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Aktuell Kommunalwahl

Kommunalwahl: Kandidieren ja, amtieren nein

KREIS TÜBINGEN. Toll: eine junge Frau im Gemeinderat. Nicht wenige Wähler in Kirchentellinsfurt freuten sich nach der Kommunalwahl, dass sie bei Melanie Armbruster das Kreuzchen an der richtigen Stelle gemacht hatten. Auf der Liste der Freien Wähler sammelte die 27-Jährige, die jüngste Kandidatin war, 773 Stimmen und war mit diesem Ergebnis eigentlich gewählt.

Kandidaten gewählt, die ihr Amt gar nicht antreten dürfen? Nicht jedem Wähler war das klar.
Kandidaten gewählt, die ihr Amt gar nicht antreten dürfen? Nicht jedem Wähler war das klar. Foto: Uschi Pacher
Kandidaten gewählt, die ihr Amt gar nicht antreten dürfen? Nicht jedem Wähler war das klar.
Foto: Uschi Pacher
Doch die wenigsten, die für sie votiert haben, dürften gewusst haben, dass es trotz ausreichender Stimmenzahl einen entscheidenden Hinderungsgrund gibt: Ihr Vater Karl-Heinz Armbruster war wieder Stimmenkönig mit 1 957 Stimmen – und Verwandte dürfen in Gemeinden mit nicht mehr als 10 000 Einwohnern nicht gleichzeitig im Gemeinderat sein. Genauso traf es Kerstin Lamparter in St. Johann. Die 24-Jährige wurde gewählt, kann das Amt aber nicht antreten, weil ihr Onkel ebenfalls gewählt wurde.

Damit soll »Vetternwirtschaft« im wahrsten Sinne des Wortes verhindert werden. Mancher Wähler war daher enttäuscht, dass sein Votum so ins Leere lief. In dieser Woche muss Melanie Armbruster noch schriftlich erklären, dass bei ihr Hinderungsgründe vorliegen, die Wahl anzunehmen. Ihr Mandat bekommt der bisherige Gemeinderat Karl Eißler, der 61 Stimmen weniger hatte. Juristisch also korrekt, aber vielleicht politisch fragwürdig?

Eigentlich, erklärt FWV-Fraktionschef Markus Appenzeller, sollte Melanie Armbruster sich nur »positionieren« für die nächste Wahlperiode. Dass sie so einschlagen würde, damit habe niemand gerechnet. »Im Normalfall muss man zwei Mal kandidieren, bevor man in den Gemeinderat kommt«, sagt Appenzeller und verteidigt, dass die FWV Melanie Armbruster aufgestellt hat. Auch bei anderen Parteien würden Verwandte oder Ehepartner kandidieren, um die Listen voll zu bekommen, sagt er.

Die Liste aufgefüllt

Das hat in Kirchentellinsfurt etwa auch die RAT gemacht, wo sowohl die wieder gewählte Gemeinderätin Carmen Steffan kandidierte als auch ihr Mann Karl-Heinz, ebenso wie Barbara Krahl und ihr Mann Winfried. »Wenn Melanie nicht gewählt worden wäre, würde kein Gockel danach krähen«, so Appenzeller.

Melanie Armbruster ist erst mal stolz, dass sie es eigentlich geschafft hat. Bisher habe sie nur positive Reaktionen bekommen, auch von anderen Parteien. Die Stimmen, die sie bekommen hat, seien nicht verloren: »Die haben schon andere Parteien nicht bekommen.«

Auch in Gomaringen gab’s eine Liste mit zwei Bewerbern aus einer Familie: CDU-Fraktionschef Roland Kälberer, der selber schon zum sechsten Mal kandidierte, und sein Sohn Nils. Der 36-jährige Betriebsprüfer bekam auf Anhieb 874 Stimmen und wäre der erste Nachrücker. »Dann müssten wir uns abstimmen, aber diese Frage stellt sich gegenwärtig nicht«, sagt der Vater.

Er hat festgestellt, dass es nicht einfach ist, Bewerber zu gewinnen. Bei der CDU sei man erfreut gewesen, dass der Sohn sich aufstellen lässt. Jeder Platz auf der Liste, der leer bleibt, schmälert die Chancen für die Fraktion, weil automatisch weniger Stimmen zusammenkommen. Die CDU hatte ohnehin nur elf Kandidaten, FWV, SPD und Grüne hingegen traten mit Zwölferlisten an.

Diskussionen über einen möglichen Vater-Sohn-Konflikt bei entsprechender Stimmenzahl habe es in Gomaringen nicht gegeben. Roland Kälberer: »Das wird nur vereinzelt angesprochen und dann eher von Leuten, die sich selber mit dem Thema Kandidatur befasst haben.«

Gesichter von morgen

Dass es nur einer werden kann, war auch in Nehren bekannt. Karl-Heinz Nill stand zusammen mit seinem Neffen Thomas Nill auf der Liste der CDU. »Wir haben uns zuvor beim Landratsamt erkundigt, daher war das klar«, so Karl-Heinz Nill. Klar war aber auch, dass der Musikvereinsvorsitzende mehr Stimmen gewinnen wird. Zum Schluss waren es fast 1 000 Stimmen, die Karl-Heinz Nill vor dem Maler- und Lackiermeister lag.

Allerdings trennten den 28-jährigen Thomas Nill, Sohn des Gemeinderats-Urgesteins Werner Nill, nur knapp 80 Stimmen vom Ratstisch. Wären beide Nills gewählt worden, wäre die Lage aber auch geklärt gewesen. »Wir hatten zuvor miteinander gesprochen und eine klare Abmachung: Derjenige, der mehr Stimmen hat, bleibt.« Eigentlich, so Karl-Heinz Nill, hatte man die Besetzung mit Verwandten vermeiden wollen. »Es ist aber gar nicht so einfach 14 Leute zusammenzukriegen«, räumt er ein.

Mit Blick in die Zukunft kann er der Situation aber auch etwas Positives abgewinnen. Wenn die aktuelle Wahlperiode endet, ist er selbst 65 Jahre. Ob er dann nochmals kandidiert, steht in den Sternen. »Es schadet daher nicht, wenn sich die Jüngeren jetzt schon zeigen«, findet er. Dann sei das Gesicht bei der nächsten Wahl kein Unbekanntes mehr. »Das sind die Leute von morgen.« (GEA)