OFTERDINGEN. Die Rottenburger haben den alten römischen Namen Sumelocenna und ein gleichnamiges Museum. Hechingen-Stein präsentiert in seinem Freilichtmuseum die Reste einer großzügig bemessenen römischen Villa rustica. Kirchentellinsfurt kann immerhin in der Illmitzer Straße ein Pfeilergrabmal aus römischer Zeit vorweisen. Besucher fahren in allen drei Fällen hin und schauen sich das an. Was ist mit Ofterdingen? Befand sich dort ein Gutshof?
Schon mehrmals sind im Bereich der Straßenkreuzung Weiherrain/Hafnerstraße Funde aus der Römerzeit entdeckt worden. 1876 wurde nebenan aus der Steinlach sogar eine Statue geborgen – oder das, was davon noch übrig war. Zunächst tippte man auf eine Figur des Gottes Merkur. Inzwischen gehen Fachleute davon aus, dss es sich um den römischen Sonnengott Sol handelte. Kein Bewohner des Olymp wie Merkur, aber immerhin.
Brunnen oder Zisternen?
2017 und 2020 wurden in der Gegend Scherben von Reibschalen, Faltenbechern und reliefverzierter Ferinkeramik (»Terra sigillata«) aufgesammelt. Seither ist das Areal als archäologisches Kulturdenkmal ausgewiesen.
Weil die Gemeinde im Weiherrain ein Kinderhaus baut, waren viele davon ausgegangen, dass die Erde bei der Vor-Untersuchung 2023 einiges an Antikem preisgibt. Vielleicht sogar imposante Reste eines Gutshofs? Und anderes Vorzeigenswertes?
Die Fachleute von Archäologie und Denkmalamt haben den Platz sorgfältig durchforstet und jetzt ihren Abschlussbericht veröffentlicht. Ihr Fazit: »Es konnte massenhaft römisches Fundmaterial geborgen werden, insbesondere Ziegel und Gefäßkeramik.« Das Material war kaum oder gar nicht »verrollt«, befand sich also ziemlich an der Stelle, wo es benutzt oder gelagert wurde. Viele Fragmente seien scharfkantig gewesen und vergleichsweise groß, sagt Marc Heise.

Ungewöhnlich fanden die Fachleute vier brunnenartige Bauwerke – zum Teil nicht gerade sorgfältig gebaut. Zwischen den Steinen zeigten sich Lücken und oft lagen sie auch nicht bündig aufeinander. Als Brunnen oder Zisternen hätten sie innen ausgekleidet sein müssen. Ist dies bloß nicht mehr erhalten? Oder gibt’s einen anderen Grund? Die Fachleute rätseln noch, gehen aber davon aus, dass das Ganze irgendwie zum Aufstauen oder Ableiten des Wassers gedient haben muss. Einfach war dagegen die Sache bei einer Platte aus gebranntem Lehm. Die wurde wohl als Herd- oder Feuerstelle genutzt.
Zutage förderten die sorgfältigen Grabungen eine weitere Statue – wohl auch eine Götter- oder Menschendarstellung, aber ein ziemlich stark beschädigtes Fragment – und 15 Münzen des 2. und 3. Jahrhunderts, darunter ein Silber-Denar des Trajan und mehrere Sesterzen der Faustina der Jüngeren. Das war gängiges Zahlungsmittel, also nicht wirklich selten. Wissenschaftlern helfen solche Funde aber immer bei der Datierung, sagt Doris Schmid.
Römische Straße war in der Nähe
Sehr ansehnlich sind dazu mehrere Spangen oder Anstecknadeln, die die Wissenschaftler unter anderem als »Elbefibel« und »pannonische Trompetenfibel« identifiziert haben und sich auch in einer Schau-Vitrine gut machen würden. Insgesamt wurde weniger Metall gefunden, doch Keramik gab’s in solcher Fülle, dass viele Stücke zwar gereinigt, aber noch nicht »aufbereitet« sind, wie Heise hervorhebt.
Also ist irgendwo dort ein römischer Gutshof gewesen? Heise und seine Kollegen gehen davon aus, sind aber vorsichtig. Bruchstücke von Glasscheiben lassen darauf schließen, dass sie nicht einfach von Lagerbauten, sondern wohl von einem Gutshof stammen. Andererseits könnte es sich bei dem untersuchten Areal um eine Stelle handeln, an der mehrere Handwerker tätig waren. Und Bauschutt ist auch reichlich dabei. »Klar ist auch: Eine römische Straße muss in der Nähe gewesen sein.« Die Suche dürfte also weitergehen, wenn sich wieder eine Gelegenheit dazu ergibt.

Den Bericht von Ute Heuer, Marc Heise und Ann-Kathrin Grolig kann man nun im Jahrbuch der Archäologischen Ausgrabungen nachlesen. Dort findet sich auch ein Bild mit vielen Kleinfunden vom Weiherrain. Die sind durchaus präsentabel. Wie Heise bestätigt, hat man mit der Gemeinde schon mal darübergesprochen, dass man einiges davon später in einer Virtine im fertigen Kinderhaus zeigen könnte.
Ausstellung möglich?
Und eine Schau der römischen Funde im Rathaus oder an einem anderen geeigneten Ort? Das ist durchaus nicht ausgeschlossen. Das Denkmalamt hat zwar keinen Etat für derartige Ausstellungen, aber wenn die Gemeinde die Kosten übernimmt, lässt sich so etwas realisieren.
Der falsche Merkur beziehungsweise der Sonnengott Sol war übrigens jahrelang – richtig beschriftet – im Rathaus zu sehen. Bis man 2011 das Bürgerbüro eröffnete, war er im Foyer ausgestellt. 90 Zentimeter hoch, 40 Zentimeter breit, aus Stubensandstein. Gut 1.800 Jahre alt? Na ja, die angefertigte Kopie war bedeutend jünger, denn das Original blieb wohlverwahrt in Stuttgart im Depot des Landesmuseums. Im Rathaus hält man sich noch bedeckt. Mit einer möglichen Ausstellung hat man sich offenbar noch nicht in einer Weise befasst, dass man jetzt schon etwas einigermaßen Konkretes dazu sagen könnte. (GEA)