MÖSSINGEN-ÖSCHINGEN. In einem Punkt hat sich Wolfgang Eißler ziemlich verrechnet. Die jüngste Sitzung des Ortschaftsrat verlegte der Öschinger Ortsvorsteher vom kleinen Sitzungssaal im Rathaus in die Turnhalle. Schließlich ging es um das Thema Kinderbetreuung, und das ist in dem Mössinger Teilort derzeit ein ganz schwieriges. Trotzdem waren nur zwei der vielen Stühle besetzt, und Fachbereichsleiterin Heidrun Bernhard wunderte sich: »Ich bin schon erstaunt, dass so wenig Eltern da sind, wenn es hier brennt.« Mit Blick auf die Situation in der Gesamtstadt ist für sie klar: »Öschingen ist neben Bästenhardt unser Sorgenkind.«
Seit Mössingen im August das neue Kinderhaus Hinter Höfen in Betrieb genommen hat, ist die Lage in der Kernstadt entspannt. In Öschingen sieht das ganz anders aus. »Wir können hier den Rechtsanspruch weder für Kinder über noch für Kinder unter drei Jahren erfüllen«, räumte Heidrun Bernhard ein. Deutlich verschärft hat sich die Situation noch einmal, weil die Kirche als Träger des Kindergartens Bolbergstraße ein halbe Gruppe schließen musste. Damit sind 14 Plätze weggefallen. Der Grund: Personalmangel.
Wie groß das Defizit an Betreuungsplätzen ist, zeigten die Zahlen, die Evelyn Leins, Teamleiterin Kindertagesstätten bei der Stadt, dem Ortschaftsrat vorstellte: »Bezogen auf das Kindergartenjahr haben 158 in Öschingen lebende Kinder einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Dem stehen 97 Plätze gegenüber.« 47 Plätze bietet der städtische Kindergarten Sternbergstraße, 50 hat nach der Aufgabe der halben Gruppe jetzt noch der kirchliche Kindergarten Bolbergstraße – 97 Plätze für Kinder ab drei Jahren. »Kinder unter drei Jahren«, erklärte Evelyn Leins, »können wir in Öschingen aktuell überhaupt nicht aufnehmen.«
Keine guten Aussichten
Ein auch nur kleiner Lichtblick ist die Tatsache, dass die Zahl der Kinder in dem rund 2.800 Einwohner zählenden Öschingen in den nächsten Jahren möglicherweise zurückgeht. Gibt es heute 118 Kinder im Alter von drei bis sieben Jahren, werden es nach heutigem Stand 2026 nur noch 98 sein. Aber diese Zahlen, mahnte Wolfgang Eißler, sind mit Vorsicht zu genießen: »Wir haben noch das künftige Wohngebiet Reute und auch ein großes Vorhaben auf dem ehemaligen Merk-Areal. Da werden noch Kinder kommen.«
Die Aussichten sind also alles andere als gut. »Wer für ein Kind über drei Jahren einen Betreuungsplatz braucht, kann nach Talheim oder in die Kernstadt. Dieses Angebot können wir den Eltern machen«, erklärte Heidrun Bernhard. Was aber aus Sicht von Ortschaftsrätin Annika Mauser in der Regel unrealistisch ist, vor allem, wenn es ein Geschwisterkind gibt, das einen Platz in Öschingen hat. Das würde die Eltern mit Bringen und Holen überfordern.
Große Hoffnungen setzen die Öschinger deshalb auf die Einrichtung eines Waldkindergartens. Hier hatte Bernhard, bei der Stadt auch für die Finanzen zuständig, eine gute Nachricht: »Wir haben Geld für einen Wagen im Haushaltsentwurf eingestellt. Ich halte einen Waldkindergarten auch für wichtig, da haben wir in Mössingen zu wenig.« Bisher gibt es nur einen in freier Trägerschaft in Bad Sebastiansweiler.
Mit Geld allein ist es aber nicht getan. Vor allem braucht es einen Standort für den Wagen, und da habe Öschingen dank seiner reizvollen Lage wieder ein besonderes Problem: »Wir haben viele Schutzgebiete und brauchen die Zustimmung vom Naturschutz.« Ein Versuch in Mössingen, einen Platz für einen Waldkindergarten zu finden, ist daran gescheitert. Wolfgang Eißler hat der Stadt bereits eine Liste mit möglichen Standorten zukommen lassen. Die, versicherte Heidrun Bernhard, würden derzeit geprüft. Eine ganz schnelle Lösung aber wäre auch das nicht. Allein die Lieferzeit für einen Wagen betrage derzeit fast ein Jahr.
Auch Tagesmütter können kaum für Entspannung sorgen. Derzeit gibt es zwei Frauen, die im Moment sechs Kinder betreuen. Sie könnten eine Wohnung in der Dürerstraße mieten und dann zusammen neun, vom kommenden Jahr an vielleicht zehn Kinder betreuen. »Das«, so Bernhard, »wird unser Öschinger Problem aber nicht lösen.«
Personalprobleme bestehen
Bleibt der Blick zurück auf die Kirche und den Kindergarten Bolbergstraße. »Wir hatten ein Gespräch mit dem evangelischen Kirchenbezirk, ob sich die Gruppe wieder einrichten lässt, aber da spielen auch finanzielle Probleme eine Rolle«, berichtete die Fachbereichsleiterin. Und nicht nur das, ergänze Evelyn Leins: »Mittlerweile ist der Bestandsschutz verlorengegangen. Weil die Betriebserlaubnis geändert wurde, kann die halbe Gruppe nicht ohne Weiteres wieder eröffnet werden.« Und die Personalprobleme bestehen nach wie vor.
Von Eltern oder Leihomas als Aushilfen, wie von Annika Mauser angeregt, hält Heidrun Bernhard nicht wirklich viel: »Da gibt es Probleme mit dem Datenschutz, und für das Fachpersonal bedeutet es auch mehr Aufwand. Wir in der Stadt machen es nicht.« Am Ende blieb ihr nur ein bescheidener Ausblick: »Meine Hoffnung ist, dass die Kirche das wieder hinkriegt.« (pp)