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Kehren Soldaten in den Kreis Tübingen zurück?

Das Moratorium des Bundesverteidigungsministeriums, die Umwandlung von militärisch genutzten Arealen der Bundeswehr in zivile Flächen vorerst zu stoppen, betrifft auch zwei Liegenschaften im Kreis Tübingen: das Munitionslager Schindhau und der Standortübungsplatz Tübingen-Wankheim. Diese wurden aber nie von der Bundeswehr genutzt.

Ein Wachhäuschen samt Stacheldrahtzaun auf dem Gelände des Natursteinparks.  Die Anlagen erinnern an die frühere Nutzung des Gel
Ein Wachhäuschen samt Stacheldrahtzaun auf dem Gelände des Natursteinparks. Die Anlagen erinnern an die frühere Nutzung des Geländes als Munitionslager Schindhau. Foto: Alexander Thomys
Ein Wachhäuschen samt Stacheldrahtzaun auf dem Gelände des Natursteinparks. Die Anlagen erinnern an die frühere Nutzung des Geländes als Munitionslager Schindhau.
Foto: Alexander Thomys

KUSTERDINGEN/TÜBINGEN. Diese Nachricht hatte es in der vergangenen Woche in sich: Das Verteidigungsministerium stoppte im Rahmen eines Moratoriums die Umwandlung von 200 früheren Liegenschaften der Bundeswehr zur zivilen Nutzung durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Dies soll der Armee Zeit verschaffen, um zu prüfen, welche Grundstücke und Einrichtungen die Bundeswehr künftig braucht, schließlich ist derzeit angesichts der russischen Bedrohung und des Kriegs in der Ukraine eine umfassende Aufrüstung vorgesehen. »Die Bundeswehr muss wachsen, um ihre Einsatzbereitschaft zu erhöhen, die Verteidigungsfähigkeit zu stärken und ihren Auftrag der Landes- und Bündnisverteidigung weiterhin verlässlich erfüllen zu können«, heißt es hierzu seitens der Bundeswehr. »Dafür braucht es die notwendige Infrastruktur – von Kasernen bis zum Militärflugplatz.«

Etwas überraschend kommt dabei, dass auch zwei Standorte im Kreis Tübingen auf der Liste auftauchen, die niemals direkt von der Bundeswehr genutzt worden sind: das Munitionslager Schindhau und der Standortübungsplatz Tübingen-Wankheim. Beide Einrichtungen wurden bis zu deren Abzug von den französischen Streitkräften genutzt und sind im Besitz der BImA, die diese nun als frühere militärische Liegenschaften ebenfalls zur Überprüfung des Bundeswehr-Bedarfs aufgelistet hat.

Sonderkündigungsrecht zur Landesverteidigung

Besonders betrifft dies Manuel Rongen, den Geschäftsführer des Natursteinparks Tübingen. Sein Unternehmen nutzt das Areal des ehemaligen Munitionsdepots - heute türmen sich vor dem früheren Munitionsbunkern allerlei Steinhaufen. »Als die Liste veröffentlicht wurde, habe ich gleich mit der BImA gesprochen«, erklärt Rongen. Das Moratorium betreffe vor allem Liegenschaften, die kurz vor dem Verkauf an zivile Nutzer gestanden hätten. Oder Flächen, auf denen weitreichende Veränderungen geplant waren. »Im Schindhau sollten die Schießbahnen zurückgebaut und dem Forst übergeben werden«, hat Rongen in Erfahrung gebracht. Diese Maßnahmen seien nun ausgesetzt, bis die Bundeswehr über eine etwaiige Nutzung entschieden habe.

Die Zugangstore der Munitionsbunker liegen hinter großen Steinhaufen verborgen.
Die Zugangstore der Munitionsbunker liegen hinter großen Steinhaufen verborgen. Foto: Alexander Thomys
Die Zugangstore der Munitionsbunker liegen hinter großen Steinhaufen verborgen.
Foto: Alexander Thomys

Rongen selbst hat erst in diesem Jahr einen langfristigen Mietvertrag mit der BImA abgeschlossen, mit einer Laufzeit von zehn Jahren. »Die BImA hat uns signalisiert, dass das Areal so groß ist, dass wir auch im Falle einer Nutzung durch die Bundeswehr wohl am Standort bleiben könnten«, berichtet der Natursteinpark-Geschäftsführer, der inzwischen gelernt hat, mit einer gewissen Unsicherheit zu leben. »In allen Mietverträgen ist ein Passus enthalten, wonach es zum Zwecke der Landesverteidigung ein außerordentliches Kündigungsrecht seitens des Bundes gibt«, erklärt Rongen, der von einer »Achterbahnfahrt seit 30 Jahren« spricht.

Garnisonsstadt und Bezirkskommando

Tübingen indes hat eine lange Geschichte als Garnisonsstadt. Bereits kurz nach der Gründung des Kaiserreichs wurde die Thiepval-Kaserne gebaut, im Ersten Weltkrieg folgte die Loretto-Kaserne, in den 1930er Jahren dann die Hindenburg-Kaserne. Die Thiepval-Kaserne wurde 1978 von den französischen Streitkräften abgegeben und beheimatet heute unter anderem das Finanzamt. Die anderen Militärgelände wurden bis 1991 durch die französischen Streitkräfte genutzt und dann der BImA übergeben. Auch die Bundeswehr war in Tübingen präsent, wenn auch nur mit einer kleinen Besatzung: Auf dem Sand lag von 1963 bis 2001 der Standort des Stabes des Verteidigungsbezirkskommandos 54: Hier wurden Vorbereitungen getroffen, um im Verteidigungs- oder Mobilmachungsfall bis zu 5.000 Soldaten zu organisieren.

Zum Munitionslager Schindhau gehören auch verschiedene Schießbahnen, die noch vor wenigen Jahren von der Polizei zu Übungszwecke
Zum Munitionslager Schindhau gehören auch verschiedene Schießbahnen, die noch vor wenigen Jahren von der Polizei zu Übungszwecken genutzt wurden. Foto: Alexander Thomys
Zum Munitionslager Schindhau gehören auch verschiedene Schießbahnen, die noch vor wenigen Jahren von der Polizei zu Übungszwecken genutzt wurden.
Foto: Alexander Thomys

»Die Liste und dass darauf zwei Tübinger Areale aufgeführt sind, hat uns überrascht«, berichtet Claudia Salden, die Pressesprecherin der Stadt Tübingen. Baubürgermeister Cord Soehlke suchte daraufhin den Kontakt mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. »In diesem Gespräch kam er zur Einschätzung, dass die Tübinger Standorte für die Pläne der Bundeswehr keine Priorität haben.« Auf Anfrage zeigt sich ein Sprecher der Bundeswehr einsilbig: »Ich bitte um Verständnis, dass wir zunächst die betroffenen Kommunen über die in Rede stehenden Entscheidungen informieren. Darüber hinaus sind die Ausplanungen noch nicht abgeschlossen, so dass zum jetzigen Zeitpunkt keine konkreteren Aussagen getroffen werden können.«

Auch die Frage, inwiefern der geplante Schindhau-Basistunnel von einem möglicherweise reaktivierten Truppenübungsplatz betroffen wäre, gab es weder seitens der Stadt noch der Bundeswehr eine Antwort. Auch die ebenfalls betroffene Gemeinde Kusterdingen hat auf eine Anfrage bisher nicht reagiert. Es scheint so, als ob keine Seite ernsthaft mit einer Reaktivierung der ehemals französischen Liegenschaften für die Bundeswehr rechnet. (GEA)