KREIS TÜBINGEN. Es steht nicht gut um die Kreisstraßen. Zusammengenommen sind die Hälfte - also 123 Straßenkilometer - einer Zustandserfassung aus dem Jahr 2020 nach in einem »schlechten« (23 Prozent) oder sogar »sehr schlechten« (27 Prozent) Zustand. Trotz der alamierenden Zahlen kann die Kreisverwaltung die Probleme nicht wie geplant angehen, denn es fehlt am Geld. Deshalb schlug Landrat Joachim Walter auf Empfehlung der Haushaltsbegleitkommission dem Ausschuss für Verkehr, Klimaschutz und Technik vor, das bereits laufende Belagsprogramm zur Erhaltung der Kreisstraßen um fünf Jahre nach hinten zu verschieben. Damit wären die geplanten Erneuerungen in Höhe von knapp 20 Millionen Euro erst 2032 - anstelle von einem Abschluss 2027 - am Ende. »Wir müssen unser Belagprogramm schieben, um Entlastungen für die kommenden Haushalte zu haben«, sagte Walter. Die Maßnahme würde dem aktuellen Haushalt zwar noch nicht zugute kommen, wohl aber mittelfristig den folgenden - die Investitionskosten würden so auf einen längeren Zeitraum verteilt. Insgesamt 16 Sanierungsmaßnahmen stehen noch aus, davon Streckenabschnitte um Tübingen, Pfrondorf und Kirchentellinsfurt.
Rund 2,8 Millionen Euro plant die Verwaltung als Baulastträger jährlich ein, um den absoluten Mindesstandard der Straßen zu erhalten - eine Berechnung, die dem Kostenstand von 2020 zugrunde liegt. Die geschätzten Preissteigerungen von rund 35 Prozent sind da noch nicht berücksichtigt. Und: 2032 scheint der absolut letzte Zeitpunkt zu sein, die am schlimmsten verfallenen Straßenbeläge in den Griff zu kriegen. »Ich halte diese Idee für wenig sinnvoll, denn wir schieben die materiellen Schulden einfach nur in die Zukunft«, sagte Kreis- und Gomaringer Gemeinderat Maximilian Föll (SPD). »Nach 2032 ist dann keine Schiebung mehr möglich, dann müssen Sie zwingend die Arbeiten machen. Ich würde deshalb davon abraten.« Parteigenosse Arno Valin hatte zuvor in den Raum geworfen, die zukünftigen Mehrkosten im Blick zu behalten. »Die werden 2032 sicher höher sein als heute - so um 20 bis 30 Prozent«, gab Valin zu bedenken.
»Dann empfehlen wir Geländewagen, um über die Kreisstraßen zu kommen«
»Das sehen wir auch so«, sagte Walter geradeheraus, »wenn Sie mir aber sagen, wo wir jetzt das Geld herkriegen, machen wir alle Straßen flott.« Allein schon in diesem Jahr weise der Haushalt einen Fehlbetrag von rund zehn Millionen Euro auf. Eine Aufschiebung der Belagsarbeiten sei jedoch gerade noch technisch vertretbar, ohne dass die Schäden zu groß würden. »Wir haben ja die Hoffnung, dass die finanzielle Abwärtsspirale nicht immer so weitergeht«, sagte Walter.
Denn sonst könne man in Zukunft gar nichts mehr sanieren. »Dann empfehlen wir Geländewagen, um über die Kreisstraßen zu kommen.« Auf den »Segen aus Berlin« dürfe man sich aber nicht verlassen, ganz im Gegenteil: »Wir müssen den Gürtel enger schnallen.« Wie viel davon nachher wirklich im Säckel von Kreis und Gemeinden lande, sei alles andere als klar. »Vielleicht ist es nicht mehr als ein übergroßes Pflaster«, erklärte Walter mit Blick auf das Infrastruktur-Paket des Bundes. Der Vorschlag zur Verschiebung des Belagprogramms, der noch final in der kommenden Kreistagssitzung beschlossen werden muss, wurde mit drei Gegenstimmen vom Ausschuss angenommen. (GEA)