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Jettenburg: Von der Wanderkapelle zur vielseitigen Big Band

Die Jettenburger Dorfmusikanten blicken auf 100 Jahre zurück. Das Jubiläum wird am 6. April mit einem Kinderkonzert und das Jahr hindurch mit weiteren Auftritten gefeiert. Höhepunkt soll im Juli der Jubiläumsabend im Festzelt sein.

Andreas Mourouzidis, der Vorsitzende des Musikvereins Jettenburg, blickt auf 100 Jahre Vereinsgeschichte zurück.
Andreas Mourouzidis, der Vorsitzende des Musikvereins Jettenburg, blickt auf 100 Jahre Vereinsgeschichte zurück. Foto: Claudia Reicherter
Andreas Mourouzidis, der Vorsitzende des Musikvereins Jettenburg, blickt auf 100 Jahre Vereinsgeschichte zurück.
Foto: Claudia Reicherter

KUSTERDINGEN-JETTENBURG. Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts und noch bis ins Jahr 1923 waren die Jettenburger Blasmusiker »so Wandermusiker«, berichtet Andreas Mourouzidis, der Vorsitzende des Musikvereins (MV) Jettenburg. Zum »Gründungsabend« am 14. Januar in dem aus allen Nähten platzenden Jettenburger Ochsen, dem ersten Termin zum 100-jährigen Vereinsbestehen, dem dieses Jahr noch neun feierliche Auftritte folgen, ist er tief in die Geschichte »seines« Vereins eingetaucht. Daher weiß Mourouzidis etwa, weshalb auf einer Fotografie von der Vorgängerkapelle noch Musiker mit Gitarren sowie einer Geige und einer Mandoline zu sehen sind: »Die haben damals bei Festen Musik gemacht und dafür etwas zum Essen und Trinken bekommen«, erzählt er.

Die Vorgängerkapelle des heutigen Musikvereins Jettenburg in den 1920er-Jahren - damals noch mit Gitarren, Geige und Mandoline.
Die Vorgängerkapelle des heutigen Musikvereins Jettenburg in den 1920er-Jahren - damals noch mit Gitarren, Geige und Mandoline. Foto: privat
Die Vorgängerkapelle des heutigen Musikvereins Jettenburg in den 1920er-Jahren - damals noch mit Gitarren, Geige und Mandoline.
Foto: privat

Als Musikverein gegründet wurden die Jettenburger Dorfmusikanten am 1. Januar 1925. Das »erste offizielle Schreiben« stammt vom 14. Januar vor 100 Jahren und ist im Vereinsarchiv erhalten. Handschriftlich ist in jenem Dokument der erste Vorsitzende ebenso genannt wie sein Stellvertreter, der zugleich Schriftführer war: Braun Wilhelm und Bader Gottfried. Unter den beiden Namen wird als Kassier außerdem Ernst Henes genannt. Der »Kassenbestand« betrug 35,05 Mark und setzte sich aus 3,15 Mark Guthaben sowie 31,90 Mark »Guthaben von Instrumente« zusammen.

Ein Gruppenbild der Kapelle des Musikvereins Jettenburg aus deren Gründungsjahren.
Ein Gruppenbild der Kapelle des Musikvereins Jettenburg aus deren Gründungsjahren. Foto: privat
Ein Gruppenbild der Kapelle des Musikvereins Jettenburg aus deren Gründungsjahren.
Foto: privat

»Gottfried Bader habe ich noch gekannt«, sagt Andreas Mourouzidis, »denn ich bin schon seit 53 Jahren dabei.« Mit zwölf ist der heute 65-Jährige in die Blasmusikkapelle des heutigen Kusterdinger Teilorts eingetreten. So hat er neben dem Gründungsmitglied noch weitere Mitglieder kennengelernt, die gern von den Anfangsjahren erzählten, von Zeiten, da man den Weg nach Wankheim zu Fuß zurücklegte und auf dem Rückweg »en da Flegga neig'schbielt hod«: 1925 hatte der heute 126 Mitglieder und 18 Aktive zählende Verein 31 Mitglieder. Davon waren neun Musiker - noch inklusive Mandoline, berichtet der Vorsitzende. Erst am 8. September 1928 folgte die Überleitung zur reinen Blasmusikkapelle. 20 Jahre lang umfasste das Blasorchester 20 Mann - mit Uniformen, Kappen und Fliege.

»Das Problem des Zuspätkommens gibt es heute noch«

Neben allerlei schön arrangierten Gruppenbildern aus verschiedenen Epochen findet sich im Archiv des MV Jettenburg ein bemerkenswertes Schriftstück aus dem Jahr 1934 als Reaktion auf die zuvor anscheinend mangelhafte Probendisziplin. Darin werden »Strafen auf Fehlen und Unpünktlichkeit vertraglich festgehalten«. Die damaligen Mitglieder, allesamt männlich, verpflichten sich unter der Vereinbarung aus der Musikerversammlung namentlich mit ihrer Unterschrift dazu. »Die Höhe der Strafen ist leider nicht bekannt«, stellt der heutige Vorsitzende fest. »Das Problem gibt es nämlich heute noch.«

Historische Aufnahme der Blaskapelle des MV Jettenburg - mit Anzug, Mütze und Fliege.
Historische Aufnahme der Blaskapelle des MV Jettenburg - mit Anzug, Mütze und Fliege. Foto: privat
Historische Aufnahme der Blaskapelle des MV Jettenburg - mit Anzug, Mütze und Fliege.
Foto: privat

Insgesamt acht Dirigenten und zwölf Vorstände haben den Verein in den vergangenen 100 Jahren geprägt. Nur während dem Zweiten Weltkrieg war Pause. 1948 wurde der Probe- und Konzertbetrieb wieder aufgenommen, mit einem Auftritt bei einem Fest in Pfullingen, wo zwischenzeitlich der erste Dirigent der Jettenburger Dorfmusikanten als Stadtmusikdirektor wirkte.

»Der Maier-Karl sagte damals: Jetzt Bua, blos amol nei«

Mourouzidis selbst hat 60 Jahre seines Lebens in Jettenburg gelebt und ist jetzt »a Jettenburger, der in Kirchentellinsfurt wohnt«, sagt der Kunstschmied, der seit 2023 den Vereinsvorsitz innehat. Auf den Verein aufmerksam geworden war er, als der MV 1973 auf dem Weg zum Festzelt musizierend durch den ganzen Flecken marschiert ist. »Do send mir als Buaba hinterherg'spronga.« Für ihn als musikalischen Bub, der bereits im Jahr zuvor angefangen hatte, im Reutlinger Musikhaus Schäfer Notenlesen und Akkordeonspielen zu lernen, war das aber nicht genug. Er wollte zur Kapelle gehören. »Der Maier-Karl« hat im ersten Jahr den Neuzugängen einmal die Woche kostenlosen Einzelunterricht gegeben. Er sagte einfach, »jetzt Bua, blos amol nei«, und machte vor, wie man an den Ventilen verschiedene Noten greift.

Andreas Mourouzidis ist seit 2023 Vorsitzender des MV Jettenburg . Mit zwölf stieß der heute 65-Jährige zur Kapelle. Nun ist er
Andreas Mourouzidis ist seit 2023 Vorsitzender des MV Jettenburg . Mit zwölf stieß der heute 65-Jährige zur Kapelle. Nun ist er das älteste aktive Mitglied der Dorfmusikanten. Foto: Claudia Reicherter
Andreas Mourouzidis ist seit 2023 Vorsitzender des MV Jettenburg . Mit zwölf stieß der heute 65-Jährige zur Kapelle. Nun ist er das älteste aktive Mitglied der Dorfmusikanten.
Foto: Claudia Reicherter

Von fünf Jungs aus seiner Clique wurden schließlich zwei langfristig Dorfmusiker. Inzwischen »bin ich das älteste aktive Mitglied«, sagt Mourouzidis. Spielen könne man im Prinzip, »solange es die Zähne zulassen«. Denn Gebissträger laufen Gefahr, dass ihnen der Zahnersatz beim Blasen rausfliegt.

1985 waren die Jettenburger Dorfmusikanten zu Besuch bei einer Gastkapelle im ungarischen Nagykaniza.
1985 waren die Jettenburger Dorfmusikanten zu Besuch bei einer Gastkapelle im ungarischen Nagykaniza. Foto: privat
1985 waren die Jettenburger Dorfmusikanten zu Besuch bei einer Gastkapelle im ungarischen Nagykaniza.
Foto: privat

Die jüngsten Dorfmusikanten in Jettenburg sind heute sechs bis sieben Jahre alt. Sie werden mit einem Zuschuss des Vereins in Kooperation mit der Musikschule Kirchentellinsfurt von Profis unterrichtet. Auch wenn seit 2001 Nick Loris von den Egerländern als Dirigent den MV Jettenburg voranbringt und der seit den 1980er-Jahren auch Big-Band-Stücke im Programm hat, tut sich die Kapelle in direkter Konkurrenz zu Wankheim und Kusterdingen, wo die Schulen sind, schwer. »Aber wir kämpfen«, sagt der Vorsitzende.

Zweimal haben die Musikanten aus Jettenburg schon im Freien auf dem Malojapass gespielt.
Zweimal haben die Musikanten aus Jettenburg schon im Freien auf dem Malojapass gespielt. Foto: privat
Zweimal haben die Musikanten aus Jettenburg schon im Freien auf dem Malojapass gespielt.
Foto: privat

Weil die Nachwuchswerbung wichtig ist, wird das Jubiläum unter anderem am 6. April mit einem Kinderkonzert im Dorfgemeinschaftshaus (DGH) gefeiert. Am 1. Juni gibt es erstmals ein Frühschoppenkonzert im Gasthof »Kompf«. Und am 11. Juli folgt das große Sommerfest im Festzelt mitten im Ort, wo dem Verein als »ehrenvolle Auszeichnung« die Pro-Musica-Plakette des Bundespräsidenten durch einen Vertreter des Landratsamts Tübingen verliehen wird. »Da spielen wir dann auch durch den Flecken ins Zelt hinein«, kündigt Andreas Mourouzidis an. »Um uns zu zeigen.« Vielleicht rennen ja wie einst ein paar musikbegeisterte Buben hinterher, die künftig zu den wöchentlichen Proben freitags, 20 Uhr, im DGH stoßen - und den Musikverein Jettenburg in den nächsten Jahrzehnten prägen wollen. (GEA)

info@mv-jettenburg.de

Ein Konzert der Dorfmusikanten des MV Jettenburg im Freien.
Ein Konzert der Dorfmusikanten des MV Jettenburg im Freien. Foto: privat
Ein Konzert der Dorfmusikanten des MV Jettenburg im Freien.
Foto: privat