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Lernen in der Landarztpraxis: So bildet Tübingen Hausärzte aus

Seit zehn Jahren arbeitet das Tübinger Institut für Allgemeinmedizin an der Ausbildung von Hausärzten.

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Durch den »Klebeeffekt« hofft man, dass Ärzte im ländlichen Raum bleiben. (Symbolbild) Foto: Rolf Vennenbernd/DPA
Durch den »Klebeeffekt« hofft man, dass Ärzte im ländlichen Raum bleiben. (Symbolbild)
Foto: Rolf Vennenbernd/DPA

TÜBINGEN. Der Hausarzt muss zum Dreh- und Angelpunkt der medizinischen Versorgung werden. Davon ist Stefanie Joos vollständig überzeugt. »Wir steuern sonst auf eine Katastrophe zu«, sagt die Leiterin des Instituts für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung an der Uniklinik Tübingen. Ihr Institut arbeitet mittlerweile seit zehn Jahren daran, dass das auch funktionieren kann.

Viele Hausärzte in Baden-Württemberg stehen vor dem Ruhestand. Nachfolger vor allem für ländliche Praxen zu finden ist schwer. Das Institut hat es sich zur Aufgabe gemacht, Ausbildung, Forschung und Versorgung zusammenzubringen.

Fünf Landkreise kooperieren mittlerweile mit der Uniklinik, 275 Lehrpraxen haben sich akkreditiert. Die Studenten sollen dort den Alltag der Hausärzte in den ländlichen Regionen kennenlernen. Damit verbunden ist auch die Hoffnung, dass manche von ihnen bleiben. Das Institut setzt auf den sogenannten Klebeeffekt: Wer einmal in der Region war, bleibt womöglich für immer.

300 Hausärzte

Seit es das Institut gibt, ist die Zahl der Studenten gestiegen, die sich für die Weiterbildung zum Facharzt in Allgemeinmedizin entscheiden. Im vergangenen Jahr haben 300 Mediziner abgeschlossen. »Das ist gut, aber es reicht nicht«, sagt Joos. Deshalb setzt sie auf klare Vorgaben für Medizinstudenten: »Wir können das nicht dem freien Markt überlassen. Die Zahlen müssen vorgegeben werden.«

Die Hausarztpraxis der Zukunft sieht Joos als Team. Andere Berufsgruppen könnten beispielsweise Aufgaben wie Präventionsgespräche übernehmen.

Hausärzte ausbilden, praktizierende Allgemeinmediziner fit für die Zukunft machen – das ist nur eine der Aufgaben des Instituts. Vor zehn Jahren ging es mit der Berufung von Stefanie Joos an den Start. Mittlerweile kamen zwei Professuren hinzu.

So beschäftigt sich Holger Cramer in erster Linie mit der Wirksamkeit von Komplementärmedizin. Gemeint sind dabei Behandlungsmethoden wie Yoga, Meditation oder Akupunktur, die ergänzend zur Schulmedizin angewandt werden. Am Institut wird ihre Wirksamkeit nach streng wissenschaftlichen Standards überprüft. Ziel ist es, dass die wirklich sinnvollen Methoden von den gesetzlichen Krankenkassen mitfinanziert werden.

Vor drei Jahren kam dieses Forschungsfeld dazu. Ein Ergebnis kann Cramer schon vorweisen: Yoga könne anhaltende Linderung bei bestimmten Schmerzen bringen, sagt der Medizinprofessor. Hilfreich ist die Technik auch bei Stress und Depression. Das haben wissenschaftliche Studien gezeigt.

Die dritte Professur am Institut beschäftigt sich mit dem Aufbau eines hausärztlichen Forschungspraxennetzes für Baden-Württemberg. Es ist der Schwerpunkt von Cornelia Henschke. Alle Daten rund um die gesundheitliche Versorgung der einzelnen Patienten sollen dort gesammelt werden, um Qualität und Effizienz im Gesundheitswesen nachhaltig zu verbessern.

Was hierzulande noch Neuland ist, gehört in anderen europäischen Ländern schon zum Alltag. (iwa)