TÜBINGEN. Nun hat’s auch Tübingen erwischt. Nach guten Jahren wird’s eng im Haushalt. »Jetzt passiert das, wovor ich immer gewarnt habe: Die Einnahmen reichen nicht aus, um alle Ausgaben zu finanzieren«, sagt OB Boris Palmer. Die Konsequenz: »Wir müssen sparen.« Und zwar nicht irgendwie und ein bisschen, sondern ziemlich strikt. »Es wird ein absoluter Krisen-Haushalt«, prophezeit der Rathauschef, der seinen Etat-Entwurf jetzt vorgelegt hat.
Die zentrale Botschaft in den Augen des Oberbürgermeisters: »Der Stadt geht das Geld aus.« Der 51-Jährige sieht eine »Zeitenwende« und vergleicht das Geschehen mit »einem Sturm, der aus dem Nichts kommt«.
Schonungslose Analyse
Eine schonungslose Beschreibung der Lage hat der Tübinger Rathauschef ausgerechnet bei der Lektüre des Haushalts der Stadt Reutlingen entdeckt. »Die Nachbarstadt hat in den vergangenen Jahren einen harten finanziellen Konsolidierungskurs einschlagen müssen, der bereits Früchte zeigt.« Das werde auch Tübingen nicht erspart bleiben. Deswegen zitiert Palmer in seinem Vorbericht wörtlich über 17 Seiten die Schilderung aus Reutlingen und findet anerkennend: »Von Reutlingen lernen heißt Krise lernen.«
Dass sich die Zeiten geändert haben, merkt man nach Ansicht von Haushalts-Chefin Melanie Günthner an vielen Stellen. »Vor zwei Jahren mussten wir noch Verwahr-Entgelte zahlen, heute bekommen wir drei Prozent aufs Tagesgeld.« Von Reutlingen lernen heißt Krise lernenIn Sachen Liquidität sieht’s augenblicklich erstaunlich gut aus. Da liegt man bei knapp 70 Millionen Euro. Gleichzeitig hat sich der Schuldenstand aber von 46 Millionen auf nahezu 58 Millionen erhöht und wird 2024 vermutlich auf 85 Millionen steigen. Der Schuldendienst lässt sich somit nicht mehr aus dem laufenden Betrieb bestreiten, mahnt Günthner.
Wie hoch wird die Kreisumlage?
An zwei Summen lässt sich das Ausmaß des Problems leicht festmachen, heißt es im Rathaus. Im Ergebnis-Haushalt steht für 2024 ein Minus von 34 Millionen Euro. Im Finanz-Haushalt ist das Minus noch dicker: Hier fehlen sogar fast 45 Millionen Euro.
Zu den Posten, die die Unistadt nicht direkt beeinflussen kann, zählt die Kreisumlage. Günthner hat in ihren Berechnungen einen Anstieg von 46,7 auf 60,7 Millionen Euro zugrunde gelegt. Die Kreisumlage ist noch nicht beschlossene Sache. Über den Haushalt des Landkreises muss erst noch entschieden werden. Die Unistadt stellt zwar mehr als ein Drittel der Kreisräte, doch die sind bisher nie als Block aufgetreten.
An erster Stelle: Schlüsselzuweisungen
Auf den 830 Seiten des Tübinger Zahlenwerks finden sich als Haupt-Einnahmequelle die Schlüsselzuweisungen. Sie liegen laut Plan ziemlich unverändert weiter über 85 Millionen Euro.
Erst an zweiter Stelle folgt in Tübingen die Einkommenssteuer mit erwarteten 62,5 Millionen Euro (das ist eine leichte Steigerung um etwa eine Million). Danach kommt die Gewerbesteuer. Laut Kalkulation erreicht man hier 60 Millionen Euro, das wäre eine Steigerung um 7,5 Millionen.
Nur noch bereits begonnene Investitionen
Palmer ist überzeugt, dass man neue Investitionen nicht mehr stemmen und deswegen nur die begonnenen vollenden kann. Die Fertigstellung von Europaplatz/Busbahnhof oder das neue Hallenbad beim Freibad, die große Radbrücke oder die Sanierung der Musikschule sind also nicht betroffen. Der Konzertsaal wäre sowieso erst in einigen Jahren dran gewesen.
Der Rathauschef geht davon aus, dass man um eine Konsolidierung nicht herumkommt. Eine Liste, welche Vorhaben in den kommenden Jahren zwangsläufig geschoben werden, will er aber erst 2024 aufstellen, wenn der neue Gemeinderat gewählt und im Amt ist.
Beschluss Anfang Februar
Zunächst sind sechs Termine für die Behandlung des nun vorliegenden Entwurfs im Gemeinderat vorgesehen. Am 8. Februar soll der Haushalt beschlossen werden. (GEA)