MÖSSINGEN. Sein Gütle zu pflegen, ist des Schwaben Leidenschaft. Die Stadt Mössingen denkt in dieselbe Richtung, geht aber einen leicht anderen Weg: Sie vermittelt Patenschaften für Streuobstwiesenareale an Unternehmer und lässt diese Grundstücke von Mitarbeitern der Firma AiS (Arbeit in Selbsthilfe) pflegen. Jüngst stellte Bürgermeister Michael Bulander die jüngste dieser Verpachtungen vor.
Dabei handelt es sich um ein 1,5 Hektar großes Areal, das der Mössinger Maschinenbau-Unternehmer Nusret Eroglu gepachtet hat. Rund 40 Obstbäume stehen darauf oder wurden jüngst gepflanzt. Alte Sorten sind darunter, etwa der Jakob-Fischer-Apfel oder die Nägelsche Birne. Auf besonderen Wunsch von Eroglu wachsen dort nun auch Quittenbäume.
Ein Brunnen und zwei Bänke für Spaziergänger
Dies ist bereits das zweite Grundstück, das Eroglu gepachtet hat: 2021 übernahm er ein 2,5 Hektar großes Streuobstwiesengrundstück im Bereich des Wanderparkplatzes Linden. Dort ließ er auch einen Brunnen mit einer Sitzmöglichkeit aus Kalkstein bauen, der zur Erfrischung von Spaziergängern aber auch Tieren zur Verfügung steht. An beiden Standorten ließ Eroglu zudem Bänke bauen, um den Ausblick sitzend genießen zu können. Eine Tafel trägt den Namen des Spenders.
Mössingens Bürgermeister Michael Bulander lobte diese Pacht als »Aktion für Generationen.« An diesem Standort im Nabu-Schutzgebiet, wenige Meter vom Mössinger Schützenhaus entfernt, seien Arbeiten ohnehin notwendig gewesen, so Bulander: »Das Areal war schon sehr verbuscht.« 20 alte Bäume wurden entfernt, 18 neue wurden gepflanzt. Um beide Eroglu-Areale kümmert sich nun Landwirt Paul Schlegel aus Talheim.
Bereits 203 Grundstücke über »myBäumle.de« verpatet
Das tut er nicht allein: Mitarbeiter der Mössinger Firma AiS (Arbeit ins Selbsthilfe), die bereits bei den bisherigen Arbeiten halfen, werden künftig auch mit Aufgaben vom Baumschnitt über die Ernte bis zur Grünlandpflege betraut werden, erklärte AiS-Geschäftsführer Marcus Hölz: »Das Obst verarbeiten wir dann in unserer Manufaktur.« Ein weiterer Nutznießer dieses Pachtmodells ist Schäfer Alexander Lausberg, der seine Tiere hier im Sommer weiden lassen kann.
Das Modell, Grundstücke an Paten aus der hiesigen Unternehmerschaft für einen jährlichen Obolus zur Pacht zu überlassen, trug dazu bei, dass sich Mössingen, laut Hölz, zur "heimlichen Streuobsthauptstadt" entwickelt hat. Über die Internetplattform "myBäumle.de" seien bereits 203 Grundstücke verpatet worden, so der Ais-Geschäftsführer. Auf jeder dieser Wiesen stehen üblicherweise zehn Bäume.
AiS als Arbeitgeber auch Nutznießer
Nusret Eroglu übernahm mit seinen beiden Patenschaft die kompletten Kosten für die Pflege und den Erhalt der zusammengenommen vier Hektar großen Streuobstwiesenkulturlandschaft. Dazu gehören unter anderem die Kosten für die Erstpflege der Bäume, das Roden abgängiger Bäume und die Neupflanzung von weiteren 20 Jungbäumen. Und: das Anbringen von Nisthilfen durch AiS-Mitarbeiter.
»Ich wollte meiner zweiten Heimat etwas zurückgeben«, sagte Eroglu, der seine Firma vor 30 Jahren in Mössingen gründete. Der Unternehmer stammt aus der türkischen Großstadt Bursa, im Westen des Landes. Dort habe er bereits dasselbe getan: »Ich habe im Lauf der Jahre etwa tausend Bäume gepflanzt, darunter viele Pinien.« In seiner Heimat gebe es das Sprichwort, dass man Schatten von einem Baum bekomme, weil dieser früher von einem anderen Menschen gepflanzt wurde.
Eroglu denkt bereits daran, die Patenschaft für ein drittes Areal zu übernehmen. Auch dieses Mal habe er bereits ein bestimmtes Grundstück im Blick, sagte der Unternehmer. Es könnte ein Kulturgarten mit exotischen Früchten werden, sagte sein Mitarbeiter Mehmet Pekdemir: »Feige, Kiwi, die chinesische Dattel. Das könnte funktionieren.« (GEA)