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Hilfsmöglichkeiten für Kinder: Stadt Tübingen will Fluss der Informationen verbessern

Seit 2015 gibt es Tübinger Ansprechpersonen, die betroffene Menschen auf die Hilfsmöglichkeiten hinweisen

Ann-Marie Kaiser (links) und Elisabeth Stauber haben das TAP-System zur besseren Verbreitung von Informationen über Hilfen gegen
Ann-Marie Kaiser (links) und Elisabeth Stauber haben das TAP-System zur besseren Verbreitung von Informationen über Hilfen gegen Kinderarmut in der Neckarkommune ausgetüftelt und weiterentwickelt. FOTO: LEISTER
Ann-Marie Kaiser (links) und Elisabeth Stauber haben das TAP-System zur besseren Verbreitung von Informationen über Hilfen gegen Kinderarmut in der Neckarkommune ausgetüftelt und weiterentwickelt. FOTO: LEISTER

TÜBINGEN. »In der Stadt Tübingen gibt es eine große Vielzahl an Hilfsmöglichkeiten für Kinder«, sagt Elisabeth Stauber als Leiterin des Fachbereichs Soziales in der Neckarkommune. Das Problem war nur: Die Hilfen kamen viel zu selten bei den Menschen an, die sie benötigten. Auch in Tübingen gibt es Armut, wie eine Familienbefragung vor knapp zehn Jahren herausfand. »Jedes siebte Kind ist armutsgefährdet«, so Stauber beim Gespräch mit unserer Zeitung.

Ein weiteres Ergebnis dieser Umfrage: Von 250 befragten Familien kannten nur 100 die damals bereits existierende Kreis-Bonus-Card. »Wir haben erkannt, dass wir die Informationen über Hilfsmöglichkeiten direkter zu den Menschen bringen müssen«, sagt die Sozial-Fachbereichs-Leiterin. »Die Frage war nur, wie.«

Damals war Stauber noch Familienbeauftragte in Tübingen, zusammen mit anderen Beteiligten hat sie ein Informationssystem ausgetüftelt. Für die Entwicklung dieses Systems gab es 2013/2014 Geld vom Land und von der Stadt. Das Diakonische Werk Tübingen war mit im Boot und hat den Aufbau eines Netzwerks begonnen. Bald wanderte die Zuständigkeit jedoch zur Stadt, seit zwei Jahren kümmert sich Ann-Marie Kaiser um die Weiterentwicklung des Systems der sogenannten TAPs, der Tübinger Ansprechpersonen.

Problemlagen von Familien

»Anfangs waren es 130 TAPs vor allem in Kindertagesstätten und Schulen – was ja auch naheliegend war«, so Elisabeth Stauber. Dort tauchen schließlich alle Kinder irgendwann auf, dort werden nicht nur Schulbedarfspakete geschnürt und Gelder für Mittagessen gegeben, sondern auch kleinere Projekte angeboten. Die TAPs, die vor allem Erzieherinnen und Fachkräfte der Schulsozialarbeit sind, geben die Informationen über Hilfsmöglichkeiten weiter.

Das System sei im ganzen Land einzigartig, andere Kommunen würden häufig anfragen – doch Kaisers Kapazitäten sind mit einer 25-Prozentstelle begrenzt. Aber: »Heute sind es bei uns mehr als 250 TAPs«, sagt die Fachfrau. Die Zahl steige weiter an – »weil die Beteiligten sehen, dass das System wirkt und erfolgreich ist«, sind sich die beiden Frauen einig. TAPs finden sich nun nicht nur in Kitas und Schulen, sondern auch in der Jugendhilfe, im Jobcenter, in der gesamten Stadtgesellschaft, die mit Kindern, Jugendlichen und Familien zu tun hat.

»Die meisten Ansprechpersonen haben hauptberuflich mit Kindern und Familien zu tun, sie kriegen von uns zusätzliche Informationen über Hilfsmöglichkeiten«, sagt Kaiser.

TAPS FÖRDERN DEN ABRUF

Der Erfolg von der Arbeit von Tübinger Ansprechpersonen (TAPs) zeigt sich auch darin, dass beispielsweise vom Bund aufgelegte Bildungs- und Teilhabe-Leistungen (BuT) in der Neckarstadt deutlich häufiger abgerufen werden als im Landesdurchschnitt. In Tübingen kennen laut einer »Evaluation der Tübinger Strategie gegen Kinderarmut« im Jahr 2022 rund 70 Prozent der Befragten die BuT-Leistungen. 55 Prozent haben diese bereits genutzt. Nach Aussage von Ann-Marie Kaiser sind im gesamten Land im Jahr 2019 nur rund 22 Prozent abgerufen worden. (nol)

Eigentlich ist das System eine ganz einfache Sache. Eigentlich. Aber: Auf die Idee musste halt jemand kommen und sie mit konsequentem Einsatz umsetzen. In Tübingen ist das gelungen. Eine Kurzschulung über das Hilfsangebot, zusammen mit Informationsmaterialien bieten die Grundlage für die TAP-Teilnahme. »Hinzu kommen Qualifikationsangebote mit Referentinnen, die über armutsspezifische Themen berichten«, sagt Ann-Marie Kaiser. Aber das TAP-Netzwerk bietet noch mehr: »Es geht auch darum, die Arbeit in den jeweiligen Bereichen «armutssensibel» zu gestalten«, betont Elisabeth Stauber.

Und das bedeutet? Offen für das Thema zu sein, Notlagen zu erkennen, nicht zu stigmatisieren. »Alle Eltern werden über Hilfsmöglichkeiten etwa in einer Kita durch immer die gleichen Rituale hingewiesen.« In der Gebührenzentrale, wo alle Kinder für Kitas und Schulen angemeldet werden müssen, hatten vor einem Jahr Angestellte die Idee, zu den Anmelde-Unterlagen ein Infoblatt über Hilfsmöglichkeiten beizulegen. Ein Erfolg des TAP-Systems.

Noch ein Vorteil dieses Netzwerks: Durch die enorme Verflechtung aller Bereiche erhalten die Zuständigen im Fachbereich Soziales in Tübingen oft sehr schnell Informationen über bestimmte Problemlagen von Familien. Die notwendige Aufgabe der Information hört jedoch nicht auf – weil ja sowohl die Kinder und Eltern wie auch das Personal in den Einrichtungen ständig wechseln. Und auch, weil Betroffene oftmals das System der Hilfe, der jeweils zuständigen Behörden oder auch die Flyer nicht verstehen.

Wie in Vereinen

»Das System ist kompliziert«, sagt Stauber. Um noch mehr Bedürftige auf die vielen Hilfen hinzuweisen, würde Ann-Marie Kaiser gerne noch mehr Lehrerinnen und Lehrer als TAPs gewinnen, »in dem Bereich ist es aber eher schwierig – genauso wie in Vereinen oder Kirchengemeinden«, weiß die TAP-Zuständige.

»Wir überlegen, die Idee von TAPs auch auf Ältere zu übertragen«, sagt Elisabeth Stauber. Das sei allerdings nicht so leicht. »Weil Senioren nun mal nicht in Kitas oder Schulen gehen – aber wir sind dran.« Das Prinzip, Informationen zu den betroffenen Menschen zu bringen, bleibe ja dasselbe. (GEA)