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Manchmal sind es nur Kleinigkeiten

TÜBINGEN. Wie stellen sich türkische Migranten ihre Pflege im Alter vor? Was erwarten sie von ihren Angehörigen, von ihren Hausärzten oder vom Pflegedienst? Um diese Fragen geht es in einem Forschungsprojekt, das im Bereich der Allgemeinmedizin an der Tübinger Uniklinik entstanden ist.

Am Dienstag stellte es die Leiterin des Projekts, Andrea Kronenthaler, anlässlich eines fachlichen Gedankenaustauschs über die Gesundheitsversorgung für Menschen mit Migrationshintergrund vor. Professorin Monika Rieger, Leiterin der Koordinierungsstelle Versorgungsforschung an der Medizinischen Fakultät, konnte rund 35 Teilnehmer, darunter Ärzte, Medizin-Studenten, Pflegekräfte oder Vertreter von Patientenorganisationen zu dem wissenschaftlichen Gespräch begrüßen. Eingeladen hatte das Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung.

Bislang haben in Deutschland rund 1,5 Millionen Menschen über 64 Jahre einen Migrationshintergrund. »Es ist eine stark wachsende Gruppe«, verdeutlichte Basri Askin vom Paritätischen Landesverband. »Bis 2030 wird sich die Zahl der älteren Migranten verdoppeln. Auf diesen demografischen Wandel wird sich auch das Gesundheitssystem einstellen müssen.« Damit verbunden ist, dass auch die Zahl der Aufenthalte in Krankenhäusern zunimmt. »Aber wer kümmert sich dann um ältere pflegebedürftige Migranten, wenn sie entlassen werden? Ist es die Familie? Sind es die Nachbarn, Bekannte oder Freunde?«, fragte er und gab zu, es auch nicht zu wissen.

An Bedürfnissen orientiert

An diesem Punkt brachte Askin die Rolle der zahlreichen Migrantenselbstorganisationen (MSO) ins Spiel. Er stellte einige Kooperationsmodelle vor, die durch die Einbeziehung der Gruppen entstanden sind. Ein an Kultur und Bedürfnissen orientiertes Pflegekonzept für türkische Migranten gemeinsam mit Betroffenen und Experten zu entwickeln, ist Ziel des Projekts von Andrea Kronenthaler. »Dabei geht es nicht um die Bevorzugung dieser Gruppe. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die angepasst werden müssen. So groß sind die Unterschiede auch nicht.« Um das geeignete Konzept zu finden, wurden und werden Interviews mit türkischen Migranten der ersten Generation, mit ihren Kindern und Enkeln geführt. Auch Bürgermeister und Landräte oder Pflegeeinrichtungen werden befragt. »Wir versuchen mit unseren Interviews auch, ein Bewusstsein für diese Probleme zu schaffen.«

Kivanc Karacay, Ärztin an der Uniklinik für Psychiatrie und Psychotherapie bietet eine Sprechstunde in türkischer Sprache an. »Der Zugang ins psychiatrische Versorgungssystem für Menschen mit Migrationshintergrund ist in Deutschland dringend verbesserungswürdig.« Barrieren seien oft fehlende Sprachkenntnisse oder das kulturell bedingte unterschiedliche Verständnis von Krankheit. Kivanc Karacay stellte eine Studie vor, in der es um die interkulturelle Kompetenz von Hausärzten ging. »Auch für sie war die sprachliche Verständigung das größte Problem.« (raw)

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