TÜBINGEN. Der große Kinosaal im Tübinger Museum war restlos ausverkauft, als Hape Kerkeling, »ein Autor, den wir vor 20 Jahren noch nicht als Autor auf dem Schirm hatten«, wie ihn Osiander-Geschäftsführer Heinrich Riethmüller anmoderierte, die Bühne betrat. Was folgte, waren recht kurzweilige 90 Minuten. Kerkeling las nicht nur aus seinem neuen autobiografischen Buch »Gebt mir etwas Zeit«, sondern unterhielt sich auch mit dem Publikum und beantwortete Fragen der Zuschauer.
Worum geht es in Kerkelings Buch?
In »Gebt mir etwas Zeit« geht es um die Erkenntnisse, die Kerkeling gewonnen hat, als er »seine Spucke weggeschickt« hat, um seine DNA analysieren zu lassen. Er fand heraus, dass in seinen Genen, »viel Holland, etwas Balkan und ein kleines bisschen Italien« steckt. In seiner Gestik erkenne er den Italiener in sich, erklärte Kerkeling. Die DNA-Analyse führt zu einer dreijährigen Ahnenforschung - in der Pandemie war ja genügend Zeit - in der Kerkeling 56.000 zumeist verstorbene Verwandte kennenlernte. »Mütterlicherseits bin ich bis Dreizehnhundertnochwas auf Hendrik Kehlbrecher gekommen und auf der Vaterseite bis zwölfhundertnochwas bei Gretchen Hühnerjäger«, erzählte Kerkeling.
Welche Familiengeheimnisse werden verraten?
Seine Familie stamme ursprünglich aus dem Münsterland, wo sie noch Kerkering hieß, was »Küster« bedeutete, bevor sie nach Holland und später wieder ins Ruhrgebiet auswanderte. Kerkeling stellte fest, dass die Vorfahren seiner Mutter und seines Vaters bereits um 1600 in Amsterdam nur 200 Meter voneinander entfernt wohnten. Der Titel seines Buches »Gebt mir etwas Zeit« sei 1627 als Sinnspruch am Hutmachergeschäft seines Vorfahren in Amsterdam gestanden. Doch das Hutmachergeschäft war eigentlich ein verdecktes Bordell. »In meiner Familie gibt es viel um Verstecksein und Familiengeheimnisse. Meine Oma durfte lange nicht sagen, dass sie Prinzessin ist, mein Opa hat versteckt, dass er während der Hitler-Zeit Kommunist war und ich habe lange geheimgehalten, dass ich homosexuell bin«.
Wie ist Kerkeling mit König Charles verwandt?
Im Zuge seiner Ahnenforschung hat Kerkeling herausgefunden, dass seine Oma aus einer Affäre seiner Uroma mit König Edward VII. von England, dem Sohn Königin Viktorias abstammt. Von Edward habe er »diese Großspurigkeit« geerbt, witzelt Kerkeling. »Ich bin eine Art Onkel von König Charles III.« Diesen habe er bereits einmal bei einem Empfang kennengelernt. Da wusste Kerkeling noch nichts von der Verwandtschaft. Geschrieben habe er Charles über die Verwandtschaft noch nicht, weil er sich keine Antwort erwartet habe. »Ich hoffe allerdings, dass er inzwischen davon gehört hat und warte täglich auf Antwort von ihm. Vielleicht ernennt er mich ja zum Herzog«, sagt Kerkeling. Falls Charles ihm antworte, erwarte er allerdings eine sehr humorvolle Antwort, fügt Kerkeling hinzu.
Was hat Kerkeling mit Martin Luther gemeinsam?
Eine Verwandte, die er jedoch kontaktiert hat, ist Gisela aus Sachsen. Sie habe zunächst etwas erschrocken reagiert. Inzwischen stehe er mit ihr in regelmäßigem Kontakt. Gisela habe auch Ahnenforschung betrieben und ihm mitgeteilt, dass sie beide mit Martin Luther verwandt seien. »Nun ja, ich habe ja auch so meine Thesen, so ist das nicht«, kommentierte Kerkeling die Gemeinsamkeit mit dem Reformator.
Erzählt Kerkeling auch etwas über TV-Promis?
Eine Passage las der Komiker über die Verabschiedung eines WDR-Intendanten 1984, bei der der damals 20-jährige Moderator nach nur einer Folge seiner Musiksendung »Känguru« in der ersten Reihe zwischen Willy Millowitsch und Rudi Carrell saß. Millowitsch habe ihn nicht gekannt und gefragt, ob er mit dem Intendanten verwandt sei. Als Kerkeling ihm eröffnete, er sei Komiker, habe ihn Millowitsch spontan für sein Theater in Köln engagiert. Carell hingegen habe gesagt: »So wie du kann man es natürlich auch machen. Andere arbeiten sich hoch und du fängst schon gleich oben an«. Geraten habe ihm der Holländer: »Du hast Talent. Mach was draus«.
Wie schreibt Kerkeling?
Auf dem Jakobsweg habe er Tagebuch geführt. »Ich kannte niemand und mir war langweilig«, begründete er. Zunächst habe er Kladden benutzt, dann aber, als ihm das Papier ausging, Zettel, Prospekte und Servietten. Diese Tagebucheinträge habe er dann jedoch, als er das Buch »Ich bin dann mal weg« zusammenstellte, falsch geordnet, weil er sie nicht datiert hatte. Weil die Reihenfolge nicht stimme, habe man ihm vorgeworfen, er sei den Jakobsweg nie gelaufen. Inzwischen bestehe sein Schriftstellerleben darin, dass er von 8 Uhr bis und 12 Uhr frühstücke und dabei seinem Ehemann vorlese, was er am Nachmittag und Abend des Vortags geschrieben habe, sagt Kerkeling. Zum Schreiben brauche er keinen besonderen Ort: »Ich kann auch schreiben, wenn neben mir eine Baustelle ist«.
Will Kerkeling nochmal den Jakobsweg gehen?
Nein. Er habe nach seiner ersten Pilgerreise noch einmal den portugiesischen Jakobsweg gehen wollen, sei dann aber von einem Waldbrand gestoppt worden, »Da habe ich das gemacht, was ich schon beim ersten Mal tun wollte. Ich habe die Pilgerfahrt abgebrochen, bin in ein nettes Hotel gegangen und habe mir einen schönen Gin Tonic bestellt«. Seither sei das Kapitel Jakobsweg abgeschlossen.
Was sagt Kerkeling über das Ruhrgebiet?
Als ihn ein Zuschauer, der aus Bochum stammt, fragte, was ihn heute noch mit dem Ruhrgebiet verbindet, fragt Kerkeling zurück, ob er Bochum in Tübingen vermisse. Als der Zuschauer verneint, meint Kerkeling: »Wenn du im Ruhrgebiet geboren ist, dann ist das Schöne daran, dass es überall schöner ist. Egal, wo es dich später hinverschlägt, es ist überall schöner«.
Sagt Kerkeling auch etwas über Reutlingen?
Der Komiker fragte eine Reutlingerin im Publikum, woher sie komme und schwäbelte dann: »Aus Reutlinga? Ond dahin müsset Sie heut abend no' z'rück bei dem Wetter?« Auch schwäbische Verwandte habe er in seiner Ahnenreihe gefunden. »Ich wäre enttäuscht gewesen, wenn ich keine schwäbischen Gene gehabt hätte«. In Tübingen gefalle es ihm im Übrigen so gut, dass er versprach, wiederzukommen und hier auch sein nächstes Buch vorzustellen.