MÖSSINGEN. Als Steffen Eissler (FWV) am Ende der Diskussion im Gemeinderat über die Kindergartenbedarfsplanung von der »Verwaltung des Mangels« sprach, sah sich Michael Bulander zum Widerspruch herausgefordert. »Wir verwalten keinen Mangel«, entgegnete der Mössinger OB. »Kinderbetreuung ist eine Frage der Standortqualität, da brauchen wir uns nicht zu verstecken. Wir haben sehr viel getan, und wir werden das Thema auch in den nächsten Jahren diskutieren.«
Der Einspruch ist verständlich, schließlich hat die Stadt erst im September das für fast zehn Millionen Euro gebaute neue Kinderhaus Hinter Höfen mit 124 Plätzen, davon 30 für unter Dreijährige, in Betrieb genommen.
Starker Mangel an Plätzen
Das ändert allerdings nichts an einer Tatsache: »Wir können trotz Hinter Höfen den Rechtsanspruch auf einen Platz für unter Dreijährige nicht erfüllen«, räumte Fachbereichsleiterin Heidrun Bernhard ein, obwohl in dieser Altersgruppe ohnehin nur mit einer Nachfrage von 36 Prozent gerechnet wird.
Erfüllt werde der Anspruch in der Kernstadt, in Belsen und in Talheim. Öschingen und Bästenhardt seinen dagegen die Sorgenkinder. So gibt es in Bästenhardt etwa für 99 gemeldete Kinder unter drei Jahren keinen einzigen Betreuungsplatz. »Der Umbau des Trakts in der Bästenhardtschule ist deshalb dringend notwendig, bis ein neuer Kindergarten in Betrieb geht.«
In Öschingen hat sich die ohnehin schwierige Situation verschärft, weil die Kirchengemeinde als Träger des Kindergartens in der Bolbergstraße eine halbe Gruppe gestrichen hat. Hier hofft die Stadt, in Gesprächen mit dem Betreiber doch noch eine Lösung zu finden. Außerdem, so Bernhard, wird am Ausbau der Betreuung durch Tageseltern gearbeitet. Das kann allerdings nur eine minimale Verbesserung bringen. Im Hintergrund steht der Wunsch nach einem Waldkindergarten; hier wird gerade ein geeigneter Standort gesucht.
Plus von 164 Kindern
Dazu kommt, dass aus Brandschutz-Gründen auf der Dachtel in der Kernstadt die Zahl der Plätze von 37 auf 25 reduziert werden musste. Dass hier wieder aufgestockt wird, ist unwahrscheinlich. Bei der Einbringung des Nachtragshaushalts hatte Michael Bulander klargemacht: »Das ist ein Wohnhaus. Der Gesamtzuschnitt ist hier nicht ideal. Deshalb werden wir das Gebäude nicht für teures Geld brandschutzsanieren.«
Ein Grund für die angespannte Lage ist auch, dass es mehr Kundschaft gibt als angenommen. »Sowohl bei den unter als auch bei den über Dreijährigen gibt es mehr Kinder als prognostiziert«, berichtete Evelyn Leins, im Rathaus Teamleiterin Kindertagesstätten. Rechnete eine Prognose aus dem Jahr 2022 noch mit 1.362 Kindern bis zu sechs Jahren, kommen die aktuellen Zahlen aus dem Einwohnermeldeamt auf 1.526 Kinder – ein Plus von 164.
Auf die Frage, ob angesichts des Personalmangels bei Erzieherinnen und Erziehern eine Verbesserung überhaupt möglich ist, verwies Heidrun Bernhard auf die spezielle Mössinger Situation: »Unser Hauptproblem ist im Moment nicht das Personal, sondern die fehlenden Räume. Ich möchte deshalb dringend dafür werben, dass im neuen Haushalt die Mittel für einen Kindergarten priorisiert werden.«
Eine leichte Entspannung, berichtete Evelyn Leins, gebe es, wenn im Kinderhaus Hinter Höfen, das noch nicht ganz fertig ist, eine dritte Krippengruppe und eine vierte Gruppe für über Dreijährige öffnen können. Das soll nach Weihnachten der Fall sein, erklärte Baubürgermeister Martin Gönner auf Nachfrage von Dr. Marc Eisold (FWV), allerdings mit einem vorsichtigen Vorbehalt: »Bauen ist keine schnelle Lösung. Wegen der vielen Vorschriften ist das jeden Tag ein Hindernislauf.«
Kommunikation erleichtern
Eisold kam auch noch einmal auf das Stichwort Rechtsanspruch zurück: »Wenn das jemand mal einklagt, was passiert dann?« Adressat der Klage, erläuterte Heidrun Bernhard, ist dann der Landkreis: »Er muss den Rechtsanspruch erfüllen. Betroffene könnten dann eventuell Schadenersatz geltend machen.« Erwarten dürfen Eltern allerdings keine Betreuung vor der Haustür. »Ein Platz muss nicht vor Ort sein«, betonte Michael Bulander. »Bis zu 30 Minuten Fahrzeit sind zumutbar.«
Anja Streck, Sachgebietsleiterin Familie und Bildung, gab noch einen kurzen Überblick über die Situation jenseits der Zahlen. Sie verwies auf die App, die jetzt eingerichtet worden sei, um die Kommunikation mit den Eltern zu erleichtern sowie auf den heilpädagogischen Fachdienst. Dafür sei gerade eine zweite Stelle mit einem Umfang von 60 Prozent ausgeschrieben. Beim Personal für die Kitas gebe es derzeit zehn Auszubildende sowie drei Zusatzkräfte, die eine Ausbildung machen wollten. (GEA)