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Harald Schmidt bei Gregor Gysi: »Tübingen ist eine Diagnose«

Entertainer Harald Schmidt war bei »Gysis Begegnungen« zu Gast im Kunstmuseum. Der aus Nürtingen stammende Late-Night-Star sprach offen über seine schwäbische Herkunft, seine Karriere-Anfänge sowie die Grenzen der Satire.

Harald Schmidt (links) und Gregor Gysi (Die Linke) im Gespräch vor ausverkauftem Saal im Kunstmuseum NKT.  FOTO: SCHERTLIN
Harald Schmidt (links) und Gregor Gysi (Die Linke) im Gespräch vor ausverkauftem Saal im Kunstmuseum NKT. FOTO: SCHERTLIN
Harald Schmidt (links) und Gregor Gysi (Die Linke) im Gespräch vor ausverkauftem Saal im Kunstmuseum NKT. FOTO: SCHERTLIN

TÜBINGEN. Zwei alte Bekannte trafen am Montag im neuen Kunstmuseum Tübingen aufeinander: In der Gesprächsreihe »Gysis Begegnungen« war der aus Nürtingen stammende Entertainer und Satiriker Harald Schmidt kurzfristig nach Absage von Ex-Trigema-Chef Wolfgang Grupp eingesprungen, vom Gastgeber als »ein ganz prima Kerl« angekündigt. Im lockeren Dialog mit dem bekannten Linken-Politiker Gregor Gysi gab Schmidt Einblicke in sein privates Leben, plauderte aus dem Nähkästchen über seine Karriere und seinen Eindruck von US-Präsident Donald Trump.

»Wie schwäbisch bist Du?«, wollte der Politiker zu Beginn von dem Schauspieler wissen. »Schon ziemlich. Ich lebe zwar in Nordrhein-Westfalen aber ich lasse meine Nachbarn gerne öfters wissen, dass sie ohne den Länderfinanzausgleich von Baden-Württemberg blöd dastehen würden. Drei Häusle und zwoi Daimler war früher in Nürtingen normal«, scherzte Schmidt.

»Man darf nicht zimperlich sein und muss nehmen, was man kriegt an Auftrittschancen«

Gysi (77) begann chronologisch und ließ Schmidt zunächst von seiner Kindheit und Jugend berichten. Gebürtig ist der Late-Night-Star aus dem bayerischen Neu-Ulm und wuchs in Nürtingen mit streng katholischen Eltern auf. Er betätigte sich als Organist bei Gottesdiensten – »die C-Prüfung dazu habe ich in Rottenburg abgelegt – ich war aber sehr schlecht«, erinnert Schmidt sich schmunzelnd.

Auch an Tübingen hat der 68-jährige noch lebhafte Eindrücke: »Ich wurde von einem Kinderarzt in Nürtingen untersucht, der meinte, ich muss nach Tübingen in die Psychiatrie – ich nannte es Kinderklapse – wegen irgendwelcher Ticks. Tübingen galt als medizinisch geprägt. Wir sagten: Tübingen ist kein Ort, sondern die Diagnose«.

Seinen Zivildienst (»der Bund kam für mich nicht in Frage – ich bin kein Typ für Mehrbettzimmer und Märsche mit schwerem Gepäck«) absolvierte er in einem Pfarrbüro, ein Schauspiel-Studium in Stuttgart schloss sich an. Sein erstes Engagement war von 1981 bis 84 an den städtischen Bühnen von Augsburg, danach kam ein Wechsel zum »Kom(m)ödchen« in Düsseldorf, wo dann Schmidts kabarettistische Laufbahn begann. »Eines habe ich dabei gelernt: Man darf nicht zimperlich sein und muss nehmen, was man an Auftrittsmöglichkeiten bekommen kann«, erinnert er sich. 2002 bekam Harald Schmidt den Preis »bester Nachwuchsschauspieler des Jahres« verliehen.

Von der Bühne wechselte Schmidt dann zeitweise zum Fernsehen. Eine der ersten Sendungen war »Pssst«, bei dem ein prominentes Rateteam das Geheimnis des Gastes erraten musste. Es folgten sehr erfolgreiche Formate wie »Schmidteinander« mit Herbert Feuerstein und weniger starke Auftritte mit »Verstehen Sie Spaß?«. »Einmal hatte Elton John ganz kurzfristig abgesagt. Also habe ich einen seiner Titel vom Kassettenrekorder abgespielt. Das gab Ärger. Oder mein Hubschrauberflug im Pelzmantel zur 20 Meter entfernten Pommesbude während der Sendung – kam beim Sender auch nicht so gut an«, erinnert sich Schmidt feixend. Sein Fazit am Ende: »Man kann es eigentlich nur machen, wenn man denkt: Leckt mich doch alle am Arsch«.

Die Late-Night »Harald Schmidt Show« (von 1995 bis 2003 bei SAT1) war dagegen erfolgreich, auch mit den Co-Moderatoren Manuel Andrack und Oliver Pocher. »Johnny Carson – der absolute Godfather der Late-Night und Jay Leno«, nennt er hier als Vorbilder.

Im deutschen Rundfunk bewunderte Schmidt vor allem Rudi Carrell, der auch sein komisches Talent erkannte und ihn förderte. »Ein Problem war das Suchen nach Gästen, wir mussten nehmen, wen wir kriegen konnten«, gesteht Schmidt. »Ach darum hast Du mich gleich zwei Mal eingeladen«, frotzelte Gysi nach diesem Eingeständnis. Und weiter: »Mir wurde mal gesagt, ich bringe eine Doppelquote, da Menschen einschalten, die mich hassen und Menschen, die mich mögen«.

In der Late-Night-Show nahm Schmidt kein Blatt vor den Mund, testete die Grenzen des machbaren aus, mit schwarzem Humor und teil grenzwertigen Kommentaren. »Satire muss wehtun. Gefühle zu verletzen ist nicht justiziabel«, so sein Credo – dies brachte ihm den Spitznamen »Dirty Harry« ein.

Zusammen moderierten die beiden Urgesteine von 2019 bis 2024 gemeinsam die Sendung »Gysi und Schmidt«, bei der wichtige aktuelle Themen und Ereignisse diskutiert wurden. Warum die Sendung abgesetzt wurde, konnten sich beide nicht erklären, »Dirty Harry« versicherte aber glaubhaft, dass »hier in Tübingen heute Abend live mit Publikum ist viel lustiger als bei einem Fernsehsender«, worauf er donnernden Applaus erhielt.

Gastgeber Gysi wollte zum Abschluss noch wissen, was Harald Schmidt denn vom amtierenden US-Präsidenten Donald Trump hält. »Ich halte ihn für einen sehr charismatischen Menschen, der auch emphatischer ist als man denkt. Es gibt viele unterschiedliche und schnell wechselnde Meinungen über Trump. Ich denke, man sollte sich da nicht zu sehr aus dem Fenster lehnen«, so der Schauspieler.

Zum Abschied dankte Gastgeber Gysi nach gut 120 Minuten seinem Besucher mit den Worten »Du hast viele Preise gewonnen und viele Menschen zum Lachen gebracht. Lachen kann heilen. Du bist für ein bisschen Glück dieser Menschen verantwortlich und bist Dir immer treu geblieben«. (GEA)