KUSTERDINGEN. Tausende Fahrzeuge fahren jeden Tag über die B28 bei Kusterdingen. Die Landesanstalt für Umwelt hatte es sich 2023 zur Aufgabe gemacht, Hauptverkehrsstraßen zu analysieren. Deswegen ist auch die Gemeinde verpflichtet, einen Lärmaktionsplan zu erstellen. Kusterdingen hatte sich dazu entschieden, zusätzlich auch die Bereiche an den Kreisstraßen durch die Ortschaften zu untersuchen. Die Gemeinde kann selbst nicht über ein Tempolimit in ihren Ortsdurchfahrten entscheiden, denn die Kreisstraßen fallen in den Bereich der Straßenverkehrsbehörden des Landratsamts.
Durch die Härten-Orte soll es in Zukunft langsamer und ruhiger zugehen. Das ist der Wunsch der Ortschaftsräte und des Gemeinderats. Diesbezüglich war man sich weitgehend einig. Doch die Diskussion am Mittwochabend in der Gemeinderatssitzung geriet dennoch hitzig. Denn es stellte sich gleich zu Beginn die Frage: Wer ist eigentlich befangen? Bürgermeister Jürgen Soltau hatte am Nachmittag von der Kommunalaufsicht ein Schreiben erhalten, in dem Anlieger deswegen darum gebeten wurden, »freiwillig nicht an der Diskussion und an der Abstimmung teilzunehmen«. Dies hatte er an die Räte weitergeleitet. Manche blieben deswegen der Sitzung fern. Der Mähringer Ortschaftsrat war somit nicht beschlussfähig. Die Zweischneidigkeit des Ganzen: Stimmen Räte ab, die als befangen eingestuft werden könnten, gilt der Beschluss nicht. Aber er wäre auch ungültig, wenn Soltau Räte, die letztendlich doch stimmberechtigt wären, des Saales verwiesen hätten.
Wann gilt man als befangen?
Der Immenhäuser Ortschaftsrat Eberhard Braun (Freie Wähler) meldete sich empört zu Wort und ärgerte sich über die sehr kurzfristige Info und die Auslegung der »Befangenheit«. Daraufhin wuchs eine Debatte an: Ist man auch befangen, wenn Familienangehörige in den betroffenen Straßen wohnen? Wie nah müsste man an der Straße wohnen? Profitieren nicht sowieso alle, die auf den Straßen unterwegs sind und sind sie damit befangen? Jürgen Soltau schlug vor, einfach abzustimmen. »Seit 22 Jahren setze ich mich für Tempo 30 durch die Ortschaften ein«, sagte der Bürgermeister. Mit dem Lärmaktionsplan gebe es nun ein Werkzeug, um das endlich durchzusetzen.
Janne Hesse vom mit dem Lärmgutachten beauftragten Freiburger Ingenieurbüro Rapp AG hatte bereits im Februar die Lärmkartierungen vorgestellt. Die Werte sind berechnet und nicht gemessen worden. Der Aufwand sei dafür zu groß. Sie empfahl unter anderem die Geschwindigkeit auf der B 28 entlang der Kusterdinger Markung ganztags auf Tempo 100 zu senken. Insbesondere nachts werden Lärmschutz-Werte an der B 28 bei Jettenburg, trotz der Lärmschutzwand, kritische Werte überschritten. Es soll bei angrenzenden Straßen »Lückenschlüsse« geben, damit die Höchstgeschwindigkeit nicht ständig wechselt. Tempo 100 soll so etwa auch an den Auffahrten zur Kreisstraße nach Wankheim beziehungsweise nach Kusterdingen und an den Auf- und Abfahrten zur Carl-Zeiss-Straße/Allmendstraße eingerichtet werden.
Gesundheitsgefährdende Lärmwerte
Im Lärmaktionsplan geht es auch darum, ob und wie die Gemeinde auf den Kreisstraßen K 6903 durch die Ortsdurchfahrten Kusterdingen (östlicher Bereich), Wankheim, Mähringen und Immenhausen, sowie auf der K 6907 durch Mähringen Tempo 30 durchsetzen kann. Insbesondere ist die Härtenstraße durch Immenhausen von Lärm belastet. Hier wurden Werte von mehr als 70 Dezibel tagsüber und mehr als 60 Dezibel nachts ermittelt. Das bewege sich im Bereich der Gesundheitsgefährdung. Bei der nächsten Baumaßnahme sollten in allen Bereichen ein lärmmindernder Fahrbahnbelag eingebaut werden. An den Kreisstraßen durch Wankheim und Mähringen ist dies bereits geschehen. »Ein Anwohner hatte mir gesagt, dass er, seit bei ihm vor der Straße Tempo 30 gilt, er endlich wieder ruhig schlafen kann«, hob Wankheims Ortsvorsteher Michael Gassler (Freie Wähler) hervor.
Ein weiteres Plus bei Tempo 30: Die Verkehrssicherheit erhöht sich deutlich. Radfahrer werden besser geschützt. Fußgänger können die Straßen sicherer überqueren. »Das Risiko tödlicher Verletzungen bei einem Unfall sinkt bei Tempo 30 statt Tempo 50 um 75 Prozent. Bei Tempo 40 sinkt es nur um 50 Prozent«, stellte Hesse vor. »Der Stoß von einem Auto, das mit 50 im Vergleich zu 30 km/h unterwegs ist, ist dreimal so stark«, gab Soltau zu bedenken. Der Zeitverlust hingegen betrage auf den Strecken nur wenige Sekunden. Im Bereich der B28 bei Jettenburg wären es höchstens 14 Sekunden.
Geschwindigkeitsdisplays gibt es in allen Orten. Die Geschwindigkeit sollte dennoch kontrolliert werden, meinte Hesse. Auf Wunsch des Gemeinderats wurde auch geprüft, ob Tempo 40 eine Alternative sei. »Der Lärm würde nicht wesentlich reduziert werden. Es würde auch den Verkehrsfluss stören, da wir in einigen Bereichen bereits 30er-Zonen haben«, nannte Hesse einige Gründe. Susanne Bailer (Freie Wähler) merkte an, dass aus so dem Schleichverkehr durch die Härten entgegengewirkt werden könnte. Adam Dürr (Freie Wähler) brannte das Thema »Parken an den Durchgangsstraßen« unter den Nägeln. Doch Soltau bat darum, dies auf die nächste Sitzung zu verschieben, um die Abstimmung nicht noch komplizierter zu machen.
Der Entwurf des Lärmaktionsplan wurde mit nur wenigen Gegenstimmen beschlossen und die Verwaltung mit der Umsetzung beauftragt. (GEA)