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Kusterdinger Gemeinderat: Lena Kühn darf nicht gehen

Lena Kühn möchte ihr Mandat für den Kusterdinger Gemeinderat weiterhin ablehnen. Nun ist sie aus der Härtenliste ausgetreten. Doch auch das reichte manchen Räten nicht, ihrem Wunsch nachzukommen.

Lena Kühn möchte keine Gemeinderätin sein.
Lena Kühn möchte lieber keine Gemeinderätin sein, obwohl sie im Juni in Kusterdingen gewählt wurde. Foto: Härtenliste
Lena Kühn möchte lieber keine Gemeinderätin sein, obwohl sie im Juni in Kusterdingen gewählt wurde.
Foto: Härtenliste

KUSTERDINGEN. Lena Kühns Position ist eindeutig: »Mir ist es als Mutter von drei Kindern nicht möglich, diese zwei Ehrenämter angemessen auszufüllen«. Sie lehnt weiterhin das Amt der Kusterdinger Gemeinderätin ab. Im Ortschaftsrat Immenhausen möchte sie sich hingegen einbringen. Nach einer emotionalen Debatte in der ersten Sitzung des neu gewählten Gemeinderats im Juli (der GEA berichtete) kam im Gemeinderat am Mittwochabend das Thema wieder auf den Tisch. Und schon wieder kochten die Emotionen hoch. Kühn, 1.351 Wählerstimmen hat sie erhalten, hatte im Juli als Ablehngrund die »Fürsorge für ihre Familie« genannt. Die anderen Ratsmitglieder hatten gegen ihren Wunsch gestimmt.

Auch in der Sitzung am Mittwoch konnte Kühn den Gemeinderat nicht überzeugen. Nun ist sie aus der Wählervereinigung Härtenliste ausgetreten. Der Austritt aus einer Gruppierung gilt laut der baden-württembergischen Gemeindeordnung als »absoluter Ablehngrund« ohne Beurteilungsspielraum. »Mir fehlt das Vertrauen in eine ergebnisoffene Prüfung meines Antrags«, sagte Kühn. »Ich hätte mir auch gewünscht, dass mein Engagement in anderen Ehrenämtern, wie im Gesamtelternbeirat oder im Ortschaftsrat, anerkannt wird.« Das Amt im Ortschaftsrat Immenhausen möchte sie annehmen. Es würde nichts bringen, wenn sie ihr Amt »mehr schlecht als recht« ausüben oder in Sitzungen fehlen oder früher gehen würde.

Eine Sondersitzung muss einberufen werden

Teile der Freien Wähler und der CDU stimmten gegen das Ausscheiden von Kühn aus dem Rat. Sieben Räte stimmten dafür, drei enthielten sich. »Die Ablehnung des Antrags war nicht rechtmäßig. Das wurde Ihnen auch erklärt. Das Ganze wird wohl bei der Kommunalaufsicht landen und wir müssen nochmal eine Sondersitzung einberufen«, sagte Bürgermeister Jürgen Soltau. Große Verwirrung im Raum: »Können wir nicht nochmal über die familiären Gründe abstimmen?«, fragte Joseph Göppert (Härtenliste). Aber: Abgestimmt ist Abgestimmt. »Das ist absurd. Ich gehe«, sagte Kühn und verließ den Ratssaal.

Hauptamtsleiterin Claudia Marinic hatte den Räten vorab erörtert, wie die Ablehngründe behandelt werden müssen. Laut Gemeindeordnung gelte als möglicher Ablehngrund, »dass durch die Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeit in der Fürsorge für die Familie erheblich behindert wird«. Doch was heißt »erheblich behindert«? Hierbei müsse, so Marinic, der Einzelfall geprüft und beurteilt werden. Das sei »etwas zu kurz gekommen«. Es sei in der Sitzung keine detaillierte Begründung formuliert worden. Deswegen musste das Thema erneut aufgegriffen werden.

»Ich weiß, dass die Suche nach Kandidaten schwierig ist. Wir als CDU haben darauf geachtet, dass unsere auch zu 100 Prozent wollen«, gab Jens Deichmann (CDU) zu bedenken. »Mich hätte es gefreut, wenn Frau Kühn gerade als junge Mutter im Rat ihre Einblicke eingebracht hätte. Die Gründe abzulehnen hatte sie ja auch schon vorher. Es gehört zum Verantwortungsbewusstsein, dass man sich die Frage im Vorfeld stellt, ob man zu dem Amt in der Lage ist.« Auch müsse sie als Ortschaftsrätin gewusst haben, dass sie mittwochabends keine Zeit habe.

Auch derjenige, der als Nachrücker auf der Härtenliste für den Wohnbezirk Immenhausen infrage kommt, der ehemalige Politikprofessor Thomas Nielebock, möchte das Amt ablehnen. Er verzeichnet 1.125 Stimmen auf sich. Seine Gründe: sein Alter und sein mehr als zehn Jahre währendes Engagement im Ortschaftsrat Immenhausen. Beides sind laut Gemeindeordnung »absolute Ablehngründe«. Jens Deichmann (CDU) warf ein, dass es auch diese Gründe vor der Wahl gegeben habe. Johannes Ferber (Härtenliste) stellte sich hinter Kühn und Nielebock. »Das ist unsportlich und kindisch, was hier aus Teilen des Gemeinderats veranstaltet wird. Beide Kandidaten sind seit Jahren in der Gemeinde engagiert und weder juristisch noch moralisch anzugreifen«, sagte er.

»Sie sollten sich hier nicht gleich zu Beginn der Amtsperiode die Köpfe einschlagen, wegen eines Themas, das in einem Vierteljahr wieder vergessen ist. Wir sollten hier alle mal runterkommen«, meldete sich Bürgermeister Jürgen Soltau zu Wort. Gerhard Mayer (FDP) sah die Situation eher entspannt: »Wenn einer nicht will, dann will er auch nicht. Die Wähler haben den beiden bestimmt schon verziehen.«

Was sagt die Härtenliste zur Situation? »Natürlich ist das doppelt ungünstig. Die glückliche Situation ist, dass wir auch einen dritten Gemeinderatskandidaten haben, der gut geeignet ist. Burkhard Schall hat mit seinen 1.082 Stimmen, immerhin noch mehr Stimmen, als gewählte Ratsmitglieder von anderen Listen«, sagt Joseph Göppert, Sprecher der Härtenliste. »Wir als Härtenliste erkennen Frau Kühns Gründe an und sehen ein, dass die doppelten Ämter zu einer Überlastung führen. Wir erkennen auch die Gründe von Herrn Nielebocks Ablehnen an.« Das Gesetz schreibe vor, unter welchen Bedingungen eine Wahl angenommen werden muss, aber auch unter welchen Bedingungen sie abgelehnt werden dürfen. (GEA)