KUSTERDINGEN. Ein Streichkonzert größeren - und teilweise disharmonischen - Ausmaßes haben die Gemeinderäte von Kusterdingen am Mittwochabend in einer fast fünfstündigen Marathonsitzung veranstaltet. Dabei stand auf der Tagesordnung der öffentlichen Sitzung nur ein einziger, Bürgermeister Jürgen Soltau zufolge aber »sehr gehaltvoller« Punkt: der kommunale Haushaltsplan fürs laufende Jahr 2025.
Nachdem Kämmerin Heidi Hahn das fast 550-seitige Zahlenwerk zum Gemeindehaushalt und für den Eigenbetrieb Wasserversorgung bereits zu Beginn - etwa in Bezug auf Investitionen in die Ausstattung des Mozartkindergartens und die Feuerwehr sowie kostengünstigeren Alternativen für den Lärmschutzwall bei Jettenburg - zusammengestutzt hatte, setzten die Räte erneut den Rotstift an. Damit reduziert sich der Ergebnishaushalt der 8.965-Einwohner-Gemeinde mit den vier Teilen Kusterdingen, Wankheim, Mähringen und Immenhausen von 3,3 Millionen Euro Fehlbetrag auf ein Minus von 2,7 Millionen Euro. Der Finanzhaushalt weist statt einer Lücke von rund 1,6 Millionen Euro nur noch ein Minus von 1,2 Millionen Euro auf.
Im Würgegriff von Folgekosten und Umlagen
»Schlimm genug«, merkte Bürgermeister Soltau in seiner Haushaltsrede dazu an. An dieser Situation hätten die beiden Großprojekte Neubau Feuerwehr und Kindergarten - samt daraus folgender jährlicher Mehraufwendungen von etwa 400.000 Euro - ebenso ihren Anteil wie die in zwei Jahren »geradezu explodierte« Kreisumlage. Von 3,6 Millionen 2023 stieg die 2024 auf 4,5 und 4,9 Millionen Euro in diesem Jahr. »Das allein erklärt schon vollauf unser Minus im Ergebnishaushalt.« Das Problem seien »hauptsächlich gesetzliche Standards im Sozial- und Jugendbereich«, die den Landkreis ebenso wie seine Städte und Gemeinden »finanziell zu erdrosseln drohen«.
FWV-Rat Siegfried Maier nannte den Haushalt dieses Jahr »furchtbar grauslig«. FDP-Rat Gerhard Mayer hingegen äußerte die Hoffnung, »dass es in eine bessere Zukunft geht. Damit man keine Angst haben muss, dass das, was man aufgebaut hat, wieder zerstört wird.« »Es wird eng«, bilanzierte Jens Deichmann (CDU). Die große Herausforderung bestehe darin, die Kernaufgaben bestmöglich zu erfüllen. Es gehe im Grunde um Zuständigkeit versus Verantwortung. Im Namen von CDU, SPD und Neuer Liste bat er die Verwaltung »höflich um mehr Transparenz« und mahnte die Vorlage der zurückliegenden Jahresabschlüsse an.
Auf Großinvestitionen folgt weitere Neuverschuldung
Gudrun Witte-Borst bekräftigte für die Härtenliste (HL) »den festen Willen, die Gemeinde zukunftsfähig zu gestalten« - selbst in diesen unsicheren Zeiten. Denn »Orientierung und Sicherheit finden die Menschen vor allem in den Familien und der Nachbarschaft«. Auf die »Großinvestitionen der vergangenen Jahre« folge nun eine »Neuverschuldung zur Finanzierung der laufenden Kosten«. Besonders im Hinblick auf die Schulen habe die Kommune Verantwortung für kommende Generationen. Sie rief zur Zusammenarbeit auf, um weiter nachhaltige Projekte voranzubringen und forderte, »endlich den Nachhaltigkeitscheck einzuführen«. Es gelte, Kultur und Engagement zu fördern - liege da doch eine »besondere Stärke unserer Gemeinde«. Ihr Antrag, dem DRK für Krankentransporte 15.000 Euro zuzugestehen, ging mehrheitlich durch. Den von HL-Rat Johannes Ferber vorgebrachten Vorschlag, das 6. Immenklang-Festival wegen einer daran gekoppelten Landesförderung mit 3.500 Euro zu unterstützen, lehnten acht von 17 Anwesenden jedoch ab - und vier enthielten sich.
Elvira Hornung verlas für die FWV die »eher betrüblichen« Anmerkungen des abwesenden Jettenburger Ortsvorstehers Günter Brucklacher. Das bestehende Minus sei zu viel. Also: Zusammenwirken, »um das für den ,Flecken' Notwendige tun zu können«. Dazu stellte sie die zusammen mit CDU, Neuer Liste und SPD ausgearbeiteten Streich-, Kürzungs- und Verschiebungsvorschläge in Höhe von gut einer halben Million Euro vor.
Sparvorschlag oder Einnahmenbremse?
Ergebnis: Sowohl ein neuer Rasentraktor zur Gewährleistung des Winterdiensts (65.000 Euro) als auch das Auto für den Bauhofleiter (35.000 Euro), ein Notstromaggregat für Rathaus und Feuerwehr (60.000 Euro) und die Erschließung neuer Bauplätze im Gebiet »südliche Waldsiedlung« (183.600 Euro) wurden gestrichen. Letzteres, obwohl der Bürgermeister betonte, »das ist kein wirklicher Sparvorschlag!«. Mittelfristig sei das eher eine Einnahmenbremse. Ausgaben zur Erweiterung der Härtenschule werden ins kommende Jahr geschoben und 8.000 Euro für die Dorf-App wurden auf Betreiben von Hornung rigoros gekappt.
Das Vorhaben, auch den lange mit beteiligten Bürgern geplanten Umbau der Kusterdinger Dorfmitte zu beerdigen - für Vera Ambros (HL) war da »der Bogen überspannt«, denn das sei ein »wunderbares städtebauliches Projekt« -, zog Hornung angesichts von 1,8 Millionen Euro Förderung aus dem Landessanierungsprogramm wieder zurück. Die Ausgaben dafür werden nun auf zwei Jahre gesplittet: 150.000 Euro im laufenden Jahr und 115.000 Euro im Jahr 2026.
»Pauschale Minderausgabe« von 325.000 Euro
Erst nach mehrstündigem Ringen legte Härtenliste-Vertreter Josef Göppert gegen Mitternacht noch einen gemeinsamen Antrag von FWV, CDU/NL/SPD und HL auf eine »pauschale Minderausgabe der Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen« auf den Tisch. Auch wenn sich Bürgermeister Soltau dagegen verwehrte, ging die weitere Einsparung von 325.000 Euro - über deren Inhalte die Verwaltung entscheiden soll - mit großer Mehrheit durch.
Den kurzfristig überarbeiteten Plan genehmigten schließlich bei einer Enthaltung von Siegfried Maier (FWV) alle der nach Mitternacht noch anwesenden 15 Gemeinderäte. Der durch Veränderungen bezüglich Baugebietserschließung und Härtenschule auf 220.000 statt 487.050 Euro neu berechnete Wirtschaftsplan für die Wasserversorgung mit einem Saldo von 98.200 Euro wurde einstimmig angenommen. (GEA)