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Kultur an die Wand fahren ist in - aber was bringt's?

Wer im Kulturbereich spart, übersieht oft, wie gering deren Anteil am kommunalen Budget ist. Beim Kusterdinger Immenklang-Festival geht es um weniger als 40 Cent pro Einwohner.

Der in Tübingen aufgewachsene Tänzer Jakob Jautz und Anna Stelzner im August 2024 beim »Wasser Memory« des 5. Immenklang-Festiva
Der in Tübingen aufgewachsene Tänzer Jakob Jautz und Anna Stelzner im August 2024 beim »Wasser Memory« des 5. Immenklang-Festivals. Foto: Christoph B. Ströhle
Der in Tübingen aufgewachsene Tänzer Jakob Jautz und Anna Stelzner im August 2024 beim »Wasser Memory« des 5. Immenklang-Festivals.
Foto: Christoph B. Ströhle

KUSTERDINGEN-IMMENHAUSEN. Es gibt Initiativen, die sind so besonders, dass sie weit über einen Ort hinausstrahlen: das Klangbad in Scheer, Bad Ragartz in der Schweiz und das Traena Openair auf einer winzigen Insel im Polarmeer vor Norwegens Küste etwa. Auch das Immenklang-Festival gehört in die Reihe exquisiter Projekte, hinter denen oft idealistische Menschen mit mehr Mut als Geld stehen.

Die aus der Corona-Not geborene Idee zweier Musiker aus Immenhausen, niederschwellig, doch hochkarätig inmitten der Natur ihrer Heimat Konzerte mit befreundeten Künstlern zu bieten, kam in den vergangenen fünf Jahren so gut an, dass »Immenklang« heute für eine Sommerwoche steht, in der das ganze Dorf vor Klang, Kunst und Kreativität brummt. Einige Kusterdinger Gemeinderäte haben das Potenzial solcherlei Strahlens erkannt: Das wärmt auch nach Innen. Sie wollten den Immenklang-Verein mit einmalig 3.500 Euro unterstützen. Als Komplementärförderung hätte das Land dann eventuell 50 Prozent davon draufgesattelt. Das Gros des Budgets läuft eh über Spenden und Sponsoring.

Doch in der Haushaltssitzung fiel das Ansinnen dem allgegenwärtigen Sparzwangs zum Opfer. »Kultur als Lebensmittel« unterlag der »Gleichbehandlung von Vereinen«. Der Vergleich hinkt zwar. Und wer argumentiert, wenn man schon Honorare zahle, gehöre eben Eintritt verlangt, lässt das erklärte Ziel der Teilhabe ebenso außer Acht wie den bürokratischen Aufwand, den Ticketing nach sich zieht: Vorverkauf, Einlasskontrollen, Versicherungen, Steuern, Security. So schnellen Kosten in die Höhe, Geld fließt in anderes als praktizierte Kultur und der Charme eines Graswurzelkonzepts geht flöten.

Sparen auf Kosten der Kultur ist in. Im Großen wie im Kleinen. In Berlin wie in Tübingen oder Kusterdingen gilt: Künstler machen es den Entscheidern vergleichsweise leicht, sind sie doch daran gewöhnt, mit wenig zurechtzukommen, sich auf die eigenen Ressourcen zu besinnen und Tolles irgendwie zu realisieren statt lautstark zu klagen.

Doch in Schieflage geratene Budgets lassen sich mittels Kulturkürzungen nicht sanieren. Im vorliegenden Fall spart die Ablehnung dieses Anträgle pro Kusterdinger Bürger im Jahr weniger als 40 Cent. 3.500 Euro machen im Gemeindehaushalt mit 34,5 Millionen Gesamtausgaben 0,01 Prozent aus. Für die Veranstalter heißt das gegebenenfalls aber: hopp oder top?

Bislang gilt: Das 6. Immenklang bietet von 4. bis 9. August wieder Workshops, Ausstellungen, Performances und Konzerte. Ohne Kusterdinger Zuschuss. Wer 40 Cent übrig hat - oder auch mehr - möge sie spenden. Ganz egoistisch, für den eigenen Genuss dieses wunderbaren Formats. Oder auch des Hinausstrahlens wegen. (GEA)