Logo
Aktuell Vielfalt

Kusterdinger Schüler debattieren über Rassismus und die AfD

Veranstaltung im Blaulach-Gymnasium zusammen mit dem Initiativkreis »Mensch sein auf den Härten«.

Von links:  Schüler Daniel Grützmacher,  Ursula Kannenberg, Birgit Wahr und Rolf Frankenberger. FOTO: LEISTER
Von links: Schüler Daniel Grützmacher, Ursula Kannenberg, Birgit Wahr und Rolf Frankenberger. FOTO: LEISTER
Von links: Schüler Daniel Grützmacher, Ursula Kannenberg, Birgit Wahr und Rolf Frankenberger. FOTO: LEISTER

KUSTERDINGEN. »Gerade für uns ist es wichtig, für Demokratie und Vielfalt die Initiative zu ergreifen«, betonte eine von vier engagierten Schülerinnen und Schülern im Kusterdinger Evangelischen Blaulach-Gymnasium auf Einladung der Schule sowie des Initiativkreises »Mensch sein auf den Härten«. Ein Schüler betonte: »Rassismus ist präsent, auch hier, auch an unserer Schule.« Bei einer am Gymnasium durchgeführten »Junior-Wahl« landete die AfD auf dem zweiten Platz. »Überrascht hat uns das nicht, aber dennoch erschreckt«, sagte Birgit Wahr als Schulleiterin auf dem Podium. Natürlich sei es falsch, nun mit dem erhobenen Zeigefinger zu drohen. »Wir müssen unsere Schüler inhaltlich über die Positionen der AfD aufklären«, so Wahr. Ob denn die Wahl der AfD mit ihren rechtsextremistischen, ausgrenzenden und rassistischen Positionen im Widerspruch zum christlichen Glauben stehe, wollte Moderator Michael Faiß von Ursula Kannenberg wissen, der Pädagogischen Geschäftsführerin der Schulstiftung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.

»Wir erleben in unserer Gesellschaft, dass die Menschen nicht mehr miteinander reden«

Die Antwort stehe doch eindeutig in der Bibel, dass alle Menschen gleich sind. Ebenso wie die Aufforderung »liebe deinen Nächsten wie dich selbst«. Die Konsequenz könne deshalb nur lauten: »Die AfD ist für Christen nicht wählbar«, so Kannenberg. Daniel Grützmacher sprach sich als Kusterdinger Gymnasiast dafür aus, bei einer eventuellen Wahlveranstaltung an der Schule die AfD nicht einzuladen. Warum nicht? »Ein inhaltlich sinnvoller Austausch ist mit der AfD nicht möglich.«

Dem widersprach allerdings Dr. Rolf Frankenberger auf dem Podium: »Schulen sollten sich mit extremistischen Positionen auseinandersetzen, also auch mit dem Parteiprogramm der AfD«, betonte der Leiter des Instituts für Rechtsextremismusforschung an der Uni Tübingen. Nur so könnten ausgrenzende und rassistische Haltungen der AfD aufgezeigt – und vor allem auch die Konsequenzen verdeutlicht werden. Kannenberg sah das ähnlich: »Wir erleben in unserer Gesellschaft, dass die Menschen nicht mehr miteinander reden, alle sich nur noch in ihrer eigenen Bubble bewegen.« Gerade an Schulen aber träfen alle Positionen aufeinander, »es ist eine große Herausforderung, all das auszuhalten, aber auch eine große Chance«.

Bevor die vier Personen auf dem Podium die Fragen der rund 50 Interessierten beantworteten, hatte Initiativkreis-Sprecher Bernd Siegele an die Kundgebung am 11. März in Wankheim mit 500 Teilnehmern erinnert. »Es soll nicht bei einer Veranstaltung bleiben, wir wenden uns auch weiterhin gegen Ausgrenzung und Hass.« Rolf Frankenberger gab anschließend einen Überblick über die Gefahren für die Demokratie durch den Rechtsextremismus.

Es müsse allerdings differenziert werden: Alles rechts der Mitte zu verdammen, sei falsch. »Dann können sich Konservative ausgeschlossen fühlen«, so Frankenberger. Die Extreme Rechte hingegen stelle die Menschenwürde und die Gleichheit der Menschen infrage – gleichzeitig würden Minderheiten diskriminiert.

»Das ist alles die gleiche altbekannte braune Soße, nur in anderen Flaschen«

Wie sich Rechtsextremismus heute zeige? Die Dekadenz der liberalen Welt werde angeprangert, Menschenrechte seien hohle Phrasen, Völkervermischung führe zum Genozid – »Das ist alles die gleiche altbekannte braune Soße, nur in anderen Flaschen«, so Frankenberger.

Die Strategien der Neuen Rechten seien zum Teil sehr perfide, »die sind ja nicht doof, zumindest nicht alle«. Ihre Präsenz in den neuen Medien (vor allem auf Tiktok) sei sehr intelligent gemacht. Allerdings müssten alle anderen in der Gesellschaft sich auch an die eigene Nase fassen: Die überall vorhandenen Vorurteile seien Anknüpfungspunkte für den Rechtsextremismus. »Stereotype der Menschenfeindlichkeit« gebe es in allen Gesellschaftsschichten – »das ist politisch instrumentalisierbar«, so Frankenberger.

Extrem erschreckend sei die Zunahme von politisch motivierter Kriminalität in Deutschland: 2023 seien 60.000 Fälle registriert worden, rund 29.000 aus der rechten Ecke. Linksextremismus schlug mit 7.777 Fällen zu Buche. Ebenfalls sehr bedenklich: »Allein in Baden-Württemberg sind rund 1,4 Millionen illegale Waffen unterwegs«, so der Rechtsextremismusforscher. Schulleiterin Birgit Wahr bedankte sich abschließend bei allen Veranstaltungsteilnehmern, bei Frankenberger für einen »gruseligen Vortrag«. (GEA)