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Grübeln: Tübinger untersuchen die Wirkung von Sport

Bei depressivem Grübeln: Ein Forschungsprojekt an der Uni Tübingen untersucht die Wirkung von Sport

So sieht es aus, wenn Probanden am Computer die Grübelskala  bewerten.  FOTO: WEBER
So sieht es aus, wenn Probanden am Computer die Grübelskala bewerten. FOTO: WEBER
So sieht es aus, wenn Probanden am Computer die Grübelskala bewerten. FOTO: WEBER

TÜBINGEN. »Warum muss ich mich so müde und energielos fühlen? Was wird, wenn sich das nicht bessert, sogar für ewig so bleibt?«, immer und immer wieder gehen diese quälenden Gedanken durch den Kopf, drehen sich im Kreis. »Das Versinken in Grübeln und negativen Gedanken kann Teil einer bestehenden Depression sein, andererseits wissen wir, dass sie durch Grübeln begünstigt wird«, so Jana Welkerling, Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin eines Forschungsprojekts der Universität Tübingen, das am Institut für Sportwissenschaft angesiedelt ist.

Untersucht wird, wie depressives Grübeln durch sportliche Aktivität beeinflusst wird. »Wir wissen schon länger, dass Sport depressive Symptome reduziert, das haben viele Studien belegt. Mit unserem Projekt möchten wir jetzt herausfinden, warum das so ist.«

»Viele depressive Patienten berichten, dass sie sich in endlosen Grübelschleifen befinden«

Sich viele Gedanken zu machen, sei an sich eine gute Sache. »Das führt eher zu Lösungen und kann uns helfen, Herausforderungen zu meistern. Beim Grübeln geraten wir jedoch in eine negative Form des Nachdenkens«, so Welkerling, die gerade promoviert, parallel dazu eine Ausbildung zur Psychotherapeutin macht und als Sportpsychologin im Leistungssportsektor coacht.

»Viele depressive Patienten berichten uns, dass sie sich in endlosen Grübelschleifen befinden, aus denen sie nur schwer herauskommen, wenn überhaupt. Überwiegend sind das selbstkritische Gedanken, der Blick für den Ausweg aus der bestimmten Situation geht verloren.«

Bei den bisherigen Untersuchungen von depressivem Grübeln wurden in der Regel Fragebögen eingesetzt, die auf dem Selbstbericht von Patientinnen und Patienten basieren und somit sehr anfällig für Verzerrungen sein können. Beim aktuellen Forschungsprojekt kommt ergänzend Künstliche Intelligenz als innovative Methode zum Einsatz. »Wir zeichnen die Hirnaktivität auf, wenn die Patienten grübeln und wenn sie abgelenkt sind und trainieren ein Computerprogramm, das lernt, welche Muster der Hirnaktivierung zum Grübeln und welche zur Ablenkung gehören. Künstliche Intelligenz kann die Hirndaten dem entsprechenden Muster dann zuordnen.«

Zur Erhebung der Daten werden den freiwilligen Projekt-Teilnehmern verschiedene Aussagen auf einem Computer gezeigt, bei denen sie ins Grübeln kommen können. Jede Versuchsperson trägt dabei eine Haube mit Elektroden, die nummeriert sind und an einen vorgegebenen Platz kommen. »Auf diese Weise bekommen wir vergleichbare Messdaten und wissen, welche Elektrode welches Hirnareal misst«, so Welkerling.

Auf einer Grübelskala muss während des Versuchs regelmäßig angegeben werden, wie stark das Grübeln empfunden wurde. In einem zweiten Schritt wird die Hirnaktivität erneut gemessen und aufgezeichnet, während die Probanden auf dem Fahrradergometer moderat trainieren. »Dahinter steckt die Idee, dass wir diese Daten dann direkt vergleichen können.« Das Forschungsprojekt wird von der Robert-Enke-Stiftung unterstützt, die sich für den offenen Umgang mit Depressionen und deren Erforschung und Behandlung einsetzt.

Erste Ergebnisse des Projekts sind positiv. Es zeigte sich, dass das vorab trainierte Computerprogramm während der sportlichen Aktivität deutlich weniger Grübeln klassifizierte, als während der inaktiven Kontrollbedingung. »Das bestätigt uns, dass depressives Grübeln durch Sport signifikant reduziert wird. Diese wichtige Erkenntnis kann dazu beitragen, die Versorgung dieser psychischen Erkrankung weiter zu verbessern«, sagt Welkerling.

Bei leichten und mittelgradigen Depressionen könne Sport also gut als Ergänzung zur medikamentösen Behandlung oder Psychotherapie eingesetzt werden. »Sport ist grundsätzlich für jeden gut und heilsam«, weiß die Psychologin. »Neue Studien haben gezeigt, dass sportliche Aktivitäten vor psychischen Erkrankungen schützen können. Sie lösen positive Gefühle aus.«

Für Welkerling selbst ist Sport ein wichtiger Bestandteil ihres privaten Lebens: Tanzen, Skifahren, Laufen, Schwimmen und Yoga gehört dazu. Welche Sportart eignet sich besonders gut, um sich vom depressiven Grübeln abzulenken, auch wenn man nicht so vielseitig wie sie unterwegs ist? »Alles, was sich im moderaten Ausdauerbereich bewegt, also Schwimmen und Joggen und verschiedene Formen von Yoga«, sagt sie und hält kurz inne. »Und es sollte natürlich auch Spaß machen.« (GEA)

 

MOTIVATION MIT DEM WENN-DANN-PLAN

Routinen im Alltag helfen, den inneren Schweinhund zu besiegen

Es ist schon dunkel und ich komme gerade total erledigt von der Arbeit nach Hause. Jetzt würde ich mich am liebsten auf dem Sofa ausruhen, obwohl ich genau weiß, dass Bewegung an der frischen Luft gesund für mich wäre. Wie kann ich mich in dieser Situation zu einer Joggingrunde aufraffen? Jana Welkerling rät, dieses Ziel mit einem sehr konkreten Verhaltensplan, dem Wenn-Dann-Plan umzusetzen. »Wenn ich mich nach der Arbeit energielos fühle, jogge ich trotzdem noch eine Runde«, könnte eine Formulierung lauten. »Diesen Plan kann ich routinemäßig in den Alltag einbauen, zu festen Zeiten oder an festen Wochentagen. Wenn man nicht alleine aktiv werden möchte, kann man sich ja mit einer Freundin oder einem Freund verabreden.« (raw)