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King Kong war zu unflexibel

TÜBINGEN. Flexibel muss man sein. Das weiß heutzutage jedes Kind. Wer nicht in der Lage ist, heute hier dies und morgen dort jenes zu tun, hat’s nicht leicht im Leben. Da helfen auch die größten Muskelpakete nichts. Dass schiere Körpermasse, gepaart mit mangelnder Anpassungsfähigkeit, manchmal sogar ganz schön blöd sein kann, hat unser Verwandter Gigantopithecus zu spüren bekommen. Der Riesenaffe ist vor etwa 100 000 Jahren ausgestorben. King Kongs Problem war wohl, vermuten Wissenschaftler, dass er total auf ein Leben im Wald gepolt war. Und als der Wald verschwand, musste er auch gehen.

King Kong als Muskelprotz: Dieses Bild bestimmt die Vorstellung vom Riesenaffen. Manchmal aber reichen Muskeln allein dann doch
King Kong als Muskelprotz: Dieses Bild bestimmt die Vorstellung vom Riesenaffen. Manchmal aber reichen Muskeln allein dann doch nicht aus, um überleben zu können. FOTO: COLOURBOX Hervé Bocherens von der Uni Tübingen erforscht das Leben und Sterben des geheimnisvollen Riesenaffen Gigantopithecus. FOTO: PRIVAT
King Kong als Muskelprotz: Dieses Bild bestimmt die Vorstellung vom Riesenaffen. Manchmal aber reichen Muskeln allein dann doch nicht aus, um überleben zu können. FOTO: COLOURBOX Hervé Bocherens von der Uni Tübingen erforscht das Leben und Sterben des geheimnisvollen Riesenaffen Gigantopithecus. FOTO: PRIVAT
Wissenschaftler des Senckenberg Center for Human Evolution and Palaeoenvironment (HEP) an der Universität Tübingen und des Senckenberg Forschungsinstituts in Frankfurt haben das Aussterben des Riesenaffen Gigantopithecus untersucht. Sie kommen in der kürzlich im Fachjournal »Quaternary International« veröffentlichten Studie zu dem Schluss, dass die vermutlich größten Affen in der Geschichte der Erde aufgrund ihrer mangelnden Anpassungsfähigkeit ausstarben.

Sie stützen sich dabei auf Analysen an fossilem Zahnschmelz. Diese ergaben, dass die Primaten auf einen bewaldeten Lebensraum beschränkt waren.

Dass der Riesenaffe Gigantopithecus, ein Vorfahr des Orang-Utans, außergewöhnlich groß war, das ist bewiesen. Darüber hinaus ist aber vieles noch unklar. Die Größenangaben schwanken zwischen 1,80 und drei Metern, das Gewicht zwischen 200 und 500 Kilogramm.

Auch bezüglich seiner Ernährung gibt es recht unterschiedliche Theorien. Manche Wissenschaftler nehmen an, dass er ein lupenreiner Vegetarier war. Einige Forscher vermuten sogar, dass auf seinem Speisezettel ausschließlich Bambus zu finden war. Andere Wissenschaftler dagegen halten den Affen für einen Fleischfresser.

Das Problem für die Forscher: »Leider gibt es von Gigantopithecus nur wenig Fossilfunde. Es sind nur einige große Zähne und wenige Unterkieferknochen bekannt. Das macht es schwierig Rückschlüsse zu ziehen«, erklärt Professor Hervé Bocherens vom Senckenberg Center in Tübingen. Dennoch sieht er Fortschritte in der Forschung: »Wir konnten nun etwas Licht in das Dunkel der Geschichte dieses Primaten bringen.«

Der Tübinger Biogeologe hat gemeinsam mit seinen Frankfurter Kollegen vom Senckenberg Forschungsinstitut, Professor Friedmann Schrenk und Dr. Ottmar Kullmer, sowie weiteren internationalen Wissenschaftlern den Zahnschmelz der fossilen Riesenaffen untersucht, um Rückschlüsse auf deren Ernährung zu ziehen und mögliche Faktoren für ihr Aussterben zu definieren.
»Gigantopithecus war ein reiner Vegetarier, aber nicht auf Bambus spezialisiert«
»Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich die großen Primaten nur im Wald aufhielten und ihre Nahrung aus diesem Lebensraum bezogen«, erläutert Bocherens und ergänzt: »Gigantopithecus war ein reiner Vegetarier, aber nicht auf Bambus spezialisiert.«

Das Forscherteam hat stabile Kohlenstoffisotope im Zahnschmelz der großen Primaten untersucht. Aus diesen lassen sich auch nach mehreren Millionen Jahren Rückschlüsse auf die Nahrungsgewohnheiten ziehen. Die untersuchten Zähne stammen aus China und Thailand. Unter ihnen ist auch der Erstnachweis von Gigantopithecus, den der Paläoanthropologe Gustav Heinrich Ralph von Koenigswald im Jahr 1935 in einer Sammlung von Fossilien aus einer chinesischen Apotheke gefunden hatte.
»Wir konnten nun etwas Licht in das Dunkel der Geschichte dieses Primaten bringen«
Die Ergebnisse zeigen, dass sich der Lebensraum des Riesenaffen auf Waldgebiete beschränkte – obwohl er vermutlich zu schwer war, um auf Bäume zu klettern. Dies war sowohl in China als auch in Thailand der Fall, wo neben Waldlandschaften auch offene Savannen zur Verfügung gestanden hätten.

»Um die Evolutionsgeschichte von Primaten nachvollziehen zu können, ist es wichtig, einen Blick auf deren Speiseplan zu werfen«, erklärt Bocherens und fügt hinzu: »Unsere Ergebnisse helfen auch die Gründe für das Aussterben des Riesenaffen besser zu verstehen.« Bocherens und seine Kollegen gehen davon aus, dass die Größe von Gigantopithecus, verbunden mit seiner Beschränkung auf einen Lebensraum, den Affen zum Verhängnis wurde.

»Verwandte des Riesenaffen wie der heutige Orang-Utan haben trotz einer Spezialisierung auf einen Lebensraum überlebt. Die Orang-Utans haben aber einen langsamen Stoffwechsel und können mit wenig Nahrung auskommen. Gigantopithecus war aufgrund seiner Größe vermutlich auf eine große Menge Nahrung angewiesen. Als die bewaldeten Gebiete sich in der Zeit des Pleistozäns immer mehr zu Savannen-Landschaften entwickelten, war das Nahrungsangebot für den Riesenaffen wohl einfach zu gering«, schlussfolgert der Tübinger Wissenschaftler. (u)