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Mössinger Gemeinderat berät fünf Stunden über Haushalt

Finanzielle Situation in Mössingen hat sich weiter verschlechtert. Kreditbudget erhöht sich.

Zu viel Verkehr: Der Antrag der Linken, die Breitestraße zu einer Fahrradstraße zu machen, wurde abgelehnt.  FOTOS: FÖRDER
Zu viel Verkehr: Der Antrag der Linken, die Breitestraße zu einer Fahrradstraße zu machen, wurde abgelehnt. FOTOS: FÖRDER
Zu viel Verkehr: Der Antrag der Linken, die Breitestraße zu einer Fahrradstraße zu machen, wurde abgelehnt. FOTOS: FÖRDER

MÖSSINGEN. Schon im November, bei der Einbringung des Haushalts, war die Lage alles andere als rosig. Mittlerweile hat sich die finanzielle Situation nicht verbessert, sondern weiter verschlechtert. Für die Gemeinderäte also keine gute Basis für die Haushaltsberatung, in der die Verwaltung bemüht war, keine zusätzlichen Ausgaben zuzulassen. Nach knapp fünf Stunden Diskussion und der Behandlung von 23 Anträgen kam jedoch ein beachtliches Ergebnis heraus: Der Haushalt wurde einstimmig beschlossen.

Finanz-Chefin Heidrun Bernhard beschrieb vorab zuerst den Ernst der Lage. Demnach habe sich im Ergebnishaushalt das zunächst geplante Defizit von 2,7 auf 1,3 Millionen Euro reduziert, jedoch bereiteten die Änderungen im Finanzhaushalt Sorgen. Hier sei mit deutlich weniger Einnahmen zu rechnen, weil etwa Zuschüsse vom Land für das Kinderhaus Hinter Höfen in diesem Jahr nicht ausbezahlt würden. Dafür müsse die Stadt aber mit mehr als zwei Millionen Euro zusätzlich an Auszahlungen rechnen, sodass unterm Strich nicht 3,1 Millionen, sondern 3,9 Millionen Euro an Krediten aufgenommen werden müssten.

Planungen eingekürzt

»Der größte Feind der Wünsche ist die Wirklichkeit«, stimmte deshalb Oberbürgermeister Michael Bulander die Fraktionen auf die neue Situation ein: »Wir haben manche Projekte erst gar nicht in den Haushalt aufgenommen und das Budget um 15 Prozent gekürzt.« Die Reduzierung der Kreisumlage sei zwar erfreulich, aber keine wirkliche Einsparung: »Wir haben für den Landkreis einen Fehlbetrag festgelegt, den wir aber in den nächsten Jahren ausgleichen müssen. Das ist nur verschoben.«

Weil die Situation also wahrscheinlich nicht besser wird, wird die Verwaltung eine Haushaltsbegleitkommission einsetzen. Dieser soll jeweils ein Mitglied der fünf Gemeinderatsfraktionen angehören.

Zuvor hatten die Fraktionssprecher ihre grundlegenden Positionen skizziert. »Wir müssen das erhalten, was wir haben. Für Schönes und Neues fehlt uns das Geld«, erklärte Steffen Eissler für die FWV. Weitere Vorhaben müssten noch mehr an ihrer finanziellen Tragfähigkeit gemessen werden. Mössingen habe optimale Bedingungen bei der Kinderbetreuung, aber dafür sei es notwendig, die Eltern angemessen mit Gebühren zu beteiligen, forderte Eberhard Heinz (CDU). Entscheidend für die Zukunft seien Investitionen in digitale Prozesse. Diese könnten langfristig Kosten sparen.

Klimawandel muss mitgedacht werden

Von den Herausforderungen der Zukunft sei an vorderster Stelle der Klimawandel zu nennen, betonte Arno Valin (SPD). Weitere Aufgaben seien die Sicherstellung von bezahlbarem Wohnraum, die Förderung des sozialen Miteinanders und die Unterbringung und Integration Geflüchteter. »Was ist das für eine Zeit?«, fragte Katharina Matheis (Grüne). »Hollywood ist abgebrannt, jedes Jahr Hochwasser, und in unserer Stadtmitte ist es manchmal unerträglich heiß.« Deshalb müsse der Klimawandel immer mitgedacht werden. Drei Prämissen für kommunalpolitisches Handeln formulierte Claudia Jochen (LiSt): Einsparungen durch Prioritätensetzung, Erschließung brachliegender Einnahmequellen und die Mitnahme eines möglichst großen Teils der Bevölkerung bei allen kommunalen Entscheidungsprozessen.

Bei der Beratung der Anträge war ein Punkt schnell erledigt. Sieben Prozent solle die Verwaltung bei sich einsparen, forderte die CDU. Nachdem OB Bulander vorab aber erklärt hatte, dass die Budgets schon um 15 Prozent gekürzt worden seien, verzichtete Eberhard Heinz auf eine weitere Diskussion.

- Talheim

Für die unübersichtliche Ausfahrt am Feuerwehrhaus beantragte die FWV eine Warnanlage für rund 8.000 Euro. Das ist allerdings eine Aufgabe des Landkreises, und der will nicht. »Ich warne davor, Aufgaben übergeordneter Behörden zu übernehmen«, sprach sich OB Bulander dagegen aus. »Aber was ist, wenn die Feuerwehr im Ernstfall einmal nicht ausrücken kann?«, gab Ortsvorsteher Elmar Scherer (FWV) zu bedenken. Am Ende stimmte der Gemeinderat zu bei einer Gegenstimme vom OB.

Unproblematisch war die von der FWV geforderte Erstellung eines Energie- und Wärmekonzepts für die Andeckschule, die im Moment noch von einer 30 Jahre alten Ölheizung versorgt wird. »Das stimmt mit dem überein, was die Verwaltung will«, erklärte Baubürgermeister Martin Gönner. Eine Abstimmung war nicht notwendig.

»Das ist erklärlich, aber ist das die wichtigste Aufgabe?«, fragte sich Gönner beim FWV-Antrag zum Einbau einer barrierearmen Toilette in der Aussegnungshalle bei der Bergkirche in Talheim. Elmar Scherer hielt dagegen: »Wir haben kein einziges behindertengerechtes öffentliches Klo in Talheim. Das ist ein unhaltbarer Zustand.« Doch auch Michael Bulander war dagegen: »Muss das sein, dass wir dafür jetzt 70.000 Euro einstellen? Da läuft doch keiner hoch.« Der Kompromiss: Das Bauamt ermittelt die Kosten, dann wird beim nächsten Haushalt erneut diskutiert.

- Öschingen

Finanzmittel für die Planung zur Herstellung einer Arztpraxis in den Räumen der ehemaligen Volksbank in der Ortsmitte beantragte die FWV. »Wir werden keine Praxis einrichten, sondern nur die Räume so herrichten, dass ein Arzt eine Praxis einrichten kann«, stellte Bulander klar. Mittel für Planungen seien aber nicht notwendig. Besser sei es, die Ortsverwaltung nach unten in die ehemaligen Bank-Räume zu verlegen und die Voraussetzungen für eine Arztpraxis dann oben in den heutigen Räumen der Verwaltung zu schaffen.

»Aber gerade dann braucht man doch eine Planung«, zeigte sich Ortsvorsteher Wolfgang Eißler (FWV) irritiert. Der Kompromiss: Die Verwaltung legt dem Gemeinderat ein Konzept vor, und der entscheidet dann, was nächstes Jahr passieren soll.

Bei einer Gegenstimme und vier Enthaltungen beschloss der Gemeinderat, noch einen neuen Vorhang für die Tribüne in der Turn- und Festhalle zu spendieren. Der alte sei schon so dünn, dass man hindurchsehen kann, hatte Wolfgang Eißler erklärt.

- Baumaßnahmen

Die Stadt solle ältere Gebäude nicht verkaufen, sondern sanieren und vermieten, denn Erlöse aus einem Verkauf seien endlich, beantragte die FWV. »Da kommen wir an unsere Grenzen«, wandte OB Bulander ein. Er wollte das im Einzelfall behandelt wissen: »Wenn wir ein Gebäude verkaufen wollen, müssen wir ohnehin in den Gemeinderat.« Kein Fall für eine Abstimmung.

Ebensowenig wie der FWV-Antrag, die Ausweisung von Gewerbegebieten vorzuziehen. »Da müssen wir in der Tat etwas tun«, stimmte Bulander zu, »aber mit dem Vorziehen kommen wir nicht weiter. Wir sind da an Vorgaben und Fristen gebunden«, etwa die Änderung des Flächennutzungsplans. Grundsätzlich müsse man sich aber überlegen, ob es sinnvoll sei, Gewerbeflächen in allen Ortsteilen auszuweisen: »Wenn es aus dem Ort heraus Bedarf für eine Erweiterung gibt, dann ja.« Bulander sagte zu, wenigstens mal einen Zeithorizont aufzuzeigen für die Gebiete, die in der Diskussion oder schon im Verfahren sind.

Ein Lieblingskind der CDU ist das Mühlegärtle, das wegen des großen Zuspruchs aus der Bevölkerung erweitert werden sollte. »Es geht zunächst nicht um Geld, sondern nur um eine Anfrage beim Planungsbüro, wie die Umgestaltung weitergeführt werden könnte«, erklärte Judith Rexer. Damit stieß sie aber auf Widerspruch bei anderen Fraktionen. »Bevor wir am Mühlegärtle etwas machen, sollten wir eher an Straßen und Wege gehen«, widersprach Steffen Eissler. Auch Arno Valin war dagegen: »Eine gute Sache, aber wir hätten noch viele andere Sachen.« Am Ende waren CDU und Grüne dafür, die Mehrheit dagegen.

- Straßen

Über die Forderung der FWV nach einem Konzept für die Instandhaltung von Verbindungs- und Wirtschaftswegen wurde nicht abgestimmt. »Wir bündeln den gesamten Tiefbau und schauen nicht auf Einzelprojekte«, erklärte Martin Gönner. »Dafür stehen insgesamt mehr als drei Millionen Euro bereit.« Mit dem Hinweis auf diese Summe hatte sich auch die Forderung der FWV erledigt, die – Stand 2019 – geschätzten notwendigen 1,5 Millionen Euro pro Jahr für die Erhaltung der Straßeninfrastruktur an die heutigen Baukosten anzupassen.

Dies sei ein Thema für die Haushaltsbegleitkommission, verwies OB Bulander auf die Möglichkeit, das Thema weiter zu behandeln. Damit war auch die SPD zufrieden, die 275.000 Euro zusätzlich beantragt hatte für die Sanierung von Gemeindestraßen, Radwegen und Brücken.

- Verkehr

Einen alle Verkehrsarten umfassenden Mobilitätsplan beantragte die SPD. Zusätzlich solle zur Begleitung ein Beirat eingerichtet werden und zur Sicherstellung des Projekts eine Personalstelle im Rathaus. »Einen Mobilitätsplan brauchen wir und wollen daran auch die Bürger beteiligen«, versicherte der OB. »Wir brauchen aber keinen Beirat als Gremium, das dem Gemeinderat sagt, was er zu tun hat.« Die Personalstelle könne in den Stellenplan aufgenommen werden, ohne monetär hinterlegt zu sein. Volker Gurski (FWV) und Eberhard Heinz sprachen sich dagegen aus, eine neue Stelle vorzusehen. Während der Mobilitätsplan einstimmig beschlossen wurde, lehnte der Gemeinderat den Beirat wie die Personalstelle mehrheitlich ab.

Auch der Antrag der Linken, die Breitestraße als Fahrradstraße auszuweisen, fand keine Mehrheit. »Wir haben hier viele Autos und fünf Buslinien. Der Radverkehr spielt dagegen eine untergeordnete Rolle«, berichtete Klaus Preisendanz, Fachbereichsleiter Verkehr, im Rathaus. Für den OB war deshalb klar: »Wir können keine Hauptverbindungsachse zur Fahrradstraße machen.« Ergebnis: Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt. So wie der Antrag von Linken und Grünen auf Tempo 30 am Südring.- Parken

Was bringt eine Parkraumbewirtschaftung in die Kasse? Die Frage hätten die Grünen gern geklärt gehabt. So einfach ist das nicht. »Das ist ein sehr komplexes Thema. Das können wir nicht leisten«, wandte Martin Gönner ein. Und es widerspricht laut Bulander den Zielen für die Innenstadt: »Das hat massive Auswirkungen auf den Handel, den wir gerade in diesen Zeiten des Umbruchs unterstützen wollen. Mit dem kostenlosen Parken wollen wir uns abgrenzen gegen Tübingen und Reutlingen. Balingen hat es so geschafft, seine Innenstadt zu beleben.« Und die Prüfung, ob das rentabel sei, koste 80.000 bis 100.000 Euro. In Dußlingen, erklärte Elmar Scherer, sei die Parkraumbewirtschaftung ein Zuschussgeschäft. Das Thema, fand Steffen Eissler, könne man im Zusammenhang mit dem Mobilitätsplan noch einmal diskutieren. Mit großer Mehrheit wurde der Antrag abgelehnt wie auch der Antrag der Linken, die eine Parkraumbewirtschaftung beantragt hatte. Im Zusammenhang damit wollten Linke und Grüne auch die Reduzierung des kostenfreien Parkens im Parkhaus Stadtmitte von zwei Stunden auf eine halbe Stunde. 9.000 Euro an Gebühren nimmt die Stadt dort im Jahr ein, aber 60.000 Euro muss sie nach Angaben der Linken immer noch drauflegen. Auch dieser Antrag wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Aus Gründen der Schulwegsicherheit beantragte die Linke, die Parkplätze vor der Langgaß-Schule in der Lange Straße aufzuheben. Allerdings sei bisher nichts bekannt über Unfälle, betonte Bulander. Deshalb: Antrag abgelehnt.

- Kinderbetreuung

Zuschüsse für die Tageseltern, die Kinder aus Mössingen betreuen, beantragten die Grünen. Was OB Michael Bulander ausdrücklich begrüßte, »weil wir auf die Tagespflege angewiesen sind«. Allerdings sei der Landkreis gerade dabei, eine einheitliche Regelung für alle Gemeinden auszuarbeiten. Das bezahle dann der Kreis und werde von den Gemeinden über die Kreisumlage finanziert. »Der Kreis«, versicherte Bulander, »soll das noch in diesem Jahr beschließen. Deshalb sollten wir jetzt nicht eine so großzügige Förderung beschließen, die wir dann nicht mehr wegkriegen.« Die Grünen zogen den Antrag daraufhin zurück.

- Fair-Teiler

Die Ausstellung eines Fair-Teilers beantragte die CDU, um etwas gegen die Verschwendung von Lebensmitteln zu unternehmen. Die Stadt sollte die Investition übernehmen, der Verein Foodsharing den Betrieb. Bulander war grundsätzlich dafür, wollte das nicht zu einer öffentlichen Einrichtung machen: »Wir haben dann die Verkehrssicherungspflicht und müssen auch den Winterdienst übernehmen.« Dies zeige, so Marc Eisold, »wie verrückt reguliert wir in Deutschland sind«. Man soll das doch auf Vereinsebene machen mit der Bitte, nicht jede Vorschrift zu kontrollieren. Auch Bulander konnte sich eine Lösung auf Basis des Vereins vorstellen: »Wir sagen einen Festzuschuss zu. Dann sind wir aus der Nummer aus.« Auf Antrag der CDU wurden 3.000 Euro Zuschuss beschlossen.

- Transparenz

Um den Bürgern mehr Einblick in die Arbeit des Gemeinderats zu geben, regten Grüne und Linke an, die Sitzungen per Streaming live zu übertragen. »Eine gute Sache«, fand Bulander, »aber die rechtlichen Vorgaben liegen noch nicht vor. Wir müssten jedes Mal bei allen im Sitzungssaal die Einwilligung einholen. Tübingen hat das deshalb wieder abgeschafft.« Nicht notwendig, fand Steffen Eissler: »Jeder kann in die Sitzung kommen, wenn er will.« Auch Arno Valin gefiel der Antrag nicht: »Das suggeriert, dass wir nicht transparent wären. Das stimmt aber nicht. Jeder kann kommen.« Mit großer Mehrheit wurde der Antrag abgelehnt.

Auch der zweite Teil des Antrags, das Abstimmungsverhalten der Fraktionen zu veröffentlichen, fand keine Mehrheit. »Wir müssten dann jede Abstimmung namentlich machen«, erklärte der OB. »Das dient nicht dem Zusammenhalt.«

Am Ende gab es trotz vieler Anträge wenig Veränderungen gegenüber dem Entwurf. Eine allerdings schon: Die geringen Mehrausgaben reichten aus, um den Kreditbedarf auf vier Millionen Euro steigen zu lassen. (GEA)