurde diese Hoffnung Wirklichkeit. Ein Vierteljahrhundert später hatte sich sowohl die Zahl der Lehrkräfte als auch die der Schüler verdoppelt, und viele neue Schularten konnten etabliert werden. Auch das alte Kopiergerät wurde schließlich durch einen modernen Drucker ersetzt.

Der hauseigene Chor unterstützte den großen Festakt musikalisch. Der Frauenrechtlerin Mathilde Weber widmete die Gesangsgruppe,
Der hauseigene Chor unterstützte den großen Festakt musikalisch. Der Frauenrechtlerin Mathilde Weber widmete die Gesangsgruppe, bestehend aus Schülern, dabei ein eigenes Lied. Foto: Kim Luisa Geisinger
Der hauseigene Chor unterstützte den großen Festakt musikalisch. Der Frauenrechtlerin Mathilde Weber widmete die Gesangsgruppe, bestehend aus Schülern, dabei ein eigenes Lied.
Foto: Kim Luisa Geisinger

Der »Wandel auf allen Ebenen«, wie in Dieter Meng bezeichnet, habe zu diesem Zeitpunkt gerade erst begonnen. Sein Nachfolger, Bernhard Kandler, könne davon ebenfalls ein Lied singen. 2004 übernahm er die Leitung der aufstrebenden Mathilde-Weber-Schule, und sah auch sich in seiner 14-jährigen Amtszeit mit der ein oder anderen Herausforderung konfrontiert. »Die Aula, in der wir heute stehen, gab es damals noch gar nicht«, sagt Kandler. Für deren Bau habe man dem Landrat stetig auf die Füße treten müssen - so lange, bis sie 2006 endlich eingeweiht werden konnte. Die ersten fünf Jahre seiner Amtszeit waren geprägt von Renovierungsarbeiten in den Klassenzimmern und Brandschutzmaßnahmen, was ihm das Gefühl gab, einen »imaginären Bauhelm« zu tragen, erzählt er schmunzelnd.

Auch die Flüchtlingskrise 2014/2015 stellte die Schule und ihre Mitarbeitenden vor große Herausforderungen. Wie kann man anderssprachige Geflüchtete schulisch unterstützen? »Es herrschte Ratlosigkeit«, bringt Kandler die Situation auf den Punkt. Doch der mutige Einsatz, die Mehrarbeit und das Miteinander von Verwaltung, Lehrkräften und Schulsozialarbeitern trugen schließlich Früchte: Die erste Flüchtlingsklasse in Tübingen wurde gegründet. Diese wichtige Integrationsleistung bot den betroffenen jungen Menschen Orientierung und Halt. So bezeichnet Bernhard Kandler die Mathilde-Weber-Schule stolz als eine »Schule der zweiten Chancen«.

Wer war Mathilde Weber?

Mathilde Weber wurde 1829 in Tübingen geboren. Sie erhielt eine für die damalige Zeit für Mädchen außergewöhnlich gute Bildung durch ihre Eltern. Getreu dem Motto »Lasse man uns doch lernen« setzte sie sich fortan stark für die Rechte von Frauen und deren Bildungswege ein. Ihre Überzeugung, dass Bildung und Erziehung geeignet sind, gesellschaftliche Verbesserungen herbeizuführen, zeigt sich in der Fülle ihrer Engagements. So war sie unter anderem Mitbegründerin eines Sanitätsvereins, half dabei Wohnheime für alleinstehende Frauen zu erschaffen und wirkte an der Gründung der Tübinger Frauenarbeitsschule mit, die heute nach ihr benannt ist. Für ihre Arbeit wurde sie 1899 von der Stadt Tübingen als »Wohltäterin der Stadt« geehrt. (GEA)

Der Start ins Jubiläumsjahr gibt Anlass zur Rückbesinnung. Doch auch einen Blick in die Zukunft möchte Dr. Jörg Wörle-Knirsch, aktueller Schulleiter, riskieren. Wie könnte die Mathilde-Weber-Schule ihr 200-jähriges Bestehen feiern? Technologien und Künstliche Intelligenz könnten dann ebenso zum Alltag gehören wie virtuelle Realität und hybrides Lernen, mutmaßt Wörle-Knirsch. Neue Fächer wie Nachhaltigkeit oder virtuelle Ethik seien denkbar. Wandel stehe bevor. Eines werde aber mit Sicherheit zentral bleiben, da ist sich der Schulleiter sicher: »Die Bedeutung zwischenmenschlicher Beziehungen«. So werde die Mathilde-Weber-Schule trotz aller Dynamik und Fortschritt weiterhin »ein Ort des Lernens, der Begegnung und der Gemeinschaft« sein - ganz im Geiste der Schule und deren Namensgeberin Mathilde Weber. (GEA)