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Kirchentellinsfurter Schüler lernen Streuobst zu schätzen

Streuobst-Pädagogin Katharina Seidel vermittelt an der Graf-Eberhard-Schule in Kirchentellinsfurt ihr Wissen

Die ersten zerkleinerten Äpfel landen in der Presse. Rechts unten laufen die ersten Safttropfen in den Eimer.  FOTO: WEBER
Die ersten zerkleinerten Äpfel landen in der Presse. Rechts unten laufen die ersten Safttropfen in den Eimer. FOTO: WEBER
Die ersten zerkleinerten Äpfel landen in der Presse. Rechts unten laufen die ersten Safttropfen in den Eimer. FOTO: WEBER

KIRCHENTELLINSFURT. Nachdenklich betrachtet Jonathan den mit roten Äpfeln gefüllten Korb. »Aber das reicht ja nur für 100 Milliliter Saft«, wendet er ein. Schließlich hat Streuobst-Pädagogin Katharina Seidel den Viertklässlern der Graf-Eberhard-Schule gerade versprochen, dass später alle vom frisch gepressten probieren dürfen. »Lass dich überraschen«, antwortet sie ihm lächelnd und erklärt dann, wie die Äpfel nach dem Waschen zerkleinert werden. »An der Schreddermaschine müsst ihr sehr vorsichtig sein. Bloß nie reinlangen«, mahnt sie die Schülerinnen und Schüler. Das haben alle verstanden und lassen dann einen Apfel nach dem anderen von oben in die Maschine plumpsen.

Jeder darf mal kurbeln. »Ganz schön anstrengend«, sagen zwei der Mädchen. Die Wanne unter der Maschine füllt sich langsam mit den Apfelstücken. Nicht alle Früchte fielen von alleine auf den Boden, deshalb muss heute kräftig an den Ästen geschüttelt werden, um die komplette Ernte einzufahren. Einige dieser Äpfel haben jetzt Druckstellen und manche Schüler sind unsicher, ob sie auch eingesammelt werden dürfen. »Das macht gar nichts. Auch diese kann man noch gut für den Saft verwenden, sie sind ja nicht schimmelig oder faulig«, erklärt Seidels Mann Dieter Link, der sie an diesem kühlen Herbstmorgen auf der Schulwiese unterstützt.

»Manche konnten auch schon Vorkenntnisse bei ihren Großeltern oder Eltern sammeln«

Etwa sechs Mal traf sich die ausgebildete Streuobst-Pädagogin in diesem Jahr mit den Grundschülern auf der Wiese in der Nähe des Obst- und Gartenbauvereins. Los ging´s im Februar mit einer Einführung in das Thema Streuobstwiese und mit der Frühjahrspflege. Bruchholz absammeln und Reisigbüschele binden, aus dem Holz, das bei der Baumpflege anfällt, später im Sommer dann Insekten und Kleintiere auf der Wiese beobachten und bestimmen, »die Kinder waren von Anfang an offen und neugierig«, so Seidel. »Manche konnten auch schon Vorkenntnisse bei ihren Großeltern oder Eltern sammeln, wenn diese eine Streuobstwiese haben.«

Katharina Seidel hat viel Erfahrung mit Kindern. Die Kirchentellinsfurterin machte eine Ausbildung zur Erzieherin und leitete 17 Jahre das Kinderhaus Winkelwiese in Tübingen. »Natur war auch dort schon ein Thema für mich. Wir hatten einen großen Garten, in dem wir sehr viel gemacht haben. Wir haben unter anderem Wildbienen-Nisthilfen und Hochbeete aufgestellt.« Um sich im Ruhestand weiter mit Kindern und Natur zu befassen, machte sie im Corona-Jahr 2021 eine Ausbildung zur Streuobst-Pädagogin, legte im Februar 2022 die Prüfung ab und besuchte kurz darauf zum ersten Mal mit Kindern der Graf-Eberhard-Schule die Schulwiese.

»Mir ist kalt«, diesen Satz hört Seidel beim letzten Treffen in diesem Jahr nur am Anfang. Beim Auflesen der Äpfel wärmen sich die Kinder auf und im weiteren Verlauf erleben sie so viel Interessantes, dass sie von der kühlen Temperatur abgelenkt sind. »Die Streuobstwiese bietet uns vitaminreiche, leckere und vor allem regionale Lebensmittel«, erzählt Seidel. Sie hat einen langen Tisch aufgestellt und mit Äpfeln dekoriert. Dort zeigt sie, wie man eine Apfelkrone und einen Apfelpilz schnitzt. Highlight ist eine Maschine, mit der durch einfaches Kurbeln eine hübsche Spirale entsteht. Von der ganzen Dekoration bleibt nichts übrig, die Schnitze sind begehrte Naschobjekte.

Es bleibt weiterhin nebelig und trüb. »Auf der Streuobstwiese erlebt man auch das Wetter sehr unmittelbar, jetzt die herbstlichen Temperaturen, im Sommer machten die Kinder die Erfahrung, wie viel angenehmer es unter einem großen Apfel- oder Walnussbaum ist, im Vergleich zur prallen Sonne.«

»Das ist erstaunlich, weil viele Kinder zunächst Angst vor ihnen haben«

Beim letzten Treffen ist es Zeit für ein Resümee. Seidel möchte von den Kindern wissen, was im Jahreslauf spannend für sie war. Die meisten der Schüler fanden die Beobachtung der Insekten interessant, allen voran werden die Bienen genannt. »Das ist erstaunlich, weil viele Kinder zunächst Angst vor ihnen haben. Deshalb ist es mir wichtig, Verhaltensregeln zu vermitteln, die ihnen Sicherheit geben. Zum Glück wurde in meinen beiden Kursen noch kein Kind gestochen.« Die Kinder schauen Seidel fasziniert zu, als sie die zerkleinerten Äpfel in die Presse schüttet. Die Schnitze sind so saftig, dass die ersten Tropfen von ganz alleine in den Bottich fließen. Nach dem Pressen beträgt die Saftausbeute etwas mehr als sechs Liter und übertrifft Jonathans Erwartung bei Weitem. Jule, Edith und andere Schüler dürfen den Apfelsaft probieren, ihre Lehrerin Denise Rehm hat dafür bunte Becher mitgebracht. »Sehr süß und lecker«, urteilen sie. (GEA)

 

DER VEREIN

In Baden-Württemberg befindet sich das größte zusammenhängende Streuobstgebiet in Mitteleuropa. »Die Obstbäume müssen gepflegt werden, sonst vergreisen sie vorzeitig. Ohne Schnitt und Neupflanzungen ist ein schneller Verfall absehbar«, so Seidel. Ausgebildete Streuobst-Pädagogen wollen Wissen erhalten und weitergeben. Sie können etwa von Schulen gebucht werden. Auf der Homepage des Vereins sind weitere Infos zu finden. (raw) www.streuobst-paedagogen.de