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Mössinger DB-Agentur bleibt ein weiteres halbes Jahr

Stefan Blum betreibt seine Mössinger DB-Agentur ein weiteres halbes Jahr. Weiterhin keine Langzeitlösung.

In Mössingen halten die Züge der Interregio-Express-Linie sowie der Regionalbahnen (im Bild).  FOTO: MEYER
In Mössingen halten die Züge der Interregio-Express-Linie sowie der Regionalbahnen (im Bild). FOTO: MEYER
In Mössingen halten die Züge der Interregio-Express-Linie sowie der Regionalbahnen (im Bild). FOTO: MEYER

MÖSSINGEN. »Das kennen Sie ja schon. Ich möchte wieder nach München«, scherzt Gabriele Dettweiler. Ihre Fahrkarte kauft sie gerade am Schalter der Mössinger DB-Agentur von Stefan Blum. »Mein Neffe wird 18«, sagt sie. Ihre Wunschverbindung hat die 73-jährige Ofterdingerin ausgedruckt und sogar einen Schnäppchen-Preis von 23,90 Euro je Fahrtrichtung ergattert. »Ich könnte auch per PC buchen, es ist aber genial, dass es hier einen Verkauf gibt. Ich bin immer sehr zufrieden«, sagt sie. 

Der 34-jährige Mössinger unterstützt seit acht Jahren seine Kunden dabei, sich im Chaos der Tarif- und Sonderangebote und Schienenersatzverkehre zurechtzufinden. Die Agentur hat einen besonderen Charme. Im gleichen Raum befindet sich noch ein kleiner Kiosk, den Blum jedoch nicht betreibt. Dort gibt es Kaffee und kalte Getränke. Allerlei Zusammengesammeltes von Diddl-Kuscheltieren, über Playmobil-Spielzeug, über Bücher bis hin zu Schuhen kann man erwerben. Ein rustikal verziertes Kanapee bietet Platz für eine kleine Verschnaufpause. All das trägt zu einer Wohnzimmer-Atmosphäre bei.

»Meine Provisionen sind um 50 bis 60 Prozent zurückgegangen«

Doch bald könnte, zumindest mit dem Fahrkartenverkauf Schluss sein. Seit Mai kann man deutschlandweit mit dem 49-Euro-Ticket durch ganz Deutschland fahren. Ein Gewinn, vor allem für Pendler. Jedoch ein Verlust für Stefan Blum. Denn zahlreiche Ticketkäufe, und somit Provisionen für Blum, fallen dadurch weg. »Meine Provisionen sind seitdem um 50 bis 60 Prozent zurückgegangen. Pendler waren meine Hauptkunden. Für die Beratung selber erhalte ich kein Geld«, sagt er.

Blum ist nicht bei der Bahn angestellt, er ist Freiberufler. Er darf das Deutschland-Ticket nicht verkaufen. Denn das gibt es nur online oder über Abo-Zentren. Blum fühlt sich im Stich gelassen, lässt sich aber nicht abspeisen. Er schrieb an die Deutsche Bahn, wandte sich hilfesuchend ans Landesverkehrsministerium. Jede Seite verwies auf die andere. Jedoch bekommt Blum einen starken Rückhalt aus der Mössinger Gesellschaft. Er wird seine Agentur noch bis Ende Juni betreiben und hofft, dass er eine regelmäßige Unterstützung erhält. »Ich muss gerade finanziell von Monat zu Monat schauen«, sagt er. 

Stefan Blum ist für seine Kunden sechs Tage die Woche im Dienst.  FOTO: NOWARA
Stefan Blum ist für seine Kunden sechs Tage die Woche im Dienst. FOTO: NOWARA
Stefan Blum ist für seine Kunden sechs Tage die Woche im Dienst. FOTO: NOWARA

»Die Bahn ist problematisch, aber die Agentur hier in Mössingen ist unglaublich gut«, findet Hanneli Braungardt. »Ich bekomme hier gute Tipps. Ich hätte online nicht herausgefunden, dass ich, wenn ich zehn Euro mehr zahle, das Ticket stornieren kann.« Die 75-jährige Nehrenerin hat sich tatkräftig für Blum und den Erhalt seiner Agentur eingesetzt. Sie folgte dem Aufruf der Fahrradinitiative Critical Mass Mössingen, die eine Fahrraddemo im September mit etwa 60 Teilnehmern quer durch die Stadt organisiert hatte.

2.300 Unterschriften sammelte die Initiative zusammen, damit die Beratungsstelle für Reisende erhalten bleibt. Der Mössinger Gemeinderat hat darüber hinaus eine Resolution an das Verkehrsministerium verschickt. Genutzt hat das bisher nicht.

Gerade für ältere Leute sei es schwierig, wenn die Bahn verstärkt auf Digitalisierung setze, meint Blum. »Die Probebahncard gibt es auch nur noch als App«, sagt Blum. »Die sollen uns Alte echt mal in Ruhe lassen«, sagt eine Seniorin. Blum nickt verständnisvoll.

Ruhe bewahrt er auch, als eine Familie gestresst seine Agentur stürmt. »Der Zug fährt jetzt. Wir haben noch kein Ticket«, ruft der Mann. Blum bucht die Fahrt schnell.

Warum hält Blum trotz der Unsicherheit an seinem Job fest? »Für die Verkehrswende ist die Bahn extrem wichtig. Die Arbeit mit Menschen gefällt mir sehr. Ich kann ihnen weiterhelfen und sie verlassen den Laden manchmal strahlend vor Freude«, sagt Blum. Seine Agentur sei wie eine Art »Treffpunkt«. Es werde hier nie langweilig. Er erfahre ganz nebenbei viel aus dem Leben seiner Kunden. »Hier haben sich auch schon Freunde wiedergetroffen, die sich für Jahre aus den Augen verloren hatten.« (GEA)